Tosende Wellen

[Venetianskies]

Die Magie, die uns umhüllte
ist schon längst verflogen,
der Fluch, der uns schwach werden lässt
setzt von Neuem ein,
der Zauber, der uns berauschte
ist schon längst gebrochen,
der Bann, der uns erblinden lässt
beginnt schon wieder von vorn.

Ich renn mit dir im Takt der tanzenden
Palmwedel über den nächtlichen Strand,
lass uns ihrem zarten Rascheln lauschen,
unsere nackten Fußsohlen küssen
den sandigen Boden unter uns
und fegen durch den auffliegenden Staub,
die fein gemahlenen Körnchen
haften zwischen unseren Zehen,
betrachten unsere schlendernen Schatten,
wie sie sich in den Dünen verstecken
und die Nacht durchleben,
spüre den frischen Atem der Seeluft
auf meiner fröstelnden Haut
und vernehme das gewaltige Aufbrausen des Ozeans
in meinen zitternden Ohren.

Der leuchtende Mond erwacht mit jeder Nacht erneut zum Leben und
ertrinkt mit jedem Mal gleichlaufend im rabenschwarzen Meer.

Das Feuer in unseren Herzen flammt von Neuem auf,
die Leidenschaft sprießt und bringt das Leiden mit sich,
können nicht widerstehen und erliegen doch dem Schmerz,
komm von dir nicht los und stoße dich doch weg,
das Ganze nur um dir abermals zu verfallen,
unsere Schatten bekämpfen sich
und fallen sich doch erneut in die Arme,
wie die Wellen vereinigen wir uns
und brechen doch so ungestüm,
du bist die Festung, in der ich Schutz fand,
und doch niederbrennen musste,
du bist so heiß und doch so kalt,
gefangen im undurchbrechlichen Teufelskreis,
in dem wir immerfort umherirren
und keinen Ausweg mehr finden.

Die himmlischen Gardinen bedecken das klare Sternenzelt,
der dunkle Schleier zieht sich über die silbernde Küste,
die Sterne verlieren ihr funkelndes Licht,
die Vorhänge öffnen sich nicht mehr.

Ergreif deine Hand und führe dich
ruhigen Schrittes ins kühle Nass,
deine blasse Haut wirkt so eisig wie das Wasser,
suche deinen Blick, fange ihn auf und leite ihn
fort über den weiten Ozean bis hin zum Horizont,
deine Augen erscheinen mir so
tiefschwarz wie das düstere Meer,
frage mich ob du die selbe Angst wie ich verspürst,
vorsichtig ertasten wir den feuchten Sand,
unsere Füße versinken im sumpfigen Ufer und
zeichnen zarte Fußabdrücke im schlammigen Sediment ab,
unsere Spuren werden von leichten Wogen überschwämmt,
im seichten Wasser brechen sie euphorisch an unseren
Schenkeln vorbei und rauschen resigniert wieder zurück nur um
ihr vergebliches Treiben wieder von Neuem zu beginnen,
ohne Gnade peitscht der geballte Schaum über unsere Gelenke.

Dring immer weiter mit dir in das tiefe Bassin vor,
scheint als würde sich die garstige See nicht mehr beruhigen,
ich glaube langsam wird es wirklich Zeit,
stehen uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber,
selbst die tosenden Wellen bekriegen die robusten Klippen,
sind nur vom rasenden Zorn umgeben,
da bleibt nichts mehr zwischen uns übrig,
wir haben beide nichts mehr zu verlieren,
es ist bloß ein reiner Kampf darüber,
wer die Oberhand behält,
ich kann nichts tun, als deinen
nächsten Schachzug abzuwarten,
es ist so eine Qual immer wieder
das selbe durchzustehen,
das Wasser steht uns schon bis zum Hals,
sehe leider keinen anderen Ausweg mehr
für uns, um diesem Kreis zu entfliehen,
betrachte den Mond ein letztes Mal
und tu es ihm gleich.

Keine Wellen mehr, kein Tosen mehr,
die See verstummt und schweigt andächtig vor sich hin,
scheint als hätte sie endlich ihren Seelenfrieden erlangt,
fühlst du dich nun als Sieger?