Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Kolumnen, Briefe und Tageseinträge

Kolumnen, Briefe und Tageseinträge Eure Essays und Glossen, Briefe, Tagebücher und Reiseberichte.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 26.06.2012, 00:24   #1
männlich Juicesaar
 
Benutzerbild von Juicesaar
 
Dabei seit: 06/2012
Ort: Saarbrücken
Alter: 38
Beiträge: 18

Standard Beständigkeit und Flüchtigkeit – Von Paarhufern, Single....

...listen, Zuckerbergs und Traualtären

Das mediale Zeitalter – eine Gefahr für die ewige Bindung von Mann und Frau, Mann und Mann sowie Frau und Frau? Mediale und globale Vernetzung als Bedrohung für die Liebe? Feststeht: Noch nie war es einfacher soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Willkommen im 21. Jahrhundert, Facebook & Co. lassen grüßen. Herzlich Willkommen im Leben 2.0! Über Formen des sozialen Umgangs und Formen der medialen Liebe und welche Auswirkungen das Internet auf die Beständigkeit von Partnerschaften und Ehen hat.

„Das also ist des Pudels Kern!“, so oder so ähnlich könnte sich Goethe über unser mediales Zeitalter geäußert haben, würde er noch leben. Leider hatte sein eigenes ihm schon genug zu schaffen gemacht und die Liebe, ja die Liebe war seine Religion, quasi die Triebkraft seiner Feder. Heutzutage ist die Liebe nur noch selten Triebkraft, sondern eher die schnelle Triebbefriedigung. Und es hat sich doch so vieles geändert! Blicken wir zunächst auf längst vergangene Tage.

Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlichte Schiller ein utopisches Erziehungskonzept, das aus diesem Grunde heut längst vergessen, in den staubigen Bibliotheksecken dahin siecht. In seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ sieht er den Menschen seiner Zeit schon auf einem positiven Wege; von einer Sensibilisierung und Emotionalisierung des Ehe- und Beziehungslebens ist die Rede. Die Liebenden seiner Zeit würde sich nicht mehr aus Lust und Spaß an der Freude, sondern aus Liebe zueinander das Ja-Wort geben. Heute werden 39 % der Ehen in Deutschland geschieden (Quelle: http://www.faz.net/aktuell/gesellsch...-11167255.html), was sicherlich eine hohe Scheidungsquote darstellt. Woran liegt das? Gehen wir zu leichtfertig mit diesem doch so bedeutungsvollen JA-Wort um? Hat es überhaupt noch eine Bedeutung?

Die Zeit, in der sich Menschen Briefe geschrieben haben, sich einander die ewige Treue versprochen und gehalten haben ist lange vergessen. Was steckt dahinter? Geänderte Umgangsformen? Wertewandel oder gar ein Wertezerfall? Es gab einmal eine Zeit, in der man auf einem Volksfest oder –tanz zueinander gefunden hat. Man bekundete sein Interesse an seinem Gegenüber über streng reglementierte Umgangs- und Höflichkeitsformeln. Man musste für seinen Angebeteten oder seine Angebetete kämpfen. Heutzutage reicht hier ein Klick auf „Gefällt mir“ und schon signalisierst du deinem Gegenüber dein Interesse. Es war noch nie so einfach, miteinander in Kontakt zu treten, sich zu verabreden, zu flirten, sich zu verlieben und das alles über das Internet. Die so genannten Social-Communities machen dies möglich! Wo früher einmal enorme Schranken waren, sind heute lediglich Schaltflächen. Du kannst alles tun, alles ist möglich! Hast du Sehnsucht nach deinem Gegenüber, rufst du einfach sein Profil auf und chattest mit ihm. Früher stand man hier noch in regem Briefkontakt zueinander und hat sich Monate, gar Jahre nicht zu sehen bekommen.

Es ist doch faszinierend oder erschreckend, wie sich die Welt gewandelt hat und mit ihr die menschlichen Umgangsformen. Was früher Zeugnis von Stil, Klasse, Eleganz und Eloquenz war, verkommt heute zur Alltäglichkeit, und mit dem die Worte. Ein mediales „Hallo, wie geht’s, lass uns treffen“ genügt heute meist schon, um Liebende oder die, die es werden wollen, zusammen zu bringen – selbst für den Vollzug des körperlichen Begehrens. Noch nie war flirten so einfach und noch nie haben Menschen das so einfach zugelassen. Facebook-Chat und Like-Button eröffnen neue Möglichkeiten, in Anbetracht dessen sich so einige Zeitgenossen vergangener Tage sicherlich mehrmals im Grabe umdrehen würden, sicherlich. Die Umgangs- und Höflichkeitsformen verkommen und mit ihnen die Sprache!

