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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 06.08.2012, 12:18   #1
männlich Pattie
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Beiträge: 264

Standard Schmetterling und Kerze*

Schmetterling und Kerze*
*
Ein Falter kam taumelnd durch die Nacht geflogen,*
ward trunken vom Licht einer Kerze angezogen,*
die im Garten vor einer Weinkneipe stand,*
war mit Flügeln und Leib in Liebe entbrannt.*
*
"Ach Kerze, ich werd wohl an dir verderben*
und brennen werd ich, an der Flamme sterben.*
Nichts ist auf der Welt meiner Liebe gleich.*
Durch den Tod erwerb ich mir das Himmelreich."*
*
"Verbrennst du an mir, so bin ich doch die Glut.*
Ich bin die Liebe selbst und geb mit meinem Blut*
und Leben den Trunknen, dass sie im Dunkel sehen*
verzehre mich und werd an meiner Liebe so vergehen."
*
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Alt 07.08.2012, 10:58   #2
weiblich Ex-Nitribitto
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Beiträge: 407

Standard Schmetterling und Kerze

Lieber Omar,

ein Gleichnis. Liebe kann eben auch töten, wenn sie übermächtig brennt.
Und es wird auch nicht alles im Leben belohnt, wie man weiß, und das Paradies ist nur ein Versprechen, denn niemand ist Revisor genug, um nachprüfen zu können, ob es nicht etwa eine Luftbuchung ist. Da hilft nur der fromme Selbstbetrug, der Glaube, denn sonst wäre die ganze Qual auf Erden schließlich umsonst gewesen. Aber ich bin viel zu sehr Realitätsmensch, als dass ich nicht um die Endlichkeit alles Seienden wüsste, insofern für dich sicher nicht satisfaktionsfähig. Mit Verlaub

und liebem Gruß
Nitribitto
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Alt 07.08.2012, 12:46   #3
gummibaum
 
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Alter: 70
Beiträge: 10.909

Hallo Omar Chajjam,

zwei lyrische Ichs, die aus ihrer Tiefe plaudern. Der locker gestrickte Ton ist erst beim zweiten Lesen die Offenbarung der Feinmaschigkeit.

LG gummibaum
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Alt 07.08.2012, 17:10   #4
männlich Pattie
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An sich ist das ein altes Motiv von Hafiz, das unter anderem von Goethe und Nietzsche weiter umgeformt wurde. Es ist ein Gespräch über die Liebe, denn der Falter liebt die Flamme, und verzehrt sich nach ihr, während die Kerze an sich selbst verbrennt und darum die Liebe in ihrer reinsten Form ist. Und danke Gummibaum für die feinen Maschen. Danke auch Nitribit für den ganz richtigen Beitrag zum Selbstbetrug, denn der Falter betrügt sich selbst, da er vermeintlich liebt.
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Alt 07.08.2012, 17:17   #5
männlich Pattie
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Übrigens habe ich auch die Metaphorik von Hafiz verwandt. Die Weinkneipe meint Schule und die Trunkenheit ist Weisheit. Er ist eben aber nur vermeintlich weise, der Falter. Er meint, schon sein Tod würde ausreichen, um ins Himmelreich zu kommen, eben ein Fundamentalist sozusagen. Das aber entscheidend die Fähigkeit zur Auflösung im Glauben, zum Leuchten in Dunkelheit ist, beweist ihm die Flamme der Kerze. Fundamentalismus gegen Sufismus sozusagen.
Pattie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.08.2012, 17:18   #6
Thing
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Raffiniert!
Die Metapher hätte ich nie erkannt.


LG
Thing
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Alt 07.08.2012, 17:25   #7
männlich Pattie
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Das es doch den einen oder anderen interessieren könnte:


Hafis, der größte persische Dichter, war Lehrer an der Koranschule. Seine "Ghaselen" preisen freilich höchst unorthodox den Wein, das Wirtshaus und den schönen Schenken. Seinem Idol verleiht Hafis sogar gottgleiche Züge: Der Schenke spendet Wein, Liebe und Leben - oder er verweigert es aus unerforschlichen Gründen. Dichtung also, die Sinnliches und Übersinnliches ineinander spiegelt. Erst nach seinem Tod wurden seine Gedichte in einem "Diwan" gesammelt, im 19. Jahrhundert wurden sie auch in Europa durch Goethe [siehe "Westöstlicher Diwan"] sowie durch die Übersetzungen von Rückert bekannt gemacht.

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)

Durch Treue bin ich berühmt bei Schönen wie die Kerze,
Ich sitze bei der Nacht mit Trunknen, wie die Kerze.

Bei Nacht und Tage kommt kein Schlaf in meine Augen,
Ich weine, und bin krank durch Trennung, wie die Kerze.

Den Faden der Geduld zerschnitt die Scheer des Grames,
Ich lach' in der Gluth der Liebe, gleich der Kerze.

Den Schmetterling der Lust send' in die Nacht der Trennung,
Sonst werde ich die Welt verbrennen wie die Kerze.

Wenn blut'ge Thränen nicht dem Auge heiß entströmten,
So wär' der Welt nicht kund mein Innres wie die Kerze.

