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Sonstiges Gedichte und Experimentelles Diverse Gedichte mit unklarem Thema sowie Experimentelles.

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Alt 31.12.2006, 16:13   #1
Doska
 
Dabei seit: 12/2004
Beiträge: 113

Standard Vogelfrei

Hallo Leute, denkt dran. Trinkt nicht so viel, sonst werdet ihr irgendwie…

Vogelfrei
(eine Ballade)

Ich lieg` in meinem Bett hier
betäubt von Bier und Wein
und das gefällt recht nett mir
drum schlaf` ich einfach ein.

Da seh` ich einen Weiher
vor einem kleinen Haus.
Dort spielt ein Sänger Leier.
Er sieht so traurig aus.

Sein Söhnlein nämlich schmachtet
in einem Burgverlies.
Ihm nach dem Leben trachtet
der Graf, der ihn verstieß

in jene feste Mauern,
sie sind so steil und dicht,
wo viele Wachen lauern.
Entweichen kann er nicht!

Des Sängers Sohn dort fastet
bei Wasser und bei Brot,
des Sängers Sohn dort rastet,
schon Morgen ist er tot!

Nun möcht` wohl jeder wissen:
"Wie kam er dort hinein?"
Er wollt` ein Mägdlein küssen,
des Grafen Töchterlein!

Und ist er auch gefangen
aus diesem schnöden Grund
und wird er auch gehangen,
er denkt an ihren Mund.

Sein Vater sitzt am Weiher,
sein Herz vor Gram zerbricht.
Er spielt auf seiner Leier,
als er die Worte spricht:

"Ich hasse jenen Grafen,
der mir mein Söhnlein stahl!
Ich hasse diese Strafen,
ich wünsch` ihm meine Qual!

Der Sänger ist so traurig,
er ist so lieb und gut.
Ich find` die Strafe schaurig
gerat` sogar in Wut!

Ich seh` den blauen Himmel
in diesem schlimmen Traum
und einen edlen Schimmel
gebunden an dem Baum.

Der Sänger geht zum Weiher,
er lässt mir keine Ruh`,
er winkt mir mit der Leier
und lächelt dann mir zu.

Da gibt`s für mich kein Halten,
ich springe in den Traum,
lass meine Kräfte walten,
bewege mich zum Baum,

entknote eine Leine
und schwing` mich auf das Ross,
schon tragen dessen Beine
mich auf den Weg zum Schloss.

Ich sehe mit Entzücken,
mein Pferd trabt voller Kraft,
von dessen schmalen Rücken
die schöne Traumlandschaft.

Ich reite über Auen,
vorbei an Fluss und Wald,
kann nicht zurück mehr schauen,
mein Zelter macht nicht Halt.

Doch dann mit einem Male
stürmt er auf einen Berg
und nun hinab zum Tale.
Da kommt zu mir ein Zwerg.

"Steig ab!" ruft dieser leise.
"So züg´le doch dein Tier.
Ich komm von einer Reise,
um nun zu helfen dir!"

Er kramt in seinem Täschchen
und holt dann bald hervor
ein kleines, blaues Fläschchen
und wispert mir ins Ohr:

"Wenn ich von dieser Flasche,
und das nur bei Gefahr,
ein kleines Schlücklein nasche
wächst mir ein Flügelpaar.

Doch zu viel trinke nimmer!
Denk` bitte stets daran,
sonst bleibest du für immer
ein schöner, weißer Schwan.

Hier - jene Flasche nehme
und trag` sie mit dir fort,
doch niemand andrem gebe.
Ich will kein Dankeswort!"

Schon war der Zwerg verschwunden,
wie er gekommen war.
Das Fläschchen wird mir munden.
Ich find` das wunderbar!

So reit` ich schließlich weiter,
vorbei an Wald und Flur
und fühl` mich froh und heiter,
bewundre die Natur.

Es dauert gar nicht lange,
da sehe ich das Schloss
und mir ist kaum noch bange,
drum zügle ich mein Ross.

"Heda! Muss ich hier stehen?"
ruf` keck zum Tor ich rauf.
"Heda! Sonst werd` ich gehen,
macht Ihr nicht endlich auf!"

"Was schreist du da für Sachen!
Du altes Großmaul, du!"
Das rufen mir die Wachen
hoch überm Tore zu.

"Auch wenn man es nicht glaubet,
so darf man heut` herein,
weil unser Graf erlaubet
beim Richten bei zu sein."

Kaum hab` ich das vernommen,
da lässt man mich schon ein.
Zwei Knechte sind gekommen,
ich laufe hinterdrein.

Dort in dem Hof steh`n Leute,
sie flüstern ringsherum:
"Des Sängers Söhnlein heute
bringt unser Graf gleich um."

