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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 19.10.2023, 22:00   #1
männlich Anaximandala
 
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Standard Der knorrige Baum

Es steht am Waldesrand ein Baum
so mächtig hochgewachsen
sein Schatten gibt genügend Raum
zur Rast für tausend Ochsen.

Und als ein Weiser ihn so sah,
begann er sich zu fragen,
was wohl an ihm besonders war,
dass niemand ihn geschlagen.

Doch als er dann den Baum hinauf
das Holz sich angesehen,
das knorrig war, des Stammes Lauf
ganz krumm und schief am Stehen,

dezent von einem Duft umhüllt,
in seiner Nase stechend,
erkannte er, von Glück erfüllt,
zu seinen Schülern sprechend:

Er konnte, weil er nutzlos war,
sich ungestört erheben.
Und ebendrum ist unbrauchbar
der Mensch des Geists fürs Leben.


*nach der Geschichte "Der knorrige Baum" von Zhuangzi

Geändert von Anaximandala (20.10.2023 um 01:02 Uhr)
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Alt 19.10.2023, 22:38   #2
männlich Eisenvorhang
 
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Hi Delf!

Wie kann im Wald ein Baum allein stehen?

LG

EV
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Alt 19.10.2023, 23:42   #3
männlich Anaximandala
 
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Hallo Eisenvorhang,

oh, das ist eine gute Frage

Möglicherweise ließe sie sich beantworten, wenn man das Komma wegnehmen würde, also, verdammt!
Aber jetzt bin ich verunsichert, würde das reichen?



Liebe Grüße
Delf
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2023, 23:57   #4
männlich Eisenvorhang
 
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Guck mal, etwas spezifischer aber trotzdem inhaltstreu:

Es steht am Waldesrand ein Baum allein.

Du könntest wegen der Silben "allein" streichen.

Es steht am Waldesrand ein Baum. (Singular -> allein ist implizit)

Natürlich geht auch ein einzelner Baum im Wald. Sprachlich ist das etwas tricky.


LG EV
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Alt 20.10.2023, 00:19   #5
männlich Anaximandala
 
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Ich könnt mir grad die Augen auskratzen, ist das echt so extrem irreführend?
Also das Komma ist dumm, ganz klar, aber eigentlich dachte ich, es wäre klar, dass der Baum allein so hochgewachsen ist ...

Hm, das ist eine Möglichkeit,
wie wäre es mit

Es steht am Waldesrand ein Baum
so mächtig hochgewachsen
sein Schatten hätt genügend Raum
zur Rast für tausend Ochsen

Lieben Gruß
Delf
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Alt 20.10.2023, 00:28   #6
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Zitat:
Zitat von Anaximandala Beitrag anzeigen
Es steht im Wald ein Baum allein,
Das war auch mein spontaner Kopfkratzer.

Mensch, bedenke, was du schreibst! Du hast alle Zeit dafür, weil du nicht in der nächsten Sekunde tot umfallen wirst!

Der "Platz für tausend Ochsen" lädt zu einer Lachsalve am Stammtisch ein.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 20.10.2023, 00:28   #7
männlich Eisenvorhang
 
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Ein Baum im Wald steht nicht allein.
Ein Wald ist die Summe vieler Bäume.
Die Frage ist, wie du das ausdrücken kannst, dass du einen bestimmten Baum meinst, der abgegrenzt von anderen Bäumen allein steht. Und so, dass alles ins Metrum passt.

Du könntest den Baum personifizieren. Dann fühlt sich der Baum im Wald allein.

Ein Baum im Wald fühlt sich allein.

Wie andere Leser das empfinden weiß ich nicht.
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Alt 20.10.2023, 01:01   #8
männlich Anaximandala
 
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Also um das nochmal deutlicher auszudrücken, ich wollte nicht sagen, der Baum stände alleine im Wald, sondern er steht in seiner Größe alleine unter kleineren Bäumen.
Aber es kristallisiert sich heraus, dass ich es als einziger so zu lesen scheine, da muss ich dann einfach eingestehen, dass ich nen Knoten im Kopf hatte und Mist geschrieben habe

Zitat:
Der "Platz für tausend Ochsen" lädt zu einer Lachsalve am Stammtisch ein.
Ich weiß, dabei handelt es sich aber einfach um das Bild, das in der Geschichte genutzt wurde, bzw dort waren es tausend Viehgespanne. Um ein Grinsen bin ich selber aber nicht herumgekommen

Ich werde die erste Strophe dann direkt ändern in meinen Alternativvorschlag, da habe ich mir wohl einen groben Schnitzer erlaubt

Zitat:
Mensch, bedenke, was du schreibst! Du hast alle Zeit dafür, weil du nicht in der nächsten Sekunde tot umfallen wirst!
An sich hast du total recht, ich bin was "fertige" Gedichte angeht wirklich ein Stück zu ungeduldig, das ist keine Tugen

Zitat:
Die Frage ist, wie du das ausdrücken kannst, dass du einen bestimmten Baum meinst, der abgegrenzt von anderen Bäumen allein steht. Und so, dass alles ins Metrum passt.