Eine weitere recht nette Funktion für Jäger und Sammler des medialen Liebesglücks ist die Funktion des Spuren-Hinterlassens. Ein Aufruf eines Profils genügt und der Aufgerufene weiß, dass sein Profil eingesehen wurde. Gefällt derjenige, wird dieser vom Aufgerufenen angeschrieben, gefällt er nicht, allenfalls ignoriert. Es ist so einfach geworden, auf sich aufmerksam zu machen; die eigene Persönlichkeit, das eigene Wesen, definiert über ein virtuelles und mediales Profil. Dieses Profil zu gestalten und Interesse für die eigene Person zu wecken ist alles! Ein „Single-Status“ erledigt dann meist nur noch den Rest. Wir sind die Kinder der Verkommnis, ja die Kinder Zuckerbergs und werden es immer bleiben. Nur die Wenigsten schaffen den Absprung. Dein ganzes Leben, all das, was du bist, verkörperst du über ein einziges Profil und die ganze Welt schaut dabei zu und spielt sich online ab! Es ist ein Geschäft mit persönlichen Daten, ein Geschäft mit virtuellen Profilen und ein Geschäft mit der Liebe – wo man nur hinschaut.

Menschen lernen sich über diese sozialen Netzwerke kennen, lieben und hassen. Man trifft sich, geht eine Beziehung ein und trennt sich wieder. Das war’s und mehr nicht. Hat man den Gegenüber satt, so wird ihm kurzerhand per Mausklick online die Freundschaft gekündigt oder er landet gar auf einer Ignore-Liste – welch eine Erfindung! Eben all das Angesprochene ist es auch, was eine Partnerschaft oder Ehe bedrohen kann. Eine Bedrohung von außen, hervorgerufen durch einen fremden Besuch deines Profils, durch einen Klick, durch ein „Gefällt-mir“. Man ist neugierig und kommt ins Gespräch, man flirtet und verabredet sich – es kommt zum Austausch. Tadaa, das Beziehungschaos ist perfekt und alle klatschen in die Hände, wenn sich ein Status von „ist in einer Beziehung“ zu „ist Single“ oder gar „frei“ ändert. Es ist eine perfide Welt, eine Welt des Gefallens und ein blauer Daumen erobert die Massen. Die heiße und schnelle Nummer per Chat, ermöglicht durch das Zeitalter 2.0, gepaart mit einem Werte-, Höflichkeitsformen, und Sprachenverfall, das ist es, was die Massen wollen und vorantreiben. Die Pflege des sozialen Lebens und die Kommunikation untereinander gestalten sich einfacher. Aber ist es all das wert?

Ebenso ist es mit den geschlossenen Ehen: Die mobile Webmaschinerie ist auf der Hut und zieht letztendlich jeden in ihren Sog hinein. Wenn Ehepartner sich aus dem Auge verlieren, sich nicht mehr füreinander interessieren, mit ihren Laptops auf dem Sofa vegetieren, dann weiß ich warum das so ist! Weißt du es auch? Also eine mögliche Antwort darauf hätte ich persönlich schon! Willkommen im Leben 2.0!


<<< Mehr unter http://www.juicesaar.wordpress.com Freue mich auf euren Besuch <<<
Juicesaar ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.06.2012, 02:11   #2
männlich Brutha
 
Dabei seit: 06/2012
Ort: Wien
Alter: 37
Beiträge: 99

Ein Grüß dich und Hallo.

Wow mehr kann ich dazu nicht sagen. Gäbe es einen "gefällt mir"-Button würde ich ihn drücken. Ok spaß beiseite. Im Grunde sprichst du mir aus der Seele und ich muss wirklich sagen, respekt!

Ich glaube nie war es so schwer jemanden in einem Pub, einer Disco oder einfach in der Fussgängerzone anzusprechen. Die Menschen fühlen sich mehr oder weniger "unwohl" in ihrer Haut und kommunizieren lieber über Facebook, Twitter oder sonstige "Social-Communities". Ich würde dir die Hand schütteln wenn du mir gegenüber sitzen würdest. Den meisten ist es nicht mal bewusst, das sie über Facebook mehr über sich preisgeben, als wenn sie mit einem fremden im Starbucks reden würden. My two cents only.

lg.

Brutha
Brutha ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Beständigkeit und Flüchtigkeit – Von Paarhufern, Single....

Stichworte
facebook, internet, liebe



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Single Rosenblüte Gefühlte Momente und Emotionen 7 23.04.2012 22:19
Single Life Rollce Zeitgeschehen und Gesellschaft 0 30.12.2009 13:39
Beständigkeit möwe Sprüche und Kurzgedanken 1 24.03.2007 10:52


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.