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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 31.03.2023, 18:32   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Dabei seit: 07/2015
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Beiträge: 6.721

Standard Ein sachliches Erzählgedicht

In der City, an einer Bushaltestelle.
Freitagmorgen, halb acht.
Hektisch quatscht der Typ neben mir in sein Handy:
„Stell dir vor, Marie, mein Bus kam nicht. Jetzt muss ich den nächsten nehmen. Ja, bestimmt komm ich zu spät - und das am ersten Tag!"

Es regnet, ich spanne meinen Schirm auf.
Wie grau die Stadt bei diesem Wetter wirkt.
Freudlos und farblos wie die Regentropfen,
aber wenigstens ist mein Schirm bunt betupft.

Als mein Bus kommt, ergreift Frau K.
(ich nenne sie in Gedanken so, keine Ahnung, wie sie wirklich heißt),
Raum und steigt vor allen anderen ein.
Erstaunlich, wie sie das jeden Tag schafft,
egal wo sie sich vorher befindet.

Mein Lieblingsplatz ist frei, ein Lichtblick.
Noch eine halbe Stunde bis Arbeitsbeginn,
die gilt es zu genießen.
Was mir einigermaßen gelingt,
bis die Durchsage des Fahrers kommt:
„Sorry, liebe Fahrgäste, ich habe mich verfahren, wir müssen noch mal zurück."
Empört schauen einige Fahrgäste auf,
der Typ von vorhin zückt sein Handy und beschwert sich bei Marie, dass er jetzt noch später kommt.

Ich komme eine Viertelstunde zu spät zur Arbeit und denke, ich könnte ein sachliches Gedicht über diesen Morgen schreiben.

Sonst war er ja auch zu nichts nutze.
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Alt 01.04.2023, 00:07   #2
männlich MonoTon
 
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Dabei seit: 04/2021
Beiträge: 1.108

Hallo Silbermöwe

Uhhh ist das diese neue Sachlichkeit von der wir soviel vernommen haben?
Interessant umgesetzt. Kurz angelesen und schon ein Meisterwerk erschaffen.
Nein, ernsthaft, du verstehst es Bildhaft einen Moment zu schildern und ich glaube (da ich das ja auf Profitip hin auf Wiki nachgelesen habe)
das es günstig ist wenn man das ganze nüchtern schreibt und realitätsbezogen schildert und keinerlei Interpretationsmöglichkeit oder Emotion Preis gibt. Nicht die kleinste Möglichkeit zum Eigenständigen denken, da es sonst zu Abweichungen im Kollektiven Bewusstsein kommen könnte.
Ich glaube aber, dass deine Figur zuviel Gefühl zeigt, es wurde erstaunen geäußert und kurz darauf allgemeines empören.
Am besten stellt man sich eine Kartoffel vor die einfach im Bus sitzt, nicht denkt oder handelt und auch sonst keinen Druck macht und aus der Perspektive schreibt man dann sachlich.

Aus meiner Sicht wäre der Text in Humorvolles besser aufgehoben.
Aber vielleicht interpretier ich auch etwas hinein, das überhaupt gar nicht vorhanden ist. Das wäre dann aber fernab der neuen Sachlichkeit in der es nur Roboter gibt die funktionieren.
Ich mag den Text. Ich hoffe du fasst meine Ausführung mit einem Augenzwinkern auf.

Lg Mono
MonoTon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.04.2023, 10:54   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 61
Beiträge: 6.721

Hallo Monoton,

vielen Dank für deinen Kommentar.

Zitat:
Uhhh ist das diese neue Sachlichkeit von der wir soviel vernommen haben?
Ja, das ist zumindest das, was ich mir nach meinen bisherigen Recherchen darunter vorstelle.

Zitat:
Interessant umgesetzt. Kurz angelesen und schon ein Meisterwerk erschaffen.
Nein, ernsthaft, du verstehst es Bildhaft einen Moment zu schildern und ich glaube (da ich das ja auf Profitip hin auf Wiki nachgelesen habe)
das es günstig ist wenn man das ganze nüchtern schreibt und realitätsbezogen schildert und keinerlei Interpretationsmöglichkeit oder Emotion Preis gibt. Nicht die kleinste Möglichkeit zum Eigenständigen denken, da es sonst zu Abweichungen im Kollektiven Bewusstsein kommen könnte.
Danke für das Kompliment. Der letzte Satz gibt mir zu denken. Es war eigentlich gar nicht meine Absicht, kein eigenständiges Denken bzw. das kollektive Bewusstsein damit zu fördern. Ich hab einfach aufgeschrieben, was ich am gestrigen Morgen erlebt habe, was mir normalerweise keine Zeile wert gewesen wäre. Aber ich wollte doch mal die neue Sachlichkeit ausprobieren.