Du könntest den Baum personifizieren. Dann fühlt sich der Baum im Wald allein.

Ein Baum im Wald fühlt sich allein.
Nein, nein. Wiegesagt, es ging nicht um das Alleinsein, sondern vielmehr um das hervorstechen aus der Masse.
Ich frage mich gerade ehrlich, wie viele Leser ich damit verwirrt und fehlgeleitet habe

Das hier ist übrigens der Ursprungstext:

Zitat:
Meister Ki vom Südweiler wanderte zwischen den Hügeln von Schang. Da sah er einen Baum, der war größer als alle andern. Tausend Viergespanne hätten in seinem Schatten Platz finden können.
Der Meister Ki sprach: »Was für ein Baum ist das! Der hat gewiß ganz besonderes Holz.«
Er blickte nach oben, da bemerkte er, daß seine Zweige krumm und knorrig waren, so daß sich keine Balken daraus machen ließen. Er blickte nach unten und bemerkte, daß seine großen Wurzeln nach allen Seiten auseinandergingen, so daß sich keine Särge daraus machen ließen. Leckte man an einem seiner Blätter, so bekam man einen scharfen, beißenden Geschmack in den Mund; roch man daran, so wurde man von dem starken Geruch drei Tage lang wie betäubt.
Meister Ki sprach: »Das ist wirklich ein Baum, aus dem sich nichts machen läßt. Dadurch hat er seine Größe erreicht. Oh, das ist der Grund, warum der Mensch des Geistes unbrauchbar für das Leben ist.«

Liebe Grüße
Delf
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2023, 11:42   #9
männlich Eisenvorhang
 
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Zitat:
Zitat von Anaximandala Beitrag anzeigen
Also um das nochmal deutlicher auszudrücken, ich wollte nicht sagen, der Baum stände alleine im Wald, sondern er steht in seiner Größe alleine unter kleineren Bäumen.


Liebe Grüße
Delf
Es wäre eine gute Übung, diesen Inhalt in einer oder zwei präzisen Zeilen zu formulieren. Ich glaube, du brauchst zwei Zeilen dafür. Die Wahrnehmung von Details in der Sprache eröffnet neue Zugänge und schafft zusätzliche Werkzeuge für zukünftige kreative Werke – für einen Dichter ein äußerst bereichernder Prozess. Einerseits entschleunigt es die Arbeitsweise und andererseits kannst du als Dichter kreativer mit deinen eigenen Werken umgehen und sie vor einem Publikum reflektieren.

Natürlich bist du der Autor. Dir steht es immer absolut frei so zu schreiben, wie dir der Schnabel gewachsen ist und jedes Feedback muss man auch nicht annehmen. Manchmal ist auch das sehr gesund.

Lg

EV
Eisenvorhang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.10.2023, 15:02   #10
männlich dunkler Traum
 
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Standard Hallo Delf

... gefällt mir.
Leben jetzt Menschen des Geistes länger oder kommen sie unbrauchbar eher um? Bin jetzt echt am Grübeln.

wsT
dT
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Alt 03.11.2023, 23:54   #11
männlich Anaximandala
 
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Standard Hallo dunkler Traum

Zitat:
... gefällt mir.
Leben jetzt Menschen des Geistes länger oder kommen sie unbrauchbar eher um? Bin jetzt echt am Grübeln.
Dankesehr!
Also länger leben wohl weniger, der philosophische Hintergrund, dafür ist dies Gedicht aber einfach zu wenig das wirklich herauszuarbeiten, geht mehr in die Richtung, dass der nutzlose Mensch eher die Möglichkeit hat, seine Anlagen zu vervollkommnen und Erkenntnis zu erlangen, während der nützliche Mensch eher im Weltgetriebe gebunden wird.

Um geistig per se geht es garnicht mal unbedingt, wenn jeder deinen Rat haben will, kommst du nicht mehr zu viel. Aber die knorrigen Kauze fragt man vermutlich eher mit einem Bedenken mehr, als die umgänglichen Philosophen. So spontan gedacht.
Am Ende steht das ganze halt im Kontext einiger weiterer Gleichnisse, Werte und Lebenskonzepte.

Zitat:
Es wäre eine gute Übung, diesen Inhalt in einer oder zwei präzisen Zeilen zu formulieren. Ich glaube, du brauchst zwei Zeilen dafür. Die Wahrnehmung von Details in der Sprache eröffnet neue Zugänge und schafft zusätzliche Werkzeuge für zukünftige kreative Werke
Danke für deinen Rat, hier und da wäre etwas Präzision o.Ä. vermutlich wirklich nicht verkehrt, in diese Richtung hat Ilka mir auch schon ein, zwei Mal Anstöße gegeben.

Ich muss sagen, zu Anfang war mir das Gesamtbild weit wichtiger, als die Genauigkeit, so dass eine Zeile für sich auch falsch sein durfte, so lange das Gesamtbild klar wurde.
Da bin ich mitlerweile natürlich schon präziser, aber das dürfte auch noch hier und da durchscheinen.
Vielleicht übe ich mich da bei Gelegenheit wirklich nochmal etwas drin.

Liebe Grüße
Delf
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