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Alt 04.05.2014, 00:23   #1
weiblich Shenja
 
Dabei seit: 04/2014
Ort: Duisburg
Alter: 73
Beiträge: 16


Standard Aus der Erinnerung.....

Verfasst am: 12 Jun 2008 15:46 Titel: Ein armes Leben ! Teil 1 : Von Oedt nach Leipzig

Geboren wurde ich am Niederrhein im Ort Oedt. Mein Vater war ein Düsseldorfer und meine Mutter, zwar auch gebürtig in Oedt, war jedoch in Jungbunzlau (Mlada Boleslav) aufgewachsen. Der Vater meiner Mutter war Tscheche, der als Fremdarbeiter nach Deutschland gekommen war. Er heiratete eine Rheinländerin, und aus dieser Ehe stammte meine Mutter.

Nachdem er arbeitslos wurde kurz vor 1930, ging er mit seiner Familie in seine Heimat nach Mlada Boleslav zurück.

Mein Vater wurde im Krieg in der Nähe von Mlada Bolelav verwundet und lag im Lazarett. Dort lernten meine Eltern sich kennen. Es muss etwa im Herbst 1944 gewesen sein. Mir ist nur bekannt, dass sie beide nach Kriegsende nach Deutschland flüchteten, und er es geschafft hatte, nicht in Kriegsgefangenschaft zu geraten.

Als ich geboren wurde, war schon eine vier Jahre ältere Schwester da und zwei Jahre nach meiner Geburt kam noch eine Schwester zur Welt. Ich, als zweites Kind, hatte es nicht leicht. Mein grosse Schwester war sehr schön und jedermanns Liebling. Die nach mir geborene war sehr niedlich mit ihren weizenblonden Löckchen und konnte schon sehr früh gut und viel sprechen. Das mittlere Kind wurde immer und überall übersehen. Ich war nicht schön, sehr still und in mich gekehrt.

Die Grosse war Papas Liebling und die Kleine Mamas. Ich war alleine und entwickelte mich schon sehr früh zur Beobachterin meiner Umwelt. Die Nichtbeachtung durch die Eltern und auch durch meine Schwestern tat der kleinen Seele schon sehr weh. So schuf ich mir eine Fantasiewelt. Und hier war es immer schön.

Mein Vater wollte unbedingt in seinem Leben etwas werden. Er war Elektriker von Beruf. Aus Erzählungen anderer weiss ich, dass viele seiner Projekte schiefgingen. Er war sogar mal als selbstständiger ambulanter Buchverkäufer unterwegs. Eingebracht hat's wohl nichts. Dann wurde er Mitglied der KPD.

Mit einer Reisgruppe besuchte er die sogenannte Ostzone (DDR) und es gefiel im ausnehmend gut. Er entschied dann, dass wir mit ihm in die DDR übersiedeln. Meine Mutter, die ihm hörig war, hätte niemals etwas gegen seine Entscheidung gesagt. So stiegen wir dann in den Zug und fuhren in den Osten Deutschlands genau bis Eisenach.

Hier war das Auffanglager. Ein grosses Gelände umfasst von Stacheldraht. Dort standen lange Holzbaracken mit grossen Räumen, die voller Doppelstockbetten aus Stahlrohr waren.

Mehrere Familien mit Kind und Kegel bewohnten einen einzigen großen Raum. Zugedeckt wurde sich mit sogenannten Pferdedecken, die hässlich, schwer, nach Desinfektionsmitteln riechend und kratzend waren. Wie dort die Verpflegung aussah, weiss ich nicht mehr. Ich kann mich nur an Brot erinnern und Pappeimer mit Marmelade. Pro Familie ein Eimer mit roter Marmelade.

In meiner Erinnerung sieht die Jahreszeit aus wie Sommer. Wie lange wir dort waren, hielt meine Erinnerung nicht fest. Es gibt ja auch keinen mehr, den ich fragen könnte. Das Jahr weiß ich aber wenigstens, denn es war im Jahre 1954.

Irgendwann kam dann der Aufbruch, und zwar nach Leipzig. Ich sehe heute noch Strassenzüge vor mir, die in Schutt und Asche liegen und Kinder in den Ruinen und Schuttbergen spielen.

Ich kam in den Wochenkindergarten. Musste dort also auch schlafen. Die ältere Schwester ging ja schon zur Schule und die jüngere wurde tagsüber in einer Kinderkrippe untergebracht. Die Eltern arbeiteten beide.

Freitags wurde ich abgeholt. Manchmal auch nicht. Meine Mutter vergaß es einfach. Alle Kinder waren weg und ich blieb übrig. Samstagmorgens kam sie dann und hatte fadenscheinige Ausreden. Das werde ich nie vergessen.

Mit der Tatsache, dass ich ein ungeliebtes Kind bin, hatte ich mich damals schon abgefunden. Ich weiss nicht mehr genau wie lange wir in Leipzig wohnten. Ich schätze so bis Anfang 1956.

Danach zogen meine Eltern in ein Dorf namens Eythra. Das gibt es heute nicht mehr, denn es fiel dem Braunkohlenabbau zum Opfer. Hier hatten wir zum ersten Mal im Leben ein Haus. Die Eltern arbeiteten in der Landwirtschaft. Ich denke, dass mein Vater sich dort das Rüstzeug holte für seinen weiteren beruflichen Werdegang.....
Shenja ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.05.2014, 01:05   #2
weiblich Ex Slania
abgemeldet
 
Dabei seit: 04/2014
Beiträge: 31


Unglaublich interessant zu lesen! Ich freue mich schon auf mehr!
Ex Slania ist offline   Mit Zitat antworten
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