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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 26.10.2022, 22:38   #1
männlich Dionysos von Enno
 
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Standard Zeitraffer

Der Tag stürzt sich in alle Stunden
Greift in die Straßen, rafft ein jedes Haus
Die Wege sind gestaucht sie reißen
Vorgärten wie überdehnte Wunden auf

Hochgeregelt sirrt und zuckt es in den Tauben
Die ganze Stadt ist fast auf einen Punkt gelegt
Alle Götter drängeln sich im selben Glauben
Alle Gräber hat sie mit sich fortbewegt

Ich sitze in dem Auge eines Sturmes
Mein ganzes Leben in dem einen Punkt
Ich bin das Träumen eines Wurmes
Ich bin an Göttern wund
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Alt 27.10.2022, 09:40   #2
männlich ganter
 
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Hallo Dionysos von Enno,

es rafft, es rafft hinweg und
alle Götter sind gerafft in einem Glauben.

Du hast die Zeit in Deinem Gedicht rafft selbst den Sturm.

Geraffte Grüße
-ganter-
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Alt 27.10.2022, 14:29   #3
männlich Dionysos von Enno
 
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Zitat:
Zitat von ganter Beitrag anzeigen
Hallo Dionysos von Enno,

es rafft, es rafft hinweg und
alle Götter sind gerafft in einem Glauben.

Du hast die Zeit in Deinem Gedicht rafft selbst den Sturm.

Geraffte Grüße
-ganter-
hallo ganter

ich versteh nur bahnhof - hab leider nichts gerafft

trotzdem danke
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Alt 28.10.2022, 10:28   #4
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Guten Morgen Dionysos von Enno,

sich trotzdem bedanken finde ich sehr philosophisch.

Dein Gedicht hatte mein Interesse geweckt, weil ich es als
spielerisch kreativ empfand.

Alles Gute
-ganter-
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Alt 28.10.2022, 11:04   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Dionysos von Enno Beitrag anzeigen
Der Tag stürzt sich in alle Stunden
Greift in die Straßen, rafft ein jedes Haus
Die Wege sind gestaucht sie reißen
Vorgärten wie überdehnte Wunden auf
Guten Morgen, Dionysos,

der erste Vers ist ein starker Beginn, aber schon im nächsten sperrt sich für mich das Bild: Man rafft ein Segel; aber wie rafft man ein Haus?

Gemeint ist wohl "rafft jedes Haus dahin", aber das steht in dem Vers nicht. Weiter geht es im nächsten Vers mit "gestaucht", eine interessante Idee, nur wie kann etwas Gestauchtes, das ich mir verdichtet und verkürzt vorstelle, Vorgärten wie "überdehnte Wunden" aufreißen? Sie sind doch keine Haut oder Gummibänder, sondern bereits klaffende Verletzungen.

Außerdem ist der Reim "Haus/auf" schwer zu akzeptieren. Die Reimform ist ohnehin nicht durchgehalten, denn bei den beiden Folgestrophen ist klar, dass es sich um Kreuzreime handelt. Die erste Strophe leistet das aber nicht.

Hier war mit den reichlich schräg angewandten Verben und Adjektiven offensichlich zu viel gewollt gewesen. Man kann natürlich mit Allegorien arbeiten und abstrakten Begriffen oder leblosen Gegenständen etwas Organisches verpassen, aber gerade dann ist bei der Wahl des metaphorischen Ausdrucks Vorsicht geboten. Sonst kommt dabei nur überspanntes Wortgeklingel heraus anstatt origineller Bilder.

Vielleicht ist mein Urteil zu hart und andere Leser sehen das anders als ich. Schaun wir mal ...

VG
Ilka
__________________

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http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 28.10.2022, 11:10   #6
männlich Dionysos von Enno
 
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Zitat:
Zitat von ganter Beitrag anzeigen
Guten Morgen Dionysos von Enno,

sich trotzdem bedanken finde ich sehr philosophisch.

Dein Gedicht hatte mein Interesse geweckt, weil ich es als
spielerisch kreativ empfand.

Alles Gute
-ganter-
hi Ganter,

herzlichen Dank für die Übersetzung. "Spielerisch, kreativ" gefällt mir gut
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Alt 28.10.2022, 12:14   #7
männlich Dionysos von Enno
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Guten Morgen, Dionysos,

der erste Vers ist ein starker Beginn, aber schon im nächsten sperrt sich für mich das Bild: Man rafft ein Segel; aber wie rafft man ein Haus?

Gemeint ist wohl "rafft jedes Haus dahin", aber das steht in dem Vers nicht. Weiter geht es im nächsten Vers mit "gestaucht", eine interessante Idee, nur wie kann etwas Gestauchtes, das ich mir verdichtet und verkürzt vorstelle, Vorgärten wie "überdehnte Wunden" aufreißen? Sie sind doch keine Haut oder Gummibänder, sondern bereits klaffende Verletzungen.

