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Alt 18.01.2016, 17:03   #1
männlich Twiddyfix
 
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Dabei seit: 02/2012
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Beiträge: 2.797


Standard Als mein Vater noch lebte

Es ist jetzt schon viele Jahre her, ich war noch ein Kind, etwa drei Jahre alt.

Ich saß auf seinen Knien und er erzählte mir eine Geschichte.
Plötzlich sagte er zu meiner Mutter :" Ich rede schon eine lange Zeit zu ihm
und er schaut mir nur in die Auigen"!

Seltsamerweise habe ich diese Worte meines Vaters nie vergeßen.

So ist es auch heute noch meine Art, meinem Gegenüber stets in die Augen zu sehen.

Als ich etwa acht Jahre alt war, nahm mich mein Vater eines Morgens mit zum Angeln.
Wir mußten früh aufstehen, um dann noch eine Stunde mit der Bahn zu fahren,
An einen kleinen Bahnhof stiegen wir aus und standen bereits im Wald.
Es war ein sonniger Sommertag
Vogelgezwitscher und die laute Stille des Waldes begleiteten unsere Schritte.
Ein Rascheln im Laub und ein begleitendes Wispern und Knistern.
Plötzlich blieb mein Vater stehen, er zeigt nach vorn, da konnte ich tatsächlich einen Fuchs sehen.
Der schaute zu uns her, um danach gemächlich zwischen den Bäumen zu verschwinden.
Ich war sehr beeindruckt, ich hatte einen richtigen Fuchs gesehen.

Mein Vater zeigte mir noch viele kleine Büsche mit Blaubeeren, Sträucher mit Himbeeren und wir fanden auch Walderdbeeren.
Ein kleiner Bach neben dem Weg, erquickte uns.

Dann endlich waren wir am See.
Eingerahmt von Schilfrohr sah ich zuerst nicht viel von ihm, dann aber sah ich seine spiegelglatte Fläche.
Der Geruch des Wassers stieg in meine Nase.
Ich sah einen Bootssteg, an dem einige Ruderboote lagen.
In der Nähe stand auch ein Holzhaus, vor dem Haus stand der Fischer, der hier mit seiner Familie wohnte.
Er begrüßte meinen Vater freudig, Vater stellte mich vor und ehe ich mich versah, wurde ich von einer kleinen Meute Hunde umringt.
Am Haus befand sich ein Anbau, hier konnten die Fischer auch auf Strohsäcken übernachten.

In der Nähe gab es auch eine richtige Quelle, mit trinkbarem Wasser.
Für mich war es der beste Ort auf Erden.

Nach dem Mittagessen legten wir uns für zwei Stunden auf die Strohsäcke,
wir waren heute die Einzigen zum übernachten.
Mein Vater erklärte mir...in der Mittagszeit, wenn es so heiß ist, beißen die Fische nicht.
Aber dann, am Nachmittag, nahmen wir unsere Ruten, bestiegen ein Boot und Vater ruderte auf den See hinaus.
Er hatte vom Steg noch zwei lange Holzstangen mitgenommen, jetzt stand er auf , nahm eine der Stangen und stieß sie tief ins Wasser, bis zum Grund, dann nahm er eine Schnur und band das Boot daran fest, dann ging er nach hinten und tat das Gleiche.
So konnte das Boot nicht abtreiben und blieb an der gleichen Stelle.

Schnell waren die Ruten zubereitet, ein Köder am Angelhaken befestigt und ab damit ins Wasser.
Der Schwimmer (auch Pose) an der Schnur, bezeichnete die Position des Hakens.
Wenn ein Fisch an den Köder geht, würde die Pose leicht Wippen oder sogar untergehen, jetzt kann der Fisch, durch einen kurzen Ruck an der Rute , gefangen werden...Petry Heil.
Leider hatte ich kein Glück, mein Vater aber um so mehr.
Als wir zu Steg zuckkamen, hatte der Fischer bereits ein kleines Lagerfeuer entfacht.
Nach dem Säubern der Fische, wurden diese auf Holzstäbe gesteckt und über dem Feuer gegrillt.

Danach, auf den Heusäcken liegend, redeten wir noch lange Zeit, bis mir die Augen zufielen.

Schon früh am Morgen, gleich nach dem Frühstück, waren wir wieder auf dem See.
Zwei Fischadler kreisten über dem See und von Ferne hörten wir den Ruf eines Kuckucks.
Ja und dann..,hatte ich plötzlich einen Fisch gefangen, eine Plötze, aber mein Vater setzte sie wieder zurück ins Wasser...zu klein.
Aber dieses Gefühl, als die Pose wippte und ich nach kurzem Ruck den Fisch aus dem Wasser zog, vergesse ich nie.
Die Zeit verging viel zu schnell.
Nach dem Mittagessen ging es wieder heim.
Zuhause angekommen, habe ich meiner Mutter alles erzählen müßen.
Mein Vater bestätigte ihr, dass ich ein sehr guter Angler bin.

Am Abend gab es wieder Fisch, meine Mutter hatte alle gebraten, es war auch ein schöner Hecht darunter.

