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Alt 25.01.2024, 17:40   #1
weiblich Hannahanna
 
Dabei seit: 01/2024
Beiträge: 130


Standard Zeitnomaden - ein Wunschtraum

Es gibt ein Haus mitten in der Stadt. Es ist groß und hat viele Fenster, manchmal kleine Balkone und drinnen unendlich viele Türen, die in kleine Zimmerchen mit geräumigen, barrierefreien Badezimmern einladen. Dort leben alte Männer und Frauen Wand an Wand. Gemütlich schlurfen sie über die Flure und tratschen über moderne Gehhilfen, die Behebung von Darmträgheiten und über Justus natürlich.
Justus, ja,ja Justus...
„ Guten Morgen, meine Prinzessin“.
Justus öffnet die Vorhänge und lässt die Sonne ins Zimmer.
„ Uo schin meine Schäääne“, piepst es unwillig unter der Bettdecke.
„ Un mein Koff isch gansch kalt“
Justus reckt und streckt sich mit breitem Lachen und spielt mit seinen braungebrannten Muskeln.
„ Schon zur Stelle, liebe Frau Mayer“.
Tief aus den Kissen kommt ein mürrisch – verhutzeltes Gesichtchen zum Vorschein.
„ Meine Schäääne, uo schin meine Schäääne ?“

Justus steht noch einen Augenblick am Fenster und träumt vor sich hin:
„Sabine ist aber auch ganz toll. Mit ihr könnt ich zusammenleben, glaube ich“ ,denkt er auf dem Weg zum Bad, um die rosa Dose mit Frau Mayers Gebiss zu holen.
„ Wer sind Sie? Was machen Sie hier“ Frau Mayer ist empört.
„Rufen Sie meinen Mann, er soll Sie rausschmeißen.“
„Gleich sofort, Frau Mayer, aber erst wollen wir baden, damit Ihr Mann sich auf seine schöne Frau freuen kann.“
Sanft fasst er ihre Hände, zieht sie auf die Beine und tippelt mit ihr in kleinen Schritten zum Bad.
„Ob Sabine wohl Kinder möchte? Ich kann mir ein Leben ohne nicht vorstellen. Am liebsten drei. Ob wir uns das bei meinem Gehalt leisten können ? Vielleicht sollten wir uns selbständig machen . Na ja, wir kennen uns ja noch nicht so lange, aber lieb haben für lange könnte ich sie , glaube ich, schon.
Frau Mayer strahlt ihn an.
„ Du bