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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 24.05.2017, 13:24   #1
männlich Cristo
 
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Beiträge: 20

Standard Vater

Als Du gestorben bist, war ich nicht dabei. Ich kam zu spät, nur wenige Sekunden, noch mit dem Kaffeebecher in der Hand, an Dein Sterbebett.

Ich betrauerte Dich nur kurz. Vielleicht an den Tagen nach Deinem Tod, als die Erinnerung an Dich noch wenig verblasst gewesen ist. Gar nicht so sehr Dein Verlust schmerzte mich, vielmehr das Mitleid, das ich empfand in den letzten Wochen und Tagen Deines Lebens, die so voller Schmerz und Leid gewesen sind.

Du bist wenig präsent gewesen in meinem Leben, in all den Jahren, warst stets ein Schatten neben Deiner übermächtigen Frau, meiner Mutter.

Du warst ein stiller freundlicher Mann, allen wohlgesonnen, niemals ein böses Wort auf den Lippen.

Manchmal trage ich Deine Uhr. Die, die Du noch auf Deinem letzten Weg getragen hast. Dann fühle ich mich Dir näher, als Du es zu Lebzeiten je gewesen bist.

Du bist nicht mehr da. Dein Sessel im Wohnzimmer bleibt leer. Du pfeifst keine Lieder mehr. Nie mehr die Schritte Deiner Hausschuhe auf der Holztreppe.

Du warst schon lange verschwunden aus meinem Leben. Ich habe Mitleid empfunden, als ich Dich habe leiden sehen. Als Du gegangen bist, blieben die Erinnerungen an Dich, der Schmerz ob Deines Verlustes aber verblasste rasch.

Ich frage mich, welche Bedeutung Du für mich gehabt hast. Erst jetzt, wo Du tot bist, stelle ich mir diese Frage. Ich spüre keine Trauer, keinen Schmerz.

Manchmal treten Menschen in unser Leben, nur ganz kurz, für wenige Tage oder Wochen, und sie verändern es für immer, haben auf Ewig einen Platz in unserem Herzen.
Und dann gibt es Menschen, mit denen wir zeit unseres Lebens Zeit verbracht haben. Dann sind sie plötzlich weg und es ist, als seien sie nie da gewesen.
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