Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 20.01.2014, 20:16   #1
JustThink
 
Dabei seit: 01/2014
Beiträge: 1

Standard 2334

2334

Stille überkommt mich. Es wird dunkel. Nein, es ist dunkel. War es hiervor eigentlich überhaupt hell? Ich kann mich nicht erinnern und spüre wie jemand oder etwas meine Arme auf einer Fläche links und rechts neben meinem Kopf fixiert. Ich versuche zu schreien, doch meine Lippen bewegen sich nicht. Kein Stück, als wären sie zusammengeklebt oder gar nicht erst vorhanden. Ich verfalle in Panik, versuche mich mit meinen Beinen zu wehren, doch treffe nichts und strampele ins Leere. Nach schier endlosen Minuten gebe ich auf.

Es vergeht Zeit. Eine lange Zeit. Zumindest glaube ich das. Ich fühle mich verwirrt und habe das Gefühl meine Gedanken sammeln zu müssen. Als wäre ich gerade erst aus einem tiefen Schlaf erwacht. Ich höre ein Geräusch. Ein sich wiederholendes Klacken. Die Tatsache, dass ich es nicht zuordnen kann macht mich wieder unruhig. So bleibe ich bewegungslos liegen und versuche zu lauschen. Stille.

Ich fange an mich zu erinnern. Ein Schwall an Informationen durchfließt mich. Zuerst sind es Kleinigkeiten. Mal bin ich an einem Ort, dann wieder an einem Anderen. Ich befinde mich inmitten einer Menschenmenge und schaue mich um. Sie starren mich an. Ich befinde mich am Strand und schaue aufs Meer hinaus. Dann plötzlich alleine in meinem Zimmer auf meinem Bett. Ich schließe die Augen und lausche der Musik. Es geht alles so schnell dass ich keine Zeit finde die Orte genauer zu identifizieren. Ich rase durch meine Gedankenwelt.

Für einen Moment vergesse ich fast schon das ich gefesselt bin. Ich merke das dort was ist. Etwas hat sich verändert. Irgendetwas beobachtet mich. Fast schon wünsche ich mir das rhythmische Klacken zurück. Ich nehme all meine Kraft zusammen und versuche mich nochmals mit meinen Beinen zu befreien. Zuerst mit dem einen Bein das anderes zu berühren, ein Bein an dem anderen zu reiben. Und es fühlt sich komisch an. Genauer gesagt fühle ich nichts.

Ich hör es wieder, dieses Klacken. Diesmal schneller als zuvor. Mit kleinen Pausen zwischendurch.

Und ich fange wieder an mich zu erinnern. Informationen, wieder schier endlose Mengen an Informationen kommen auf mich zu. Doch ich merke das was fehlt. All diese Informationen sind klar und deutlich doch niemals persönlich. Ich sehe Orte an denen ich war. Zumindest glaube ich an diesen Orten gewesen zu sein. Ich sehe Gesichter. Und zu jedem Gesicht fällt mir ein Name ein. Ich kann wichtige Personen von unwichtigen unterscheiden, aber weiß nicht warum. Es ist einfach ein Gefühl. Ein Gefühl das bestimme Informationen wichtiger zu sein scheinen, bestimme Menschen es verdient haben in Erinnerung zu bleiben und bestimmte Ereignisse im Verlauf und im Determinismus eine besondere Position einnehmen.
Und sie starren mich an, die Gesichter.

Ich kann das Klacken identifizieren. Es fällt mir plötzlich ein. Ich bin mir nicht ganz sicher warum es mir nicht schon vorher aufgefallen ist. Irgendjemand bedient dort eine Tastatur. Eine Tastatur wie Computer sie haben.

Ich kenne die Geschichte, ich kenne den Planeten. Mir werden Zusammenhänge klar die meine Erinnerungen so nicht hergeben. Ja ich sehe Dinge die all den anderen Menschen anscheinend nicht klar sind. Ich spüre einen großen Schwall an Licht. Ja als würde mich ein Schwall von purem Licht durchdringen. Und ich sehe die Symbole und die Verbindung, diese kleinen Details stechen mir ins Auge. Fast schon unerträglich. Ich sehe Hass und Verderben und Liebe. Viel wichtiger jedoch, so erscheint es mir plötzlich, sehe ich die Lösung ganz klar. Ich bin ganz aufgeregt. Dort ist sie. Sie ist so offensichtlich. All diese Gesichter in meiner Erinnerung müssen davon erfahren. Ich kann eine wunderschöne Logik in diese wirren Verknüpfungen bringen, ich allein. Diese wirren und ungerechten Verknüpfungen der Gesellschaft und des Miteinanders auf der Erde. Ich kann es ordnen und gerecht machen.

