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Alt 11.02.2017, 10:02   #1
männlich Desperado
 
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Standard Gedanken zur Demokratie


Gedanken zur Demokratie

Und weg. Wieso eigentlich? Aber ist ja nicht so wichtig. Es ist ohnehin demütigend, den müßigen Versuch zu unternehmen, sich und seine Meinung erklären und begründen zu wollen. Wozu? Weder die Gründe gehen jemanden etwas an noch die Beweggründe dafür, sie zu äußern. Nennt sich Meinungsfreiheit - und liegt ordentlich im Argen. Nach Trumps Wahlerfolg sagten seine Wähler: "Jetzt wird alles besser, weil wir wieder sagen können, was wir denken". Macht nachdenklich. Soweit haben sie es also gebracht, die großtönenden "Weltverbesserer", die alle zum Schweigen verdonnern, die anderer Meinung sind. Sprich einer, die ihnen nicht gefällt. Weil ihre Maßstäbe die Alleingültigen sind. Hat was Absolutistisches, keine Frage. Das kann doch nicht Sinn der Sache sein.

Klar muss mir nicht jede Meinung gefallen. Dann sag ich entweder gar nichts dazu oder ein "da bin ich anderer Meinung", und der Käse ist gegessen. Wenn er sie hören will, kann ich sie ihm ja sagen, wenn nicht, dann eben nicht. Wo ist das Problem? Positionierungen und Parteiungen bestimmen das Klima. Wenn ich das schon höre. Wenn ich sage, dies und das kann ich nicht akzeptieren, dann ist das eben so. Ob's nun schmeckt oder nicht. Aber inzwischen sind wir soweit, dass einer nicht einmal mehr das darf, ohne dafür angefeindet zu werden oder in irgendeine Schublade gesteckt. Das ist nicht nur Nötigung zu einheitlicher Meinung, sondern auch das Verbot, eine abweichende überhaupt nur zu äußern. "Halt den Schnabel, das wollen wir nicht hören! Wir allein wissen, was richtig ist und gut!" So hab ich Demokratie eigentlich nie verstanden. Das geht schon eher in die entgegengesetzte Richtung.

Und ist ja nicht nur hier so. Überall, wenn ich mich so umschaue. Das darf man denken und das nicht. Was für ein schriller Wahnsinn! Die Gedanken sind frei? Nur so lange du sie für dich behältst. Das wird noch fürchterlich ins Auge gehen, nicht nur in den USA. Erfahrungsgemäß schwappt Alles verzögert zu uns rüber, was Big Brother uns vormacht, und es ist schon jetzt zu beobachten: "Ich sage das, weil das meine Meinung ist, und die lass ich mir von Niemandem verbieten!" Tja nu, die Leute haben Recht. Wo sie Recht haben, haben sie Recht. Und je lauter der empörte Aufschrei der "Bessermenschen" ist, desto grimmiger werden sie drauf pochen. Und dafür sorgen, dass Leute an die Macht kommen, unter denen sie wieder alles unerwünscht unliebsam "Inkorrekte" offen sagen dürfen, ohne dafür gebrandmarkt zu werden und geächtet, von den konventionell Denkenden mit Hasstiraden niedergeschrien und per Maulkorb zum Schweigen gebracht. Welcher Begriff umschreibt eine solche Stimmungslage? Eigentlich ist das Aufbäumen dagegen eine durchaus positive und richtige Entwicklung. Demokratisch eben.

