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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 01.05.2015, 18:23   #1
weiblich Tracy
 
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Dabei seit: 04/2015
Alter: 29
Beiträge: 29

Standard Blumenkind

Aus Frühlings prachtvoll Farbenspiel
thront sich ein Blumenkind von Vielen,
lässt sich vom zarten Weiß umgarnen
wie es dem Augenschein gefiel.

Von vielen Händen ward's berührt
und blieb indes für sich allein.
Im Kelch beschirmt es das Gefühl,
von Hand doch nie bewegt zu sein.

Wenn dann der Schein die Erde ziert,
dies Kind so eifrig giert,
wird es auch nimmer satt.

Mit jeder sturmdurchtobten Nacht
müht kläglich sich die Wurzel schwach.
Bald fliegt das Kind hinfort.
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Alt 02.05.2015, 21:54   #2
Stachel
 
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Dabei seit: 03/2015
Ort: Niederrhein
Beiträge: 954

Hallo Tracy,

da hast du ja eine interessante Nuss zum Knacken hingesetzt. Dein Gedicht weckt den äußeren Anschein eines Sonetts. Dein Reimschema ist dabei ausgesprochen variabel: AXXA, XBXB CCX DDX
Du benutzt einen Jambus mit jeweils 4 Hebungen, abgesehen von den Versen 10, 11 und 14, die jeweils drei Hebungen aufweisen.

Zum Inhalt:
S1: Eine Blume sticht aus dem Reigen der Blütenpflanzen hervor. Die Blüte ist weiß (V3), vielleicht ist die Blume aber auch von einer Zaunwinde umwuchert.
Interessant ist hier die reflexive Verwendung des Verbes "thronen". Ich verstehe es als Anlehnung an "sich krönen", wobei das Augenmerk auf die empor gehobene Exposition, möglicherweise durch hohen Wuchs, liegt. Der Thron steht normalerweise über den übrigen Sitzmöbeln, während die Krone hier eher auf eine besondere Blütenform bezogen worden wäre.

S2: Die Blüte wurde von vielen Händen berührt, jedoch nicht gepflückt (S8: "von Hand doch nie bewegt"). Hier liegt schon das erste große Rätsel. Waren das überhaupt menschliche Hände? Warum blieb die Blume allein? (Oder bin ich mit Blume überhaupt schon auf dem Holzweg, denn du schriebst ja "Blumenkind"?)

S3: Hier rätsel ich noch: Ist es der Schein der Sonne? Die Blume braucht viel Licht, bekommt aber davon zu wenig? Steht sie im Schatten eines großen Baumes?

S4: Die Blume hat eine schwache Wurzel, die sie nicht vor Sturm schützen kann. Irgendwann wird sie weggeweht.

Durch die Hebungs-Verkürzung werden über die Form folgende drei Verse miteinander Verbunden:
Zitat:
dies Kind so eifrig giert,
wird es auch nimmer satt.
Bald fliegt das Kind hinfort.
Ich glaube, dass hierin eine zentrale Botschaft steckt, vielleicht eine Mahnung oder eine Klage.

Nur die Verse 2 und 3 enthalten ein weiches Ende. Alle anderen sind hart. Du lässt viele Reimwaisen, und änderst darüber hinaus das Schema in den Quartetten. Schließlich endest du mit einer Waise nach einem unreinen Reim. Der letzte Punkt könnte zu einer verwehten Blume passen.

Ich glaube aber, dass du mit den vielen formellen Brüchen auf die Brüche im Leben des Blumenkindes hinweisen möchtest.

Meine Vermutung:

Es geht hier tatsächlich um ein Kind, keine Blume. Der Frühling steht für die Kindheit und/oder Jugend. Ein (vielleicht) besonders hübsches Kind wird von vielen Händen (haptisch) berührt, jedoch nie "menschlich" bewegt (nie liebevoll gestreichelt, etc.). Es giert nach "Schein" (Zuwendung), die Seele bleibt jedoch ungenährt, kann dadurch keine festen Wurzeln schlagen und wird schließlich, durch einen Lebenssturm, komplett entwurzelt.

Hast du auf lyrische Weise Verwahrlosung oder Missbrauch thematisiert? Dadurch müssten einige Bilder in komplett neuem Licht betrachtet werden. Das Mosaik würde sich neu ordnen.

Herzliche Grüße,
Stachel
Stachel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.05.2015, 22:07   #3
männlich Ex-Ralfchen
abgemeldet
 
Dabei seit: 10/2009
Alter: 77
Beiträge: 17.302

ich denke eher an einen baby-vampir...wie den MOTTERLE aus einer meiner prosen, der seine fötale zwillingsschwester im mutterleib kannibalisiert...
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
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