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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen. |
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26.08.2012, 17:56 | #1 |
Den Überlebenden
Den Überlebenden
Indes ich lebe noch, schon viele sind gegangen, mit denen saß ich nächtelang. Sie starben vor der Zeit, der Tod in ihre Kammern kroch mit gierigem Verlangen, stets auf der Jagd nach neuem Fang, erlöste sie von Freud und Leid. Gar manche, die da überlebten, die hat das Leben hart gemacht, verführt zu Selbstgerechtigkeit und sie mit Falsch getränkt. Weil sie am Dasein klebten, erlagen sie der langen Nacht, den Täuschungen der Sicherheit, an denen Lüge hängt. Weil sie dem Tod entkamen durch blinden Zufalls Wahl und dies für eigne Leistung hielten als Lohn für ihre Ränke, die Demut ließen sie erlahmen, verachteten des Nächsten Qual, da sie nach Wohlstand schielten, dem ich Verachtung schenke. Wer in der Welt gewinnt, nimmt an der Seele Schaden, was nützt ein Überleben, das den Geist verschlingt? Wenn alle Menschlichkeit zerrinnt, bevor noch reißt der Lebensfaden, den höh’re Mächte weben bis leis’ der letzte Ton verklingt- wer weiß, was ihm die nächste Stunde bringt? |
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27.08.2012, 06:51 | #2 |
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Den Überlebenden
@Desperado,
dieses Gedicht gefällt mir in seiner Aussage nicht ganz. Ich nehme Bezug auf folgende Zeilen: Wer in der Welt gewinnt, nimmt an der Seele Schaden. Letztlich geht es doch darum, wer was gewinnt. Recht hättest du, wenn es nur die eine Möglichkeit gäbe, nämlich dass die Gemeinheit, das Niedere, das Menschenverachtende gewinnt. Aber es gibt auch die andere Seite. Alles im Leben dreht sich um Macht. Die Macht als objektive Gegebenheit per se als negativ zu bewerten, das halte ich für eine ziemlich spießige Ansicht. Die Menschheit zum Beispiel hat es noch vor sich: sie hat eine Welt zu gewinnen. Und die muss sie natürlich behaupten gegen Feinde der Menschheit, und dazu braucht sie Macht. Das ist ein ganz alter Hut. Wenn das Gute, und sei es das Allerbeste, machtlos ist, geht es unter. Nun kann man sagen, Macht verleite auch immer zum Machtmissbrauch. Diese Aussage wäre genauso falsch, wie wenn man sagte, die Sonne sei schädlich, weil sie Hautkrebs verursachen kann. Es kommt doch immer darauf an, wie etwas organisiert ist, und wenn es schlecht organisiert ist, da gebe ich dir recht, kann es zu Machtmissbrauch kommen. Ich hoffe, ich konnte dir ganz kurz meine Gedanken zu der Aussage in deinem Gedicht klarmachen. Nitribitto |
27.08.2012, 08:00 | #3 |
Hallo Nitribitto,
ich verstehe Deine Überlegungen sehr gut, will man wirklich etwas erreichen oder verändern, kann man es wohl nur gemeinsam, und es ist durchaus manchmal der Fall, dass die Gerechtigkeit über das Unrecht siegt, die Freiheit über die Knechtschaft, die Wahrheit über die Lüge, na, das Gute über das Böse eben. In diesem Falle aber handelt es sich lediglich um die Straffung eines Zitats aus dem Evangelium: "Was nützt es dem Menschen, wenn er die Welt gewinnt und dabei seine Seele verliert." Es geht also vielmehr um die Gefahr, beim Versuch, alle Welt für sich zu gewinnen, sich selbst zu verlieren. Garnicht so wenige Film-und Popstars zum Beispiel beleg(t)en diese Aussage recht anschaulich. Oder dass du wo auch immer Karriere machst, und dabei Gewissen, Aufrichtigkeit und Moral auf der Strecke bleiben, oder auf dem Weg zur Macht zum Unmenschen und Monster mutierst. Das Menschsein und -bleiben muss immer und überall an erster Stelle stehen. Aber ich danke Dir, dass Du mir die Möglichkeit gibst, dieses Missverständnis aufzuklären. Schönen Tag! Desperado |
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27.08.2012, 09:32 | #4 |
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Den Überlebenden
@Desperado
Ein Missverständnis ist es nicht, aber danke für die Aufklärung. Es geht hier um unterschiedliche Ansichten. Denn das Bibelzitat stellt objektiv jede Macht in Frage. Ich habe das nur ein wenig zurechtgerückt und differenziert. Mit Bibelzitaten muss man sehr vorsichtig sein, denn man reißt sie aus einem Zusammenhang, und dann stehen sie da, in Stein gemeißelt, kein Mensch wagt dran zu rütteln (es steht ja in der Bibel!), und dann zieht sich das Ganze durch die Jahrtausende. Und da ich die Bibel im großen und ganzen ein wenig kenne, kenne ich nämlich auch andere Bibelzitate, gerade aus dem Alten Testament, von denen ich mir wünschte, sie wären zur Zeit der Entstehung der Sammlung der Bibeltexte nicht nötig gewesen. Nitribitto |
27.08.2012, 09:42 | #5 |
R.I.P.