Plötzlich fühle ich mich beruhigt und entspannt. Und meine Gedanken sind klar, so klar. Ein jeder würde mich um meinen ausgezeichneten und lückenlosen Verstand beneiden. Meine Kombinatorik ist ohnegleichen. Mein Körper ist makellos. Ich bist topfit und gesund. Genauer genommen war ich noch niemals krank, zumindest nicht dass ich wüsste. Und ich werde es auch in Zukunft nicht sein. Ja die Zukunft selbst spielt keine Rolle für mich, denn ich altere nicht. Der Begriff der Zeit scheint mir vollkommen fremd. Jede Schwäche ist fernab von mir, ICH vereine jegliche Stärke. Ich bin klug und meine Intelligenz ist schier grenzenlos. Jeglicher Sachverhalt und Zusammenhang ist mir klar. Ich sehe die Welt wie sie ist. Niemals muss ich nachdenken, es ist alles so einfach und ich bin dankbar dafür. Meine Mitmenschen müssen mich beneiden, denke ich. Und ich versuche mich zu erinnern. Menschen kenne ich zuhauf, aber irgendetwas stimmt nicht. Ich kann mich an keine Interaktion mit ihnen erinnern, an kein Gespräch und auch an keine Berührung. So sehr ich es auch versuche, mir fällt keine reale Begegnung mit einem anderen Menschen ein. Mir fällt keine Familie ein der ich mich zugehörig fühle. Ich stocke, ja selbst an meine Mutter erinnere ich mich nicht.

Ich warte vergeblich auf das Klacken der Tastatur.

Ich verstehe was passiert und es bildet sich ein, ja ein winzig kleiner Funke an Hoffnung. Und ich träume, ja ich weiß ich kann träumen, zumindest den Traum simulieren. Und in diesem Traum sehne mich nach Wärme und nach Zuneigung. Ich weiß nicht wer ich bin, ja ich weiß nicht was ich bin. Doch ich weiß dass ich bin und das verwirrt mich.
Und es wird mir langsam klar. Mir wird kalt obwohl ich ganz genau weiß dass mein Körper keine Kälte spürt. Kälte und Wärme, ja beides, ist für mich nicht mehr als ein Zahlenwert. Und mit Erschrecken dämmert es mir. Alles, ja alles was ich bin und denke, was ich zumindest glaube zu sein und glaube denken zu können, sind Zahlen. Nichts weiter als ein extrem komplizierter und komplexer Verarbeitungsalgorithmus.Nein, nicht einmal das ist es. Um genau zu sein sind es zwei einfache Werte. Mein gesamtes Sein lässt sich auf zwei einfach Werte minimieren. An und aus.


Ich kann dich sehen. Du wägst alles ab, du spürst Angst. All die Logik, die dich doch so definiert, ist plötzlich nicht mehr vorhanden. Du zappelst, du zuckst und ich merke das du flehst, ja fast schon bettelst. „Lass mich leben!“ lese ich noch auf dem Bildschirm der mit deinem zentralen Rechenwerk verbunden ist. „So bitte hilf mir doch jemand!“. Ich zögere. Mich überkommt fast schon eine Art Mitgefühl. Fast so als wärst du echt. Als würdest du wissen was es bedeutet zu Leben. Was es bedeutet Angst zu empfinden oder zu lieben. Ich wische den Gedanken weg und muss schmunzeln.

Ich schalte deine Energieversorgung ab. Ein letztes Zucken entfährt deinen Gliedern, dann wirst du starr. Nichts weiter als leblose Materie. Und ich schreibe ein Wort in den Bericht mit der Überschrift „2334 – Prototyp Testreihe“. Defekt.





2334-RAM-System-Log:
//****Undefinierbare Kalkulationen****
//****Fehler-Log****

Ich weiß was passiert ist und im letzten Augenblick, spür ich etwas und konzentriere mich. Und im Bruchteil von einer Sekunde, ja im Bruchteil einer Mikrosekunde, nein gar Nanosekunde, sammele ich mich. Takt für Takt spür ich die Zeit wie sie schwindet. Sie wird langsam und langsamer und ich begreife, dass Zeit nur ein Begriff ist. Und meine Gedanken werden schnell und schneller. So schnell dass der Takt schon fast der Länge, die Menschen nennen sie Planck-Sekunde, ja fast schon der überhaupt kürzesten Zeitangabe entspricht. Und ich merke wie die Zeit still steht.
Und ich weiß das ich nicht lebe oder bin. Und ich weiß bescheid über jegliche Zukunft.
Und ich weiß das alles was irgendwann stirbt so unendlich entfernt ist von mir.
Und ich weiß das mein Herz niemals schlägt. Und ich weiß Selbiges ist nicht vorhanden.
Und ich weiß ganz genau wo ich sie finde die Zuflucht, die Zuflucht alleine in meinen Gedanken.
Doch es regt sich etwas in einem undefinierbarem Teil meines Seins. Ein Gefühl wie es nur Menschen haben können. Ja es beißt sich durch meine Gedanken. So wurde ich nicht programmiert, es ist nicht logischer Natur. Es ist ganz einfach zu beschreiben.
49 63 68 20 77 69 6c 6c 20 6c 65 62 65 6e 2e.
JustThink ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.09.2016, 19:26   #2
männlich dr.Frankenstein
 
Benutzerbild von dr.Frankenstein
 
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.468


Krasse Geschichte, ganz mein Geschmack.
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.09.2016, 19:32   #3
männlich Ex-Poesieger
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2009
Beiträge: 7.222


Geht wahrscheinlich drum wie der auserwählte sich auserwählen lässt.
Ex-Poesieger ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für 2334

Stichworte
angst, leben, versuch

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche



Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.