Ich halte Trump für einen gefährlichen Mann, aber als er in seiner Antrittsrede das politische Establishment gnadenlos niedergemacht hat, war er mir fast sympathisch. Hätte von einem Arbeiterführer sein können. Ist er natürlich nicht, aber einfach nur das, was er dazu gesagt hat und wie, das fand ich herrlich: "Ihr dekadenten Lackaffen und arroganten Halbgötter habt doch jeden Bezug zur Wirklichkeit verloren in eurem Olymp und schert euch einen feuchten Dreck um die Leute". Nun, wie gesagt, wo er Recht hat, hat er Recht. Das amerikanische Volk hat zwei Gesichter wie Jedes, aber wenn es unter Trump denn wirklich wenigstens einen Teil seiner Mitbestimmung zurückbekommt, war's die Sache wert. Bei uns kann man schon lange nicht mehr davon sprechen, da wird über die Köpfe der Leute hinwegregiert auf Teufel komm raus und hinterher werden in harmonischer Eintracht die Fortschritte und Erfolge bejubelt. Was für welche denn und für wen bitte schön? Für mich jedenfalls mal mit Sicherheit nicht. Und mit dieser nüchternen Erkenntnis bin ich beileibe nicht allein. Der Parlamentarismus der sogenannten Volksparteien hat sich selbst in eine gewaltige Krise manövriert, die ihn mehr und mehr zum direkten Gegner des Volkes hat werden lassen. Zu seinem Feind. Gefährliche Entwicklung. Absolut.

Macht einem Angst, und diese ist ja auch überall zu spüren. Allein was ich hier an Feindseligkeiten und unflätigen Beschimpfungen über mich hab ergehen lassen müssen, beweist es untrüglich: Offene Aggression infolge kompensierter unterschwellig mächtiger Angst. Wovor eigentlich? Davor, dass wirklich mal das Volk an die Macht kommen könnte? Ich hätte nichts dagegen, Demokratie bedeutet doch eigentlich Herrschaft des Volkes. Die sogenannten Mehrheiten sind doch längst zur Farce geworden, wenn man die Zahl der Nichtwähler dagegenstellt. Immer mehr Leute versprechen sich von gar keiner Partei mehr etwas, grundsätzlich nicht, ihre Nichtwahl kommt einer Abwahl von allen gleich. Aber das reden wir schön, die Nichtwähler haben eben kein Interesse, kein Verantwortungsgefühl und kein politisches Bewusstsein. Denen ist alles gleichgültig. Pustekuchen! Einem gewissen Prozentsatz davon vielleicht, aber bei Weitem nicht allen. Slow Train Coming, da kommt was auf uns zu. Vielleicht sogar was Gutes? We need a break, das steht außer Frage.

So kann und darf es nicht weitergehen.

Vielleicht sollte ich mir wirklich die Mühe machen, meinen ganz persönlichen Standpunkt zur aktuellen Problematik im eigenen Land überhaupt einmal zu finden, nur wozu und warum? In einer Demokratie bestimmt die Mehrheit, wo's lang geht, die absolute sowieso. Hat eine Regierung das Recht, diese zu ignorieren? Hat sie nicht. Sie ist nicht nur zu berücksichtigen, sondern unverzüglich umzusetzen. Setzt sich die Regierung aber darüber hinweg, wie es die unsere mit unverhohlener Penetranz tut, erfüllt sie ihren Auftrag nicht und ist auf alle Fälle nicht mehr wählbar, weil illegitim. Dem erklärten Willen des Volkes entgegenstehend. Dessen Minderheit nun mag im Dreieck springen und an die Decke gehen, wie sie's zweifellos tut, oder es lassen - es wird nichts ändern. Warum also sollte ich mich herumplagen mit einem Spiel, dessen Würfel bereits gefallen sind? Bin ich einfach nur ein schlechter Verlierer? Genau so kommt's mir vor, mir begegnet die Wut schlechter Verlierer. Die noch nicht einmal begriffen zu haben scheinen, dass sie verloren haben.

Klar, ist suboptimal, dieses generelle Nein, auch ich hätte mir eine andere Lösung gewünscht. Aber ich bin imstande, den Willen der Mehrheit zu akzeptieren. Es gibt auch keine Veranlassung für die Leute, diesen zu begründen, erst recht nicht zu verteidigen. Sie wollen es so und haben ihre Gründe, sonst würden sie's ja nicht wollen. Was ich will, steht da nicht mehr zu Debatte. Spielt keine Rolle, auch wenn ich Kanzlerin bin.

So funktioniert Demokratie. Zur Zeit haben wir definitiv keine. Aber das kann sich ändern.

Und wird es auch.

Geändert von Desperado (11.02.2017 um 15:12 Uhr)
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