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Halli Hallo, Desperado -
ein interessantes Gedicht, das viel über das Denken und Fühlen des LI verrät. Und ebenso ein interessantes Reimschema, das mir sehr zusagt. Das Zitat aus der Bibel ist so wohl versteckt, daß es nur sehr Zitatsichere erkennen. Übrigens wurde das auch schon als Romantitel verwendet, das war sicher "vor Deiner Zeit". Nach "Indes" hätte ich ein Komma gesetzt. LG Thing |
27.08.2012, 09:58 | #6 | |
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Zitat:
Mit anderen Worten: Die Auslegungen von Recht und Unrecht, Wahrheit und Lüge, ... sind nicht einheitlich. Eindeutig ist jedoch, je vorurteilsloser an eine Betrachtung herangegangen wird, desto näher kommt sie der Objektivität. Zitat Desperado: "Wer an der Welt gewinnt..." Hier war Nitribitto schneller als ich, denn das sehe ich auch so, wie der dazu geäußerte Kommentar. bG Bane |
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27.08.2012, 11:52 | #7 |
Hallo, Desperado,
zuerst mal ... ein aussagekräftiges, gut gemachtes Gedicht ... ich steh voll auch hinter deiner Aussage ... deine Zeilen : Wer an der Welt gewinnt, nimmt an der Seele Schaden könnten , losgelöst vom Zusammenhang falsch verstanden werden und haben ja auch zu entsprechenden Kommentaren geführt ... aber diese Zeilen werden ja gleich im Anschluss von dir näher erklärt (und zusätzlich in deinem späteren Kommentar )... das Bibelzitat ... (auch, wenn es aus dem Zusammenhang gerissen ist) ist meiner Meinung nach überhaupt nicht so zu verstehen, dass Macht an sich in Frage gestellt wird (da kann ich Nitribitto nicht ganz folgen) Es steht doch ganz klar da: Was nützt es dem Menschen, wenn er die Welt gewinnt und dabei seine Seele verliert. (nur wenn er dabei seine Seele verliert, nützt es ihm nichts!!! lg simbaladung |
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27.08.2012, 12:42 | #8 |
Danke für Eure Zuschriften!
Och ja... Keine Macht für Niemand, den Spruch hat es zwar schon lange vor den Ton Steine Scherben gegeben, aber die haben einen unsterblichen Song draus gemacht, also kann man den schon mal zitieren. Simbaladung, Du hast das Bibelzitat vollkommen richtig ausgelegt, so wie es gemeint ist im Kontext seines Entstehens. In meinem Gedicht kam's einfach nur so geflogen, vielleicht sogar per Postkarte. Klar, Nitribitto, wird im AT unter anderem ein Genozid von Gott "angeordnet", mit Kind und Vieh, ist eben nebst anderem auch ein Geschichtsbuch, man könnte sich problemlos die "Grundlage" für einen heiligen Krieg herauspicken, haben die Kreuzzugsprediger ja auch gemacht. Sicher, Bane, kann man über die subjektive Wahrnehmung von Recht und Unrecht, Wahrheit und Lüge, gut und böse diskutieren, bis man selbst nicht mehr weiß, was nun was ist, solange man in einem freien Land lebt zumindest, in dem man sich diesen Luxus leisten kann und nicht zuvor deportiert oder eliminiert wird. Indes, Thing, da könnte durchaus ein Komma stehen, indessen, ich... oder umgestellt ich indes, aber ursprünglich bedeutete indes schlicht aber, also aber ich..., ist zwar nicht mehr gebräuchlich, wie so manches "vor meiner Zeit", indes ich lass es mal so. Da hat zwar jetzt einiges nichts mehr mit meinem Gedicht zu tun, in dem es um Anpassung und Integration auf Kosten der Mitmenschlichkeit geht, aber ich will gerne auf eure Fragen eingehen und antworten. Lieben Gruß allen Desperado |
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