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Alt 07.12.2016, 22:16   #1
männlich Heinz
 
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Standard 15. Kapitel Urlaub in Jena

15. Kapitel

Eine Moschee!
„Ihr habt hier in Dresden eine Moschee?“ - „Ach, unsere ‚Tabakmoschee‘ - das ist keine richtige Moschee, das ist eine Tabakfabrik.“ - „Ganz schön aufwendig - wer hat sich das denn einfallen lassen?“ - „Die durften damals, so vor 70 Jahren, mit Fabrikgebäuden das Stadtbild nicht verhunzen, da haben sie sich ein orientalisches Gebäude, ich glaube, die Grabmoschee eines Emirs in Kairo, zum Vorbild genommen und ne Moschee mit einer Riesenglaskuppel und daneben ein Minarett einfallen lassen und jetzt krieg ich meine Salem aus dieser Fabrik.“
„Salem?“ -"Na, kennste doch - salem aleikum!“ - „Nee, kenn ich nicht - ist das ne Zigaretten-Marke?“ - „Mhhh, aber Deine mit Filter schmecken mir besser.“
„Vor paar Tagen hatte ich keine Fluppen bei mir und hab mir Karo besorgt.“ - „Karo? Da fallen doch die Fliegen tot von der Decke - die rauchen noch nicht mal die Jungs in der Ecke vom Schulhof.“ Elischa klärte mich über das reichhaltige Markensortiment der DDR auf. Da gab es z.B. ‚Turf‘, ‚F 6', ‚Orient‘ und ‚Duett‘. Die Duett sind die längsten - mit Filter - aber auch die teuersten, die Turf raucht kaum einer. „Warum nicht?“ Na, Turf - das ist die Abkürzung von ‚Thüringen unter russischer Flagge‘, - die Orient - da musste dreie rauchen, damit du überhaupt was merkst, die meisten rauchen wahrscheinlich die F 6.“
„Also, da haben die, damit die Skyline nicht verschandelt wird, diesen Trumm dahin gesetzt - gut schaut er ja aus! Gibts das Gesetz heute noch?“ - Nee, glaub ich nicht.“ - „Schade! Dann hätten die heutzutage diese Arbeiterschließfächer auch nicht bauen dürfen.“ - „Sei mal froh, dass sie die gebaut haben! Wo hätten die Leute denn leben sollen, nachdem die Alliierten unsere Stadt in Schutt und Asche gelegt haben? Und mal so nebenbei: Wo hätte dein Onkel denn die Fenster für sein Gartenhaus her bekommen?“ Mein Gesicht muss einem Fragezeichen recht ähnlich gewesen sein, Elischa setzte nach: „Der Erich (gemeint war Erich Honecker) hat doch gesagt ‚wir müssen noch viel mehr aus unseren volkseigenen Betrieben heraus holen!‘ - und das haben die Leute wörtlich genommen. Als hier die Plattenbauten entstanden, haben die fast doppelt so viel Fenster gebraucht, weil so viel geklaut wurde.“
Wir fuhren weiter, Elischa machte die Fremdenführerin und beim Quatschen bin ich natürlich
an einer Kreuzung geradeaus gefahren, statt links abzubiegen. „Macht nix, wir haben ja noch ein bisschen Zeit - guck mal, da drüben (sie meinte das andere Ufer der Elbe, auf der mehrere Schiffe der „Weißen Flotte“ - Ausflugsdampfer - stromauf und -ab schipperten), auf der Hügelkette, das ist der „Weiße Hirsch“. „Tolle Villen - die haben wohl den Feuersturm überlebt?“ - „Weiß ich nicht genau, da habe ich ja noch nicht gelebt. Aber da wohnt unsere Creme de la creme - kennste den Manfred von Ardenne? Der hat da auch sein Häuschen.“
