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Alt 08.01.2007, 19:55   #1
Traumwächterin
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 112


Standard Vorstellung in einer Glaskugel

Regennasses Sonnenglitzern lag achtlos auf dem Bahnhofsgleis verstreut.
Außer ihr schien nur eine alte Dame, die wohl schon jahrelang in ihrer Sonntagskleidung gefangen war, in Erwägung zu ziehen sich auf die Bahn einzulassen. Ina saß neben ihr auf der Bank, aber eine Distanz aus Schweigen trennte sie. Der Zug hatte zuverlässiger Weise Verspätung. Sie wusste noch immer nicht, ob sie das verärgern sollte oder nicht. Aber die Minuten, die über das Bahnhofsuhrenblatt krochen, gaben ihr Zeit sich dies zu überlegen.
Wenigstens hatte sie so etwas zum Nachdenken. Sie mochte nicht an den tränentauben Abschied denken, der eine halbe Stunde und eine halbe Ewigkeit hinter ihr lag. Sie hatte ihren Freund verlassen müssen; die Beziehung hatte keine Zukunft gehabt, darum hatten sie sich getrennt. Ihre letzten Worte waren besonnen und karg gewesen, leere Hüllen gesponnen aus „Auf Wiedersehen“ und „Ich rufe dich dann an“. Es war vorbei und am liebsten vergäße sie auf der Stelle, dass es jemals angefangen hatte.
Zorn kribbelte in ihren Fingern und sie versuchten die Glaskugel, die sie hielten, zu zerdrücken. Ihre Hand reagierte mit weißer Härte darauf. Trotzdem machte die Kugel sich keine Mühe sich auch nur zu wehren, widersetzte sich nur in stoisch kalter Ruhe.
Das verärgerte sie noch mehr. Plötzlich schmiss sie sie einfach zu Boden. „Zerspringe, Vereck -“, dachte sie - aber die Kugel hatte überlebt. Ina grummelte; zumindest aber war das ungeliebte Objekt jetzt in ein wenig Erleichterung versprechender Entfernung.
Ina seufzte und schloss die Augen, um eine brennende Träne zurückzuhalten.
„Sie haben etwas verloren. Hier bitte sehr.“ Eine penetrant freundliche Stimme. Die Augen der Angesprochenen waren schlagartig offen und blickten in das Lächeln der Alten, in dem Ina eine sadistische Grausamkeit erkennen wollte.
Ihr Gegenüber bot ihr die Glaskugel an. Ina war gezwungen in sie hineinzusehen.
Schneegestöber tanzte darin um eine kleine Hütte, die seelenruhig auf einem Berg wachte. Ihr Freund, das heißt Ex-Freund, hatte sie ihr zum Abschied geschenkt. Früher hatte er immer gesagt: „Stell dir vor irgendwann leben wir beide dort, sind glücklich und haben ein beschauliches Leben - mit guter Aussicht.“
Ina erschrak; diese Vorstellung lebte noch immer in ihr. Sie war da; geschunden und kläglich, aber von der sternenklarer Hoffnung, die sie früher auch besessen hatte.
„Na, wollen Sie sie nicht?“, die Oma musterte sie sanft erstaunt.
Ina wusste in etwa, was sie sah. Da saß eine Frau von Mitte dreißig mit verschatteten Zügen und einem großen Koffer, der verloren neben ihr saß. Sie wirkte wie eine aus der Heimatverstoßende, die ihr Lieblingsspielzeug, die Schneekugel, verloren hatte, aber zu schüchtern war sie entgegen zu nehmen.
„Doch, doch“, murmelte sie durch ihren Gedanken schweren Kopf. Darin fixierte sich gerade alles um eine Überlegung: Wenn jene Vorstellung auf diese Zukunft und jene Hoffnung, die die Vorstellung birgt, noch existiert, gibt es dann nicht auch eine Chance auf diese Zukunft?
Ihre Finger schlagen sich mit zärtlicher Gier um die Kugel, damit sie sie ihrem Freund zeigen könnte, um das Wichtigste überhaupt zu fragen: „Kannst du es dir noch immer vorstellen?“
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Alt 10.01.2007, 00:07   #2
Inti
 
Dabei seit: 01/2007
Beiträge: 17


ganz tolle bilder
Zitat:
Regennasses Sonnenglitzern lag achtlos auf dem Bahnhofsgleis verstreut.
Außer ihr schien nur eine alte Dame, die wohl schon jahrelang in ihrer Sonntagskleidung gefangen war, in Erwägung zu ziehen sich auf die Bahn einzulassen. Ina saß neben ihr auf der Bank, aber eine Distanz aus Schweigen trennte sie...Sie mochte nicht an den tränentauben Abschied denken, der eine halbe Stunde und eine halbe Ewigkeit hinter ihr lag.
aber irgendwie wird der gesamteindruck nicht rund. es wirkt letztendlich recht kitschig, wie die "böse" Frau, die ihren mann verlassen hat, plötzlich einsieht, dass sie es nochmal versuchen will, weil sie mit ihm in nem häuschen leben will.
vielleicht mag ich auch zu sehr das abgründige

also sprachlich gibt es bei dir wenig zu meckern, bis auf ein paar missverständliche bezüge
Zitat:
Das verärgerte sie noch mehr. Plötzlich schmiss sie sie einfach zu Boden. „Zerspringe, Vereck -“, dachte sie - aber die Kugel hatte überlebt. Die Frau (wer? Ina?) grummelte; zumindest aber war das ungeliebte Objekt jetzt in ein wenig Erleichterung versprechender Entfernung.
Zitat:
Inas Augen waren schlagartig offen und blickten die lächelnde Alte - sie interpretierte (wer interpretiert wessen züge?) ihre Gesichtszüge als sadistisch - an.
aber wenn du auf solche sachen achtest und dir noch ne tolle geschichte drumherum ausdenkst, dann wird das echt gut!

grüße
inti
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Alt 10.01.2007, 16:28   #3
Traumwächterin
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 112


erst einmal einen herzlichen dand für deinen kommentar und es freut mich, dass dir meine bilder so gut gefallen ...


hmm, zu der "bösen" frau; es war nicht beabsichtigt sie so wirken zu lassen. im grunde geht es bei dem Paar um eines, das sich anscheinend nichts mehr zu sagen hatte. ich weiß nicht, sie dachten halt beide es wäre alles gesagt (deswegen haben sie nur noch leere worte zueinander gesprochen) und damit vorbei. von daher haben sie sich getrennt - und darum hat die frau ihn "verlassen", wobei jaa ... man könnte das vl geschickter formulieren, sodass klar wird, dass sie sozusagen "nicht schuld hat".

ansonsten, hmm, du hast geschrieben du findest die geschichte nicht "rund" ... ich weiß nicht so ganz, was du damit meinst. ich meine, ist die geschichte in sich unlogisch oder fehlt die struktur? ...
wäre nett könntest du das noch einmal ausführen

das mit den bezügen ändere ich ganz fix, danke


lg traumi

EDIT: habs ein wenig überarbeitet, auch die stelle wo am anfang über den abschied geredet wird ... hoffe so ist es besser, wenn nicht, lass es mich bitte wissen
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