Zitat:
Ich glaube aber, dass deine Figur zuviel Gefühl zeigt, es wurde Erstaunen geäußert und kurz darauf allgemeines Empören
Meine Figur hat das nicht gezeigt - sondern die anderen. Wie gesagt, ich habe nur aufgeschrieben, wie es sich wirklich zugetragen hat. (Was ich in einer Geschichte übrigens nie mehr machen würde.)

Aber du hast schon recht, Erstaunen und Empören ist nicht sachlich. Hab ich gar nicht dran gedacht ...

Zitat:
Aus meiner Sicht wäre der Text in Humorvolles besser aufgehoben.
Finde ich nicht, da er ja nur einen Freitagmorgen beschreibt. Ist ja wirklich so gewesen ...also Lebensalltag. Auch wenn man den Text nicht so ganz ernst nehmen kann

Zitat:
Das wäre dann aber fernab der neuen Sachlichkeit in der es nur Roboter gibt die funktionieren.
Ich habe das mit der neuen Sachlichkeit anders verstanden, nämlich dass über alles gemeckert und gejammert wird, und dass das Leben ja so trist und furchtbar ist, anstatt die schönen Seiten des Lebens zu sehen wie in der Romantik.

Deswegen diese Strophe:

Zitat:
Es regnet, ich spanne meinen Schirm auf.
Wie grau die Stadt bei diesem Wetter wirkt.
Freudlos und farblos wie die Regentropfen,
aber wenigstens ist mein Schirm bunt betupft.
Ich konnte mir nicht verkneifen, dann doch noch einen Farbtupfer dran zu hängen, auch wenn er nur im Schirm ist.

Zitat:
Ich mag den Text. Ich hoffe du fasst meine Ausführung mit einem Augenzwinkern auf.
Klar Ich habe mich sehr über dein Interesse und deinen Kommentar gefreut.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 01.04.2023, 15:13   #4
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Hallo Silbermöwe,

ich finde den Text kurzweilig und unterhaltsam, egal unter welchem Oberbegriff er läuft. Auch erinnert er mich ein wenig an ein Drabble, in dem allerdings nur 100 Wörter erlaubt sind.

LG Nöck
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.04.2023, 15:33   #5
männlich Erhard Gratz
 
Benutzerbild von Erhard Gratz
 
Dabei seit: 11/2022
Ort: Lüneburger Heide
Alter: 90
Beiträge: 160

Zitat Silbermöwe: "Aber ich wollte doch mal die neue Sachlichkeit ausprobieren."

Was ist denn bei dieser "Neuen Sachlichkeit" der Unterschied zwischen dem Protokoll eines Geschehens und der Poetik?
Erhard Gratz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.04.2023, 16:37   #6
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 61
Beiträge: 6.721

Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Hallo Silbermöwe,

ich finde den Text kurzweilig und unterhaltsam, egal unter welchem Oberbegriff er läuft. Auch erinnert er mich ein wenig an ein Drabble, in dem allerdings nur 100 Wörter erlaubt sind.

LG Nöck
Vielen Dank, Nöck!
Schön, dass dir der Text gefällt. Wenigstens ist er kurzweilig, das freut mich.

LG DieSilbermöwe

Zitat:
Zitat von Erhard Gratz Beitrag anzeigen
Zitat Silbermöwe: "Aber ich wollte doch mal die neue Sachlichkeit ausprobieren."

Was ist denn bei dieser "Neuen Sachlichkeit" der Unterschied zwischen dem Protokoll eines Geschehens und der Poetik?
Hallo Erhard Gratz,

wo bei der neuen Sachlichkeit die Poetik ist, frage ich mich ja eben auch.

Ich finde keine Poetik dabei, sachlich einen Zustand oder einen Ablauf eines Tages zu beschreiben. Und schon gar nicht daran, dann auch noch über alles bzw. die Tristesse zu jammern.

LG DieSilbermöwe
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