In der Anstalt bei Poetry.de

Aquaria · 24.05.2011, 02:10

Auf und davon! AUF und davon. AUF! DAVON!
Die Alte im Sessel ist hysterisch. Sie kreischt. Sie geht mir auf die Nerven mit ihrem ohrenbetäubenden Nonsens. Niemals gibt sie Ruhe, nicht mal, wenn sie schläft. Die ist neu und schießt den Vogel ab. Metaphorisch. Hier muss ich das wohl hinzufügen.

Die Raffaelklinik ist ein Platz für Irre, für den wie Schimmel florierenden Wahnsinn, ein Ort, wo noch der hinterletzte Abschaum destruktiver Geisteskrankheit ein Zuhause findet. Ich bin nicht verrückt, ich werde es gerade.

Erwin will seine Luftballons. Er kann an nichts anderes denken. Er ist Asthmatiker und würde bei dem Versuch einen aufzublasen wohl tot umfallen, aber er will sie zurück. Sofort! Er zerrt an meinem Nervenkostüm. Ella hat sie, Erwin holt schon aus und ich rufe ihr noch ein „Rück sie lieber raus“ zu. Aber Erwin schlägt zu, Ellas Kopf fliegt zur Seite und das Blut spritzt durch den Raum. Auch mein Hemd ist besudelt. AUF UND DAVON Im Aufenthaltsraum bricht die Hölle los. Ich bin auf- UND DAVON auf- UND aufgeregt, dass ich - nicht weiß - was zuerst. AUF UND DAVON! Ella blutet wie ein abgestochenes Schwein, wo ist sie, überall Blut und Luftballons. Ich werde zu Boden geworfen, jemand sitzt auf meinem Brustkorb. Luftballons. LUFT!

Der behandelnde Arzt blickte betrübt durch die Scheibe in das Krankenzimmer. Eine rothaarige Frau trat neben ihm. „Wie geht es weiter?“, fragte sie angstvoll. „Er bleibt erst einmal hier.“, antwortete der Arzt ausweichend. „Der Zahnarzt operiert erst übermorgen. Die Lunge muss sich nach dem letzten Anfall erholen. „Und dann?“ „Sedieren. Es geht nicht mehr anders. Er bringt sich noch um. Außerdem glaube ich, dass noch eine hinzugekommen sein könnte“ Die Frau wandte sich ab. Sie wollte allein sein und keine Stimmen mehr hören. Auch die des Arztes nicht. In letzter Zeit hatte sie oft das Gefühl, dass nur noch eine weitere fremde Stimme sie auch auf die andere Seite der Glasscheibe befördern könnte.

24.05.2011, 02:10	#1
Aquaria Dabei seit: 02/2010 Alter: 42 Beiträge: 521 Meine Geschichten	In der Anstalt Auf und davon! AUF und davon. AUF! DAVON! Die Alte im Sessel ist hysterisch. Sie kreischt. Sie geht mir auf die Nerven mit ihrem ohrenbetäubenden Nonsens. Niemals gibt sie Ruhe, nicht mal, wenn sie schläft. Die ist neu und schießt den Vogel ab. Metaphorisch. Hier muss ich das wohl hinzufügen. Die Raffaelklinik ist ein Platz für Irre, für den wie Schimmel florierenden Wahnsinn, ein Ort, wo noch der hinterletzte Abschaum destruktiver Geisteskrankheit ein Zuhause findet. Ich bin nicht verrückt, ich werde es gerade. Erwin will seine Luftballons. Er kann an nichts anderes denken. Er ist Asthmatiker und würde bei dem Versuch einen aufzublasen wohl tot umfallen, aber er will sie zurück. Sofort! Er zerrt an meinem Nervenkostüm. Ella hat sie, Erwin holt schon aus und ich rufe ihr noch ein „Rück sie lieber raus“ zu. Aber Erwin schlägt zu, Ellas Kopf fliegt zur Seite und das Blut spritzt durch den Raum. Auch mein Hemd ist besudelt. AUF UND DAVON Im Aufenthaltsraum bricht die Hölle los. Ich bin auf- UND DAVON auf- UND aufgeregt, dass ich - nicht weiß - was zuerst. AUF UND DAVON! Ella blutet wie ein abgestochenes Schwein, wo ist sie, überall Blut und Luftballons. Ich werde zu Boden geworfen, jemand sitzt auf meinem Brustkorb. Luftballons. LUFT! Der behandelnde Arzt blickte betrübt durch die Scheibe in das Krankenzimmer. Eine rothaarige Frau trat neben ihm. „Wie geht es weiter?“, fragte sie angstvoll. „Er bleibt erst einmal hier.“, antwortete der Arzt ausweichend. „Der Zahnarzt operiert erst übermorgen. Die Lunge muss sich nach dem letzten Anfall erholen. „Und dann?“ „Sedieren. Es geht nicht mehr anders. Er bringt sich noch um. Außerdem glaube ich, dass noch eine hinzugekommen sein könnte“ Die Frau wandte sich ab. Sie wollte allein sein und keine Stimmen mehr hören. Auch die des Arztes nicht. In letzter Zeit hatte sie oft das Gefühl, dass nur noch eine weitere fremde Stimme sie auch auf die andere Seite der Glasscheibe befördern könnte.