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Alt 01.08.2020, 19:09   #1
männlich Ex-Ralfchen
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Standard Das Geständnis I

Das Geständnis I


Wie es dazu kommt mein Geständnis gerade hier abzulegen, ist eine amüsante Sache:

Da ich weder schreiben - und auch körperlich dazu nicht in der Lage bin und auf Grund von mehreren schweren Missbildungen - auch nicht sprechen kann, sind mir herkömmliche Wege und Methoden der Kommunikation verschlossen. Sie sind mir: unmöglich. Ich bin - für den phantasiebegabten Leser am ehesten noch vergleichbar mit einem tiefen Brunnen, mit glatten Wänden, an denen es für den Seelenden kein Emporkommen gibt. Ich bleibe also hier unten in der Dunkelheit meines Selbst, aber nur was dieses und jenes betrifft, dass für euch dort oben zur Selbstverständlichkeit geworden ist. (ohne dass ihr diese Privilegien überhaupt wahrnehmt oder jemals wahrgenommen habt.)

Damit diese Zeilen überhaupt zustande kommen, musste ich mir etwas Besonderes einfallen lassen. Und das ist mir nach einiger – besser gesagt – geraumer Zeit gelungen. Man kann davon ausgehen, dass einem Wesen wie mir - nach jahrzehntelangen Selbstgesprächen - einige ausgefallene Ideen durch den Kopf gehen. Nur: die meisten meiner Gedanken sollten besser in meinem dunklen Seelen-Brunnen bleiben, weil: sie würden euch dort oben nur aus der Ruhe bringen. Würden euch in – lasst mich mal sagen – Panik versetzten, euch alle zu einem der wenigen Ausgänge eurer bescheuerten Psychen laufen lassen, (wie das Publikum in einem brennenden Theater).

Leider kann ich nicht sichtbar lachen, weil meine Gesichtszüge derart entstellt sind, dass mir keinerlei grimmassive Regung möglich ist, aber innerlich schreie - nein brülle - ich quietschvergnügt bei dem Gedanken wie ihr, einer über den andern schreiend, eure Angst herausurinierend, um euer Leben zum Ausgang stolpern würdet. Die hinter euch würden euch rücksichtslos zu Tode trampeln, denn wenn man dem Tod entrinnen will, spielt der Tod des Vordermannes oder der Vorderfrau nicht die geringste Rolle. Ja, und ihr tut das auch in meiner Phantasie: trampelt euch gegenseitig zu Tode und: ich lache über diesen Anblick hier unten in meinem Brunnen, ich schlage mir auf die Schenkel. Bildlich gesprochen, denn meine Ärmchen wären zu kurz, mit ihnen könnte ich mir gerade auf die Brust schlagen, wie winziger King Kong. Oh weh - jetzt bin ich ein wenig erschöpft, ich ermatte leider sehr schnell und dieses innere Lachen, man würde es nicht glauben, es entkräftet ungemein.

Ich atme schnell ein paar Mal durch, sauge die Brunnenluft in den einen Lungenflügel, den ich habe und unterlasse es, mir auf die Brust zu schlagen – denn: ich würde es vielleicht nicht überleben. Wie ich schon Eingangs sagte, ich ließ mir etwas Besonders einfallen für meine Kommunikation, für mein Geständnis. Nämlich das, dass ich mir zuallererst ein Medium suchen würde. Ein Opfer eher noch, das ich als Werkzeug und Sprachrohr - wenn sie so wollen, benützen kann. Auf Grund der Fähigkeiten, die ich hier tief unten in meinem Brunnen hegen und pflegen durfte, ist mir das ein Leichtes. Ich zögerte es immer wieder hinaus, denn man muss mit dieser Gabe vorsichtig umgehen. Das Opfer darf nichts bemerken, Misstrauen ist schnell auf den Barrikaden, wenn man sich zu hurtig im Opfer umtut. Das richtige Opfer zu finden, ist eine Sache an und für sich, wie Aristoteles sagen würde. Wie ich bei meiner Suche zur Sache vorging, soll hier nicht näher erläutert werden, weil ich nicht will, dass meine Methode Schule macht. Und Sie dürfen nicht vergessen: es geht um mich und mein Geständnis und nicht um meine kleinen Geheimnisse. Ich bin nun schon seit geraumer Zeit in meinem Opfer und es, respektive er hat noch – noch – keinen Verdacht geschöpft. Dabei wollen wir es auch bewenden lassen, sonst käme womöglich nur ein Teil meines Geständnisses ans Tageslicht. Ja, zu meinem Opfer: der Typ nennt sich Ralf und noch etwas; er hat sich ein Anagram für seinem wahren Namen gewählt und tummelt sich damit durch diverse Foren. Beifall heischend für den Schmarren, den er verzapft. Ein komplexschleppender Hirnuch, ja so nenne ich Wichser wie ihn. Ab und zu lege ich ein gutes Wort für ihn ein, lege es ihm in sein hechelndes Maul und er kommt sich dann gut – oder sagen wir besser vor. Ich bin es, der in seiner Sublimousine nach Herzenslust kreuz und quer fährt, seine Träume steuert und sich krumm lacht, wie sich jemand, der krumm von Geburt ist, eben krumm lachen kann. Und er bemerkt es nicht und ich randaliere manchmal ganz schön in seinen Erinnerungen; hätte manchmal Lust da ein wenig Verwirrung zu stiften, tu es aber nicht, weil ich den Zerebralkastraten noch einige Zeit verwenden will. Besonders lustig finde ich seine, an den Haaren herangezogenen Melodien und Filmfragmente, mit welchen er Eindrücke, die er nicht literarisch vermitteln kann, substituiert. Ein Clown. Ich höre nur eine Melodie in seinem Sub und die ist echt gut: „ Ein Männlein steht im Walde “, in einem Arrangement von Tricky*). Wenn man zum allerersten mal zu Wort kommt, wie ich gerade jetzt, verplaudert man sich schnell mal und ich bin für heute schon zu erschöpft, kann nicht mehr. Mein einziges Augenlid ist schwer das Auge wässrig. Ich lasse die Missgeburt für eine Weile wieder ihn selbst sein, begebe mich zu pechschwarzer Ruhe.

Ich bin ein Geschöpf der Finsterei, der Dunkelung - wenn ich das so sagen darf: ich bin: Motterle.


https://up.picr.de/39133283xs.jpg

*)
https://www.youtube.com/watch?v=E3R_3h6zQEs

https://youtu.be/1hO6-YNEjrg?list=TL...MjDK-PhLj1TNtA

Geändert von Ex-Ralfchen (02.08.2020 um 00:22 Uhr)
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