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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 14.10.2011, 21:26   #1
männlich Erich Kykal
 
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Dabei seit: 09/2011
Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Standard Zu gleich und zu verschieden

Was hieße denn, zu sein wie alle andern?
Sich nicht verschließen und zuhaus allein
zu bleiben, und davor allein zu wandern?
Die Tage plaudern über wesenlose Sorgen,
mit andern darob aber nicht besorgter sein,
und sich von nebenan den Zucker borgen?

Was hieße denn, nicht anders sein als diese
so leicht Verachteten in ihrem grauen Trott
im selbst vor Jahren zugeriegelten Verliese?
Bin ich ein Freier denn, weil ich noch frage,
und macht mich Zweifel schon zu einem Gott,
nur weil ich mich so lang schon damit trage?

Was hieße denn, zu sein wie andre Leute?
Es hieße nur, dass ich nach draußen träte
und mich des Schweigens, das mich reute,
nun endlich ganz begeben mag in Frieden.
Ich könnte es, wenn mich nur einer bäte -
doch dafür sind wir wohl zu gleich...

...und zu verschieden.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2011, 11:11   #2
weiblich marlenja
 
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Beiträge: 3.204

Ich hatte es schon gelesen und es berührte mich irgendwie. Da ich es jedoch nicht ganz verstanden habe, so wie das letzte mal, wollte ich nicht mit Fragen nerven. Ich dachte, dass ich Dich und Deine Art zu dichten hald nicht wirklich verstehe und habe desshalb nichts gesagt. Die Zweitletzte Zeile, da dachte ich noch, ob es nicht ein sind sein sollte anstelle des sich.
marlenja ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2011, 18:25   #3
männlich Erich Kykal
 
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Dabei seit: 09/2011
Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

HI, marlenja!

Du hast ganz recht: Ein Verschreiber, schon längst gemeldet. Statt "sich" gehört natürlich "sind" dorthin.

Das Gedicht beschreibt sozusagen das Lamento eines isolierten und vereinsamten Lyrich, eine Person, die zu sehr Wert darauf legte, "anders" zu sein, sich abzuheben, sodass er letztendlich den Kontakt zu seinen Mitmenschen ganz verlor.
Nun überlegt er, ob's denn gar so schrecklich wäre, mal zu sein wie alle, nur um eben wieder dazuzugehören. Allerdings hat er verlernt, auf Menschen zuzugehen, oder sein Stolz - alles, was ihm noch geblieben ist - hindert ihn daran. (Siehe Schluß: Wenn ihn nur einer darum bäte...)
Doch keiner tut es: Die anderen um ihn sind entweder zu sehr wie er: Sie wollen auch "gebeten" werden und/oder würden aus Respekt oder Selbstsucht nie von sich aus auf ihn zugehen, oder eben zu wenig wie er: Sie verstehen seine Position gar nicht und kommen gar nicht auf die Idee, dass er sein selbstgewähltes Einsamsein verlassen wollen könnte.
Also: Zu gleich und zu verschieden!
So bleibt er gefangen in seinem Teufelskreis und allein in seiner selbstgebauten Sonderwelt, trotz seiner Sehnsucht nach Gemeinschaft, die er früher, als er jünger war, arrogant abtat: Der Starke ist am mächtigsten allein! Jetzt schent es dafür zu spät zu sein...

Das war mein Gedankengang für dieses Gedicht. Knifflig für solche mit ganz anderem Lebenshintergrund, zugegeben, aber wer in einer ähnlichen Situation ist, versteht es auf Anhieb!

LG, eKy
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2011, 20:18   #4
weiblich marlenja
 
Dabei seit: 11/2010
Beiträge: 3.204

Mensch bist Du lieb, es mir extra noch zu erklären . Jetzt hast Du frei heraus gesprochen und ich habe Dich gut verstanden. Danke Dir herzlich. Ich meine Dich zu verstehen. Es gibt immer Menschen, die nicht so sind wie die meisten und das ist nicht so einfach. Einsamkeit ist dann eine Folge davon. Ein paar Menschen zu kennen die einem freundschaftlich gesinnt sind, ist schon sehr wertvoll. Ich wünsch es dem, in dem Gedicht.
marlenja ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2011, 20:20   #5
Thing
R.I.P.
 
