Manchester '74

[Versard]

Bevor jetzt jemand Ausflüge nach Wikipedia macht, weil er denkt er hat eine Bildungslücke..
in Manchester is zu der Zeit nix passiert

Blitzende Waffen,
vor qualmenden Schloten,
Asche, ausgeklopft aus Pfeifen.
Ein Schmelztigel quellend vor potenziell toten,
während wir uns blind durch die Gassen schleifen.

Backsteinbaracken
werfen weitere Schatten,
tragen den Schwermut und Perspektivlosigkeit
in Träume von Sonne, die wir lang nicht mehr hatten.
Nur die Uhr zeigt die Tageszeit.

[Ilka-Maria]

Zitat von Versard

Bevor jetzt jemand Ausflüge nach Wikipedia macht, weil er denkt er hat eine Bildungslücke..
in Manchester is zu der Zeit nix passiert

Da muss ich Dich enttäuschen: Meine erste Assoziation galt einem Western von Anthony Mann aus dem Jahr 1950. Der hat zwar nichts mit Manchester zu tun, sein Titel ist aber genauso klangvoll wie der Deines Textes. Kennst Du nicht? Na ja, so ist das mit den Bildungslücken .

Dein Text will mit überscharfen Bildern beeindrucken, aber meistens wirkt eine lakonische Sprache stärker. Waffen müssen nicht blitzen, um ihre Gefährlichkeit zu beweisen. Interpunktion kann bei einem Text Wunder bewirken.

Der letzte Vers der ersten Strophe haut mit dem Verb "schleifen" daneben, denn sich selbst kann man nicht schleifen. Den Vers mit dem Schmelztigel begreife ich nicht, ist so etwas wie "Schützengrabensozialismus" gemeint, also im Krieg sind alle Soldaten gleich? Partizipien wie "quellend" klingen übrigens nie schön und sollten sparsam verwendet werden. Bei den Schatten ist das "weitere" überflüssig, denn von vorherigen Schatten war nicht die Rede. Der Artikel "den" ist ebenfalls verzichtbar.

Die letzten beiden Verse passen zeitlich nicht zusammen. Offensichtlich haben die Lyrischen Ichs die Sonne immer noch nicht, denn nur die Uhr vermag die Tageszeit anzuzeigen. Also müsste es heißen: ... die Sonne, die wir seit langem nicht mehr haben ..."

Waffen.
Qualmende Schlote.
Asche, ausgeklopft aus Pfeifen.
Ein Schmelztigel potenziell Toter,
während wir uns blind durch die Gassen schleppen.

Backsteinbaracken
werfen Schatten,
tragen Schwermut und Perspektivlosigkeit
in Träume von Sonne, die wir lang nicht mehr haben.
Nur die Uhr zeigt die Tageszeit.

Vom Gesamtbild eine düstere Momentaufnahme - nicht übel. Habe mich gerne damit beschäftigt.

Lieben Gruß
Ilka

[Versard]

Liebe Ilka Maria, leider bin ich was das Genre des Westerns angeht wirklich kaum bewandert. Alles was ich darüber weiß entnehme ich Spaghettiwestern mit Bud Spencer, in sofern, ja, habe ich eine Bildungslücke

Was die Interpunktion angeht hast du vermutlich recht.
"Komm wir essen Opa" Interpunktion kann Leben retten :-)

Nund zum Rest des Gedichts. Hast du dich niemals geschleift? Wenn dein Körper bleischwer ist, du nachhause kommst und dich fühlst wie eine abgelegte Aktentasche? :-)

Die Überspitzung der Bilder ist durchaus gewollt, inspiriert ist das ganze durch die Serie " Life on Mars-Gefangen in den 70ern" das ist zwar kein Western, Philipp Glenister ist aber in der Rolle des prolligen Asphaltcowboys durchaus sehenswert :-)

Danke das du dich mit dem Gedicht beschäftigt hast :-) In diesen Thread wandert ohnehin das, was ich selbst nicht einordnen kann oder nicht gut genug finde um es vor andere Gedichte zu setzen.

Danke für deine Vorschläge, Grüße

Versard