Mein Vater war mir stets ein Vorbild und auch heute noch, vermiße ich ihn sehr, obwohl ich schon viel älter bin, als mein Vater es war, als er starb.
Twiddyfix ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.01.2016, 18:33   #2
männlich Ex-Lichtsohn
abgemeldet
 
Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 1.493


Es tropft aus einem moosbewachsen Rohr
das klare Wasser neugierig ins satte Moos
und schmiegt sich an die Steine lückenlos
vertrauend drängt es weiter, lugt empor.
Den neuen Weg will es entschlossen rinnen
und deshalb wählt es heut die rechte Seite
da soll das netzend Abenteuer jetzt beginnen
nimmt Schwung auf, als ob eine Schnecke gleite.
Es tränkt den Weg mit einer feuchten Spur
und sucht geschickt nach frischer, klarer Weite,
im sanften Bett erlaubt das leicht Gefälle nur
ein vorwärts, kein zurück und nicht zur Seite.
Es sehnt sich auf der stillen weiten Reise
nach einem anderen Allein, das mitgerinne,
einem Gemeinsam, das von vorn beginne,
mit feuchter Spur ganz still und leise.


"Still und leise", Lichtsohn, 2015

Lieber Twiddyfix,

es müssen nicht immer die großen Worte sein, manchmal sagen so kleine Erinnerungen so viel, so unglaublich viel aus. Hier bin ich ganz nahe bei dir, auch wenn ich dich nicht kennen kann. Diese Tiefe ist ein Treffpunkt und mein Erinnerungsfaden rinnt völlig unabhängig von deinem in ein gemeinsames Bächlein voll Sehnsucht und Schmerz und Liebe.
Bewahr dir bitte bitte diese unglaublich liebe Art zu schreiben.

LG
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.01.2016, 01:15   #3
weiblich Ex-Dabschi
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2014
Beiträge: 2.371


Lieber Twiddy,

als ich Deine Kindheitserinnerungsgeschichte heute las, hatte ich Kopfkino und konnte Dich und Deinen Vater bei Euren Aktivitäten beobachten. Es hat mir Spaß gemacht zuzuschauen.

Wunderbar geschrieben und auch zu Herzen gehend, wenn ein Mann, der schon älter ist, als sein verstorbener Vater wurde, sich liebend an seine Kindheit zurück erinnert.

Zitat:
Es ist jetzt schon viele Jahre her, ich war noch ein Kind, etwa drei Jahre alt.

Ich saß auf seinen Knien und er erzählte mir eine Geschichte.
Plötzlich sagte er zu meiner Mutter :" Ich rede schon eine lange Zeit zu ihm
und er schaut mir nur in die Auigen"!
Deine Anfangsgeschichte weckte Erinnerungen in mir.

Ich war auch ca. 3 Jahre alt, als ich auf dem Schoß meiner Mutter saß und sie mit mir Hoppereiter spielte. Ich konnte nicht genug bekommen und war außer mir vor Freude. Ich ignorierte in meiner kindlichen Wahrnehmung ihre Mahnungen, dass jetzt Schluss sei. Ich hoppelte auf dem Schoß meiner Mutter immer weiter bis ich es kapierte, dass das Spiel vorbei ist. Sie packte mich grob, starrte mich an und „fauchte“, dass jetzt Schluss ist. Daran kann ich mich bis heute gut zurück erinnern. Ich war erschrocken und schaute wie gelähmt in ihre zornigen Augen …

Liebe Grüße
Dabschi
Ex-Dabschi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.01.2016, 10:00   #4
männlich Twiddyfix
 
Benutzerbild von Twiddyfix
 
Dabei seit: 02/2012
Ort: kleines Nest in Bayern
Beiträge: 2.797


lieber Lichtsohn, liebe Dabschi,
es tut gut, wenn man sich an längst vergangene Zeiten erinnern kann und es freut mich natürlich, wenn auch Ihr meine Erinnerungen nachvollziehen könnt.

Jeder hat,zurückblickend, Erlebnisse gespeichert, die es Wert sind erwähnt zu werden und sei es nur, um sich selbst damit eine Freude zu bereiten.

Ich danke Euch für Euer Interesse und für die Kommentare dazu.

Liebe Grüße von mir...Twiddy...
Twiddyfix ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2016, 17:04   #5
weiblich Merith
R.I.P.
 
Dabei seit: 10/2013
Ort: Im Isental
Alter: 83
Beiträge: 3.380


Lieber Twiddy,

ich kann es nichts anders zum Ausdruck bringen, aber du wirst verstehen, wie ich es meine : Du schreibst in Bildern.
In Sekunden sehe ich den See vor mir, den ihr nach einem "abenteuerlichen Waldspaziergang" erreicht habt, ich sehe euch ins Boot steigen, eure Angeln auswerfen und in Verbundenheit darauf warten, dass ein Fischlein anbeißt.
In der fortschreitenden Dämmerung geht ihr noch einmal an den See, das Anglerglück ist euch hold, egal , ob dem Vater oder dem Sohn, es ist ein "Wir-Tag", ein Vater-Sohn-Tag .
Die Mutter brät die Fische, vielleicht nur euch zuliebe, und weil eure Gesichter so strahlen.

Ein Tag zum Lachen , ein Tag zum Weinen, so schön und unvergesslich.

Merith
Merith ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2016, 17:13   #6
männlich Twiddyfix
 
Benutzerbild von Twiddyfix
 
Dabei seit: 02/2012
Ort: kleines Nest in Bayern
Beiträge: 2.797


Liebe Merith,
das ist ein großes Lob von Dir,...danke.
-ich schreibe in Bildern ... vielleicht hätte ich doch besser Maler werden sollen...grins.

Ich freue mich sehr, wenn es Dir gefallen hat.

Nicht jeder der schreibt, kann schreiben,
aber jeder der liest, kann lesen,
wenn man dann auch noch verstehen kann, was man liest...
na ja, besser geht es doch nicht....


Einen ganz lieben Gruß vom ..Twiddy..
Twiddyfix ist offline   Mit Zitat antworten
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