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Beiträge: 34.998

Lieber eKy -

a.a.O.!


Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2011, 08:11   #6
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.111

Die Dialektik des modernen Menschen: nach wie vor soziales Wesen, aber mit Anspruch auf Individualität. Welche dieser beiden Seiten ist schwieriger zu meistern, und weshalb sind sie nicht in die Balance zu bekommen? Wenn das so einfach wäre, hättest Du, lieber Erich, dieses Gedicht nicht schreiben müssen. Ein Thema, zu dem noch einiges geschrieben werden könnte. Schön, daß Du es aufgegriffen hast.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2011, 11:38   #7
Ex-Kaleidoskop
abgemeldet
 
Dabei seit: 07/2011
Beiträge: 217

Hallo Erich,

ein ehrlicher Monolog, den ich gern gelesen habe.
Manchmal warten wir darauf, dass uns jemand aus dem Schneckenhaus zieht.

Metrisch komme ich dir gar nicht erst, weil du das meiner Erfahrung nach eh nicht gern hörst, es sei denn du würdest darum bitten ...


Sprachlich empfinde ich einzig das eng aufeinander folgende "allein" in Z2 und Z3 als nicht so schön.

lg,
kalei
Ex-Kaleidoskop ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2011, 13:21   #8
weiblich Rebird
 
Dabei seit: 05/2011
Ort: wonderland
Alter: 41
Beiträge: 1.462

Hallo,
ich finde dein Gedicht schön. Es hat mich auch persönlich irgendwie angesprochen...
Man ist ja immer nur in sich wo man nicht raus kann und der andere ist immer verschieden und anders;
Es ist schwer jemanden zu finden, der nicht gegen, drin/drum herum, u.ä. ,
sondern mit einem Fühlen und Leben kann.
Das kann ich nur bestätigen.

LG
Rebird ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2011, 18:06   #9
männlich Erich Kykal
 
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Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Hi, Ilka, Kal, Rebird!

Unser persönlicher Freiraum wird uns im Zeitalter der Fernmedien immer kostbarer, und dann wundern wir uns, wenn wir "Livekontakt" einbüßen!?
Gerade wir "Foren- und Netzgelichter" sind da wohl eher gefährdet...

Das doppelte "allein" in S1Z2,3 ist bewußt gewählt, um einerseits die Aussage an sich zu bekräftigen und andererseits eine Art Leiereffekt zu generieren, eine endlose Wiederholungsschleife anzudeuten.

Vom alltäglichen Smalltalk (siehe: Zucker borgen - Klischee) ist man rasch mal angeödet. Wer redet schon über mehr als die üblichen Gemeinplätze wie Gesundheit, Familie, Wetter, Tagespolitik und die neuesten Gerüchte aus der nächsten Umgebung!?
Das erscheint einem oft oberflächlich und banal, und man will keinen Anteil daran haben oder verschulden. Andererseits ist dieses prüde Blabla aber eben leider auch der Kitt, der das lose soziale Miteinander verfugt und zusammenleimt!
Wer sich da "abseilt", gerät irgendwann ins "Off", und wenn das erst zur Gewohnheit auf beiden Seiten wurde, ist schwer wieder rauszukommen. Das wollte ich mit dem Gedicht versinnbildlichen.

LG, eKy
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2011, 19:48   #10
weiblich Rebird
 
Dabei seit: 05/2011
Ort: wonderland
Alter: 41
Beiträge: 1.462

Ja in die Tiefe bin ich beim Gedanken auch runter,
wie die Blase andrer seins in dem vacuum ...
Zitat:
da sind wohl die Vögel und Fische zu Eins
verschmolzen, in diesem vacuum dort bin
ich aber nicht drin, in der Blase andrer Seins.
Aber es gibts auch, dass manches wie paradox auch immer, passt.
Und das ist das Schöne
Ich freu mich

Geändert von Rebird (20.10.2011 um 21:03 Uhr) Grund: Das Schöne wird groß geschrieben..
Rebird ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.10.2011, 19:55   #11
männlich Erich Kykal
 
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Beiträge: 876

Dafür ein "Thumbs up" aus meiner Blase...
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
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