Ich sehe ein paar Schwalben,
sie fliegen her und hin
und unter einem Galgen
endeck` ich schließlich ... ihn!

Ich seh´ die hohen Mauern,
erblick´ auch sein Gesicht,
die Menschen, wie sie lauern,
doch weinen will er nicht!

Und unter einer Weide,
mit langem Engelshaar,
steht sie im weißen Kleide
so schön und wunderbar.

Die Augen voller Tränen,
gar bleich der zarte Mund.
Ich brauch´s wohl nicht erwähnen,
ich kam zur richt´gen Stund.

"Ich komme, keine Bange!"
schrei ich jetzt laut hinaus.
"Es dauert gar nicht lange,
haltet nur tapfer aus."

Und während mich die Menge
erstaunet blicket an,
zwäng` ich mich durch die Enge.
Ich tue gut daran!

Schon hat jemand gepfiffen,
die Wache jagt gleich los,
und hat mich fast ergriffen,
die Menge schützt mich bloß.

Und während ich so dränge,
hol` ich den Trank heraus.
Ich trink` wohl eine Menge,
die halbe Flasche aus.

Wann wachsen mir die Federn?
Ich warte sehr darauf.
Kein Schreien und kein Zetern
bringt mich zum Himmel rauf!

Vor meinem Paar nun steh´ ich,
doch bin ich gar kein Schwan.
Ich warte wohl vergeblich,
dass ich jetzt fliegen kann.

Erblicke nur die Wachen,
die an den Zinnen steh`n.
Ich seh` sie heftig lachen,
den Grafen zu mir geh`n.

Will dieser mich erhaschen?
Es bleibt mir keine Wahl,
muss noch ein Schlückchen naschen,
mir ist das jetzt egal!

Da scheint es zu gelingen.
Mir wird so leicht und warm,
ich habe weiße Schwingen,
doch leider keinen Arm.

Ich blick` auf meine Beine,
das sind sie leider nicht.
Ich flieg` von ganz alleine,
doch Schuhe trag` ich nicht!

Ich habe Vogelbeine
und einen Hals vom Schwan,
auch Federn hab` ich feine,
womit ich fliegen kann.

Ich ruf` zu mir mein Pärchen:
"Kommt, eilet schnell herbei,
Man krümmt euch nicht ein Härchen,
weil ich Euch jetzt befrei`!"

Sie sehen mit Entzücken
mein weißes Flügelpaar.
"Nehmt Platz auf meinem Rücken,
das geht jetzt wunderbar."

Ich fühle ihre Beine,
ich spüre ihr Gewicht.
Ich trag` sie ganz alleine
als Schwan ins helle Licht!

Und all die Menschen staunen.
Wer hätte das gedacht.
Ich hör` ein lautes Raunen:
"Wie wurde das gemacht?"

Ich bin jetzt sehr in Eile
und flieg` so schnell ich kann.
Schon sausen viele Pfeile.
Es fängt zu regnen an.

Dann legt es los mit Krachen,
es donnert über mir.
Ich muss noch schneller machen,
komm sonst nicht fort von hier.

Ich fliege wacklig weiter
hoch über Berg und Tal,
da stimmt mich plötzlich heiter
der erste Sonnenstrahl.

Ich breite meine Flügel
in heller Sonne aus
und trage über Hügel
das schöne Paar nach Haus.

Es schließt in seine Arme
ein Vater seinen Sohn,
als Tochter eine Dame,
das hat er nun davon.

Nun sind sie endlich glücklich
und man bemerkt mich kaum,
drum flieg` ich unverzüglich
hinaus aus meinem Traum.

Halt` beide Augen offen,
so weit, wie ich nur kann,
da sehe ich betroffen,
dass ich noch bin ein Schwan!

Trotz all der vielen Kissen,
erkennt man`s sonnenklar.
Zwar will ich`s gar nicht wissen,
doch es ist leider wahr!

Entdeck´ ich weiße Schwingen
je rechts und links von mir.
‚Ich durft´ nicht so viel trinken!’
Das denke ich jetzt mir.

Ein Schwan zu sein für immer,
das hab` ich jetzt zum Dank.
Das war vielleicht ein schlimmer,
ein böser Zaubertrank!

Die Flügel könnt` ich missen.
Ich werf` mich hin und her.
Da sind`s nur weiße Kissen
und keine Flügel mehr!

Wie soll ich das beschreiben.
Ich lachte über mich.
Man braucht` kein Schwan zu bleiben.
Das ändert meistens sich.

Doch eines daraus lerne,
denn das ist wirklich wahr:
Ein wenig Schnaps trink` gerne,
zu viel birgt nur Gefahr!
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