Mein weinend Herz, o schau' es zwischen Gluth und Wasser,
Beständig klaget es, es jammert wie die Kerze.

Der Felsen der Geduld zerschmilzt wie Wachs vor Schmerzen,
Seit deine Liebe mich zerschmelzet wie die Kerze.

Mein Tag ist finster ohne deine Weltenschönheit,
Doch unvollkommen ist die Liebe wie die Kerze.

Ergriffen hat Hafisen deiner Liebe Flamme,
Wann löschet Wasser diesen Brand aus wie die Kerze.

Autor: Hafis [Schamsoddin Mohammad Hafiz] (um 1320, Schiras - 1389, Schiras)


Gratulierend kam der Ostwind zum alten Weinhändler

Ein neuer Tag ist angebrochen
trinke und sei frohen Sinnes

Die Luft riecht nach Christi Atem
der Wind nach Moschus
grün sind die Bäume
und die Vögel in Aufruhr

Der Tulpenofen wird vom Frühlingswind so geheizt
dass die Knospen in Schweiß ausbrechen
und die Blumen in Eifer

Die Stimme des Gewissens
sagt zu mir am frühen Morgen
traue dem Ohr deiner Vernunft und
begebe dich zum Freudenfest

Gib den Gedanken an Zwietracht auf
um ganz zu sein
denn nach dem Dahinschwinden der Dämonen erscheint der Botenengel

Im Orden der engen Vertrauten
ist kein Platz für nicht Eingeweihte
verdecke den Wein mit deinem Tuch
denn der Fromme ist gekommen

Vom Kloster bricht Hafez zum Weinhaus auf
um sich zu befreien vom Trunkensein
der Frömmigkeit
und der Heuchelei.

Aus: Der Buchstabe Ain
Rosen aus Schiras

Saghi, schenk ein den Wein
und lass den Becher kreisen!
Im Anfang schien die Liebe leicht,
die dann zum Rätsel ward.
Wann bringt der Wind
den Moschushauch von deinem Haar?
Von deinen Locken wurden alle Herzen wund.
Wie fände ich Frieden doch in deinem Haus,
da ruft die Karawanenglocke schon zum Weiterzug!
Färb den Gebetsteppich mit Wein, wie es der Weise sagt,

dann wirst du, Pilger, auch vom Sinn des Weges
dein Teil erfahren.
Was wissen denn die Leichtbebürdeten am Strand von uns,

die Nacht und Wogensturm umgibt.
Durch meinen Eigensinn erwarb ich mir
den schlechten Namen.
Wie kann Geheimnis auch verborgen bleiben,
das bei Zusammenkünften verhandelt wird!
Hafis, erhalt dir des Geliebten Gegenwart,
entsage dieser Welt, wenn du gefunden, den du liebst!

Goethe hat das nachgedichtet:

Selige Sehnsucht

Sag es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet:
Das Lebendge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reisset neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du Schmetterling verbrannt.

Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde



Weil mir das Gedicht am Herzen liegt, noch ein Beleg von Nietzsche:

Ecce homo

Ja! Ich weiß, woher ich stamme!
Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr' ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Kohle alles, was ich lasse:
Flamme bin ich sicherlich


Hafis, Goethe und ich auf Augenhöhe, warum sollte man sich nicht an den alten Metaphern versuchen. Aber richtig, wir hätten da ja die Neonröhre als Metapher für die Gegenwart.

ein Falter flog zu einer Neonröhre,
damit sie ihn in Lieb erhöre.
Doch blieb die Neonröhre kalt.
So sind die Weiber heute halt.
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Alt 07.08.2012, 17:48   #8
männlich Phönix-GEZ-frei
 
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Omar Chajjam,

Ecce homo:

Ja! Ich weiß, woher ich stamme!
Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr' ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Kohle alles, was ich lasse:
Flamme bin ich sicherlich


LG
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Alt 07.08.2012, 17:50   #9
Thing
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Für diejenigen, denen das unbekannt sein könnte:

Den Namen des Dichters hinzufügen! Bitte!


LG
Thing
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Alt 07.08.2012, 17:51   #10
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Steht doch drüber: Nietzsche
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Alt 07.08.2012, 18:03   #11
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Für alle, die nur die Gedichte lesen und nicht die Erklärungen. Die Autoren meines letzten Beitrag sind Hafiz, Goethe und Nietzsche. Der letzte ironische Vierzeiler ist dann wieder von mir.
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Alt 07.08.2012, 18:10   #12
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na ja ist ja verständlich oder?
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Alt 07.08.2012, 18:16   #13
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Dass die Autoren verschwinden, hängt wahrscheinlich an dem Phänomen des konzentriert selektiven Lesens
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Alt 07.08.2012, 18:24   #14
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das mag sein, aber in der dynamik steck doch auch wahrheit oder?
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Alt 07.08.2012, 18:39   #15
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Insofern man mit einem Dynamo Licht erzeugen kann, wenn man die richtige Birne dazu hat.
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Alt 07.08.2012, 18:55   #16
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stimmt auch wieder
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