Von Ardenne, ja, das war schon ein bekannter Wissenschaftler und ein zweiter „von“ fiel mir auch noch ein, der sogenannte „Sudel-Ede“, Eduard von Schnitzler, den ich bei meinen Freundesbesuchen in Niedersachsen ab und zu im DDR-Fernsehen mit seiner Sendung „Der schwarze Kanal“ gesehen hatte. „DDR und Adelstitel - wie passt das denn zusammen?“
„Wenn Du Baron, Herzog, Graf oder so meinst - die gibts nicht. Aber der Namenszusatz "von" der wird schon geführt. Vor 10 oder 20 Jahren war das schon verpönt, die wurden als ewig Gestrige bezeichnet und viele haben auf das „von“ verzichtet, um keine Nachteile zu haben. Später wurde man dann ein bisschen lockerer. Und unsere Freunde (den Sowjets) juckt das sowieso nicht. Der Schnitzler wollte seinen Adelstitel ja ablegen, aber da hat der Ulbricht nicht mit gespielt.“ - „Jetzt sag bloß nicht, der Spitzbart war adlig!“ - „Nee, war er nicht, aber mit Leuten wie Schnitzler und Ardenne kann man gut auf den Putz hauen. - Siehste da oben die Kuppel auf dem Haus?“ - „Noch ne Moschee?“ - „Iwo, da sitzt die Stasi und beschützt uns.“ - „Das nennst du beschützen?“ - „Na klar! Wir sagen ja auch, die Russen sind unsere Freunde. - Da vorne kannst du wenden, wir müssen in die andere Richtung. Der Verkehr war mäßig, aber ein bisschen aufpassen musste ich schon. An ampelgeregelte Kreuzungen gewöhnt, galt es auch hier in Dresden, auf die sehr hübschen, uniformierten Volkspolizistinnen zu achten, die mit immer wieder bewunderten graziösen, aber sehr bestimmten Gesten den Verkehr regelten. „Willst du mal ein blaues Wunder erleben?“ - Klar, nach den rosaroten, schwarzen und grünen Wundern, die ich mit dir...“ - „Du denkst wohl immer nur an das eine? Halt mal da vorne an.“ Wir hielten, stiegen aus und Elischa zeigte mir das „Blaue Wunder“ - eine bläulich schimmernde Brücke, die über die Elbe führte. „Da ist mal ein Bekloppter mit dem Flugzeug drunter her geflogen.“ Elischa erzählte mir was über die Entstehung und Bedeutung der Brücke - ich habe alles vergessen. Vorschlag: Fahrt mal nach Dresden, da gibt es nicht nur das Blaue Wunder, die Tabakmoschee, die Semper-Oper, die Brühlschen Terrassen, eine bezaubernde Altstadt, den Zwinger mit seinen Museen, die Galerie Alter Meister und das Historische Museum und das Grüne Gewölbe - da gibt es auch gewitzte Parkplatzwächter und die Erkenntnis, dass in Sachsen die schönen Frauen auf den Bäumen wachsen! Da gab es damals auch mitten in der Stadt - die wir uns am nächsten Tag zu Fuß eroberten - auch einen Riesen-Schutthügel, ein Mahnmal für die fast völlige Zerstörung des „Elbflorenz“, wie Dresden genannt wird. Dieser Schutthügel war der traurige Rest der zerbombten Frauenkirche. Vor ein paar Jahren war ich in Dresden - und da steht sie wieder in alter Pracht - fahrt mal hin, geht mal hinein und wenn ihr Glück habt, erlebt ihr ein Orgelkonzert und müsst aufpassen, falls ihr Atheisten seid, dass ihr nicht wieder gläubig werdet.
Wir fuhren weiter und waren nach 10 Minuten vor Elischas Haus. Elischa griff zum Lenkrad und hupte wie verrückt mit dem Ergebnis, dass eine schwarzgemähnte Elfe aus dem Haus schwebte - Jaqueline! Die knapp zwanzig Jahre jüngere Ausgabe der Frau Mama - mit anderen Worten: Ein prachtvolles Mädel!

Geändert von Heinz (08.12.2016 um 01:26 Uhr)
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Alt 09.12.2016, 09:04   #2
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Ein Fabrikgebäude, das einer Moschee nachempfunden wurde, dass es sowas gibt, wusste ich auch noch nicht. Deine Erzählung enthält interessante Details.

Ein kleiner Zeitfehler ist drin: "Elischa machte ... und beim Quatschen bin ich natürlich ...gefahren"

Hier hättest du durchgehend die Zeit halten müssen: "und beim Quatschen bog ich natürlichen falsch ab".

Das tut der Erzählung aber insgesamt nur einen minimalen Abbruch.
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.12.2016, 13:44   #3
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Guten Morgen Silbermöwe,
erst einmal vielen Dank für den Hinweis bezüglich der Zeiten! Hier kann ich es nicht mehr ändern, aber ich werde mein Manuskript noch mal einer scharfen Prüfung unterziehen müssen. Für die Druckversion überlege ich, ob ich noch das eine oder andere Foto hinzu füge.
Diese "Tabakmoschee" gibt es wirklich und Du kannst sie bestimmt im Internet anklicken. Das ist schon ein sehr imposantes Gebäude.
Die zweite Moschee, die ich in meinem Leben gesehen habe (in den arabischen Ländern war ich noch nicht), war genauso überraschend: Mitten im urchristlichen Staat Armenien (die "älteste Schwester" unter allen christlichen Ländern) steht mitten in der Hauptstadt Jerewan eine große Moschee mit einer hellblau glitzernden Kuppel. So etwas wird von den Armeniern toleriert - ihre eigenen Kirchen, z.T. über 1500 Jahre alt, die auf türkischen Staatsgebiet stehen, lassen die Türken vor sich hin gammeln. Das nur am Rande.
Beste Wünsche zum Wochenende,
Heinz
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Alt 10.12.2016, 19:28   #4
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Heinz,

danke für die Antwort und dir auch ein schönes Wochenende!

Ich finde es immer recht spannend, wenn in Geschichten sich Fiktion mit Wahrheit und Tatsachen mischt. Ich werde deine Jena-Geschichte - also die gesamten Kapitel - ganz lesen - allerdings wird das nicht in einem Rutsch sein.

Liebe Grüße
DieSilbermöwe
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Alt 10.12.2016, 19:35   #5
männlich Heinz
 
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Hallo Silbermöwe,
schön, dass Du Dir vorgenommen hast, alle bereits geschriebenen und künftigen Kapitel zu lesen.
Was für mich außerordentlich interessant wäre: Wo entdeckst Du a) Tatsachen, b) Wahrheiten, c) Fiktion?
Bestätigen oder leugnen würde ich allerdings nur per PN.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 10.12.2016, 19:39   #6
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Hallo Heinz,

das war ganz harmlos gemeint: Z. B. das Fabrikgebäude, das einer Moschee nachempfunden wurde, gibt es doch wirklich?

Ich meinte damit nicht die Situation zwischen Elischa und dem Protagonisten - da würde ich mich niemals anmaßen, zu behaupten, ich wüsste, was Fiktion und Wahrheit ist.

Aber falls ich in den anderen Kapiteln etwas Auffälliges finde, schreibe ich eine PN.
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.12.2016, 19:56   #7
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Hallo Silbermöwe,
sooooo empfindlich bin ich nicht! Ich fände es nur für mich spannend, ob jemand eine Ahnung hat, was real, was fiktiv ist (vielleicht nur, um heraus zu bekommen, wie gut ich lügen kann).
Die "Tabakmoschee gehört eindeutig zu den realen, überprüfbaren Gebäuden - selbst die Entstehungsgeschichte und die Begründung für diesen orientalischen Bau stimmen bis in die Einzelheiten. Gib man bei Google "Tabakmoschee in Dresden" oder "Dresden - Moschee" ein, da sind paar gute Fotos.
Ein schönes Wochenende!
Heinz
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