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Alt 02.01.2015, 18:57   #1
männlich Jeronimo
gesperrt
 
Dabei seit: 10/2011
Alter: 70
Beiträge: 4.237


Standard Frost

Ein eisiger Ostwind treibt leichten Schnee über den Asphalt.
Der Januar wehrt sich gegen die verfrühten Schreie nach dem Frühling,
gegen die groteske Lust, den gewarteten Rasenmäher schon zum Einsatz
zu bringen.
Sommergetunte Hecken und Sträucher wirken in ihrer akkuraten Nacktheit
wie Hohn unter weißen Dächern.
Mützen und Kapuzen fliehen rasch in die Behaglichkeit zurück.
Der Frost fordert ein wenig Respekt von den immer lärmbereiten T-Shirts,
die doch so gerne schon in den Cafes in den Klimawechsel lachen wollen.

Die immer nach Wachstum gröhlenden Weltvernichter laufen nicht durch
die Wälder an dem Zivilisationsbraun der Tannen vorbei, das das Grün
auffrisst.
Das Schweigen auf den Feldern hört man nicht auf den Autobahnen, Stille
ist Lähmung in Konsumpalästen, nur ein winterlicher Januartag mahnt zur
Besinnung..

Die Furchen in den gepflügten Feldern wirken jetzt wie geflochtene Haare,
auf gefrorenen Rinnsalen bilden sich Apfelmännchen-Bilder, die kurzen
Gräser erstarren im Frost, und der Schnee auf den dünnen Ästen der Bäume
wirkt wie ein bezauberndes Make-Up.
So weit muss man gehen, um vor den Wort-Termiten zu fliehen, die das
Gefühl "Frieden" auffressen..

Mit triefender Nase das Gesicht in den Wind halten, um für einen Moment
diesem bizarren Comicstrip zu entkommen, den man als "Leben" anpreist,
in allen Preisklassen, Hauptsache laut und endlich.
Und doch wär ich so gerne wie Schnee, der immer weiß bleibt, einmal den
frischen Fußspuren im Schnee ein Gefühl mitgeben, das zu mir führt, nur für
einen Augenblick, der alles übersteht, bevor der Wind ganz sanft die Spuren
verweht, wie Worte, die man nur in die Vergangenheit spricht..

Und das Knistern, wenn Schuhe über zerbrechendes Eis auf Pfützen laufen
erschreckt nicht, es flüstert dir nur zu, du bist noch da, verspiele nicht jeden
Moment im Trubel, verschwende dein Lachen nicht auf jedem Karussell.
Lass die letzte Taube, die du losschickst, dich selber suchen, zu finden einen
Menschen, nicht einer in einer Menschenmasse.

Heute schrei ich, morgen wein ich,
übermorgen lache ich das Leben aus
Aber immer, aber immer
trage ich ein Glück nach Haus.

Auch an einem frostigen Januartag.
Jeronimo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.01.2015, 16:43   #2
weiblich Merith
R.I.P.
 
Dabei seit: 10/2013
Ort: Im Isental
Alter: 83
Beiträge: 3.380


Jeronimo, ich glaube, dass du diese Geschichte während oder nach einem langen Spaziergang gedacht und geschrieben hat, die Eindrücke, die stille Sehnsucht nach einer besseren Welt verbunden mit dem Wunsch , dem Frost zu entfliehen und in der gefrorenen Erde dennoch Spuren zu hinterlassen, kann man sich nicht zusammenreimen, man muss sie empfunden haben.
Dein kleines Glück, das du in der Manteltasche mit nach Hause nimmt, umschlungen von kalter Winterhand, soll dich begleiten, nicht nur an frostigen Januartagen.

Merith
Merith ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.01.2015, 00:28   #3
männlich Jeronimo
gesperrt
 
Dabei seit: 10/2011
Alter: 70
Beiträge: 4.237


Liebe Merith,

ja, Du hast recht, man muss schon hinausgehen, um es nach zu empfinden, aber wer macht das schon?
Ich danke Dir für Deine lieben Wünsche und für Deinen lieben Kommentar!

Jeronimo
Jeronimo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.01.2015, 07:14   #4
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.104


Das ist Konservativismus in Reinform. Schon die kleinste Änderung wird als Bedrohung oder Abkehr vom Dogma empfunden.

Das ist aber der Natur und dem Klima wurst. Wir Menschen haben uns anzupassen, bewahren können wir nichts. Zum Glück haben wir über Jahrtausende bewiesen, dass wir anpassungs- und überlebensfähig sind.

Wir werden die Welt nicht so, wie sie heute ist, konservieren können. Entweder gehen wir mit ihr, oder wir gehen kaputt. Eins ist sicher: Die Welt geht nicht mit uns.

Was glauben wir Würstchen eigentlich zu sein? Ein paar Streicheleinheiten für unseren Planeten, und schon wird er sanftmütig? Wieso und vor wem soll die Erde eigentlich gerettet werden? Sie existierte ohne uns und wird auch nach uns existieren. In Wahrheit geht es um das Überleben der Menschen. Aber ehrlich gesprochen: I don't give a damn.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
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