Außerdem ist der Reim "Haus/auf" schwer zu akzeptieren. Die Reimform ist ohnehin nicht durchgehalten, denn bei den beiden Folgestrophen ist klar, dass es sich um Kreuzreime handelt. Die erste Strophe leistet das aber nicht.

Hier war mit den reichlich schräg angewandten Verben und Adjektiven offensichlich zu viel gewollt gewesen. Man kann natürlich mit Allegorien arbeiten und abstrakten Begriffen oder leblosen Gegenständen etwas Organisches verpassen, aber gerade dann ist bei der Wahl des metaphorischen Ausdrucks Vorsicht geboten. Sonst kommt dabei nur überspanntes Wortgeklingel heraus anstatt origineller Bilder.

Vielleicht ist mein Urteil zu hart und andere Leser sehen das anders als ich. Schaun wir mal ...

VG
Ilka
Hi Ilka,

vielen Dank für Deine Besprechung. Mich hat das Thema des Raffens von Zeit als Ausgangspunkt gereizt und ich habe mich hier (und in dem anderen Gedicht Zeitlupe: Verlangsamen der Zeit) daran versucht, diese so konsequent wie möglich auf das Thema anzuwenden (wie könnte es spielerisch -wie Ganter schreibt- für einen Beobachter aussehen, der so in die Situation gestellt wird, während alle anderen "mitgerafft" werden). Dabei sind eben diese Bilder entstanden zu deren Verteidigung ich nichts vorzubringen habe.

Wie ich es mir vorgestellt habe:

- ein Vorgarten, der gestaucht, also zusammengedrückt, kürzer gemacht wird, reißt halt auf, wo er vorher festgemacht war.
- Haus raffen: Das Haus wird eilig von dem Tag mitgerissen, an sich gerissen

In meiner Erwartungshaltung von Lyrik dürfen Bilder gerne "abschweifen", auch ihren logischen, vernunftmäßigen Kontext verlassen - in Richtung Tagträume wandern, Lieder, Gebete. Insofern ist also die physikalische Frage, wie man ein Haus "rafft", Gärten "staucht", zusammenfaltet nicht so wichtig. Ich verstehe aber, dass es Leserinnen gibt, für die diese vernunftmäßige Betrachtung zu ihrem ästhetischen Empfinden dazu gehört und die sich an zu viel Abstraktion oder Mischung stoßen, es als beliebig empfinden, als kitschig, Wortklingelnd, verschwurbelt.

Für mich sind auch solche Gedichte meistens mit diesem "Mangel" nicht bezahlt. Daher mag ich fast jede aufrichtige lyrische Betätigung sehr gerne, bin damit aber sicher nicht repräsentativ.

mes compliments

Dionysos
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Alt 28.10.2022, 13:48   #8
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Dionysos von Enno Beitrag anzeigen
Ich verstehe aber, dass es Leserinnen gibt, für die diese vernunftmäßige Betrachtung zu ihrem ästhetischen Empfinden dazu gehört und die sich an zu viel Abstraktion oder Mischung stoßen, es als beliebig empfinden, als kitschig, Wortklingelnd, verschwurbelt.
Als Abstraktion habe ich die Bilder der ersten Strophe nicht angesehen, vorstellen konnte ich mir darunter durchaus etwas. Nicht ohne Grund habe ich deine Verse als Allegorien eingestuft, aber das ist etwas anderes als Abstraktes oder Surrealistisches.

Nach deinem Augenöffner habe ich immerhin besser verstanden, was du mit dem Raffen gemeint hast, nämlich

Der Tag stürzt sich in alle Stunden,
Greift in die Straßen, rafft Häusern die Zeit ...

Verzeih, dass ich das nicht anhand der Stunden gleich erkannt habe, aber für mich war der Tag der Protagonist (das handelnde Subjekt) der ersten Strophe, es waren nicht die Stunden (das Objekt). Wörter wie "raffen", die viele Bedeutungen haben (raffen = etwas anhäufen/scheffeln, aber auch: stutzen/verkürzen; weiterhin: etwas kapieren/blicken/sich bewusst machen; aufraffen = sich einen Ruck geben; zusammenraffen = seine Sachen zusammenpacken; dahinraffen = langsam zu Tode bringen; die Segel raffen = die Segel einholen; die Zeit raffen = die Zeit verkürzt erscheinen lassen/etwas in Zeitlupe zeigen) können schon mal Verständnisschwierigkeiten bereiten, wenn sie nicht in einen eindeutigen Kontext gebracht werden. Erst recht, wenn sie zu Metaphern verarbeitet werden sollen, die in der Flora der Sprache hochempfindliche Pflänzchen sind.

Die Freiheit des Künstlers steht natürlich über derartigen Betrachtungen. Deshalb danke für deine ausführliche Antwort.

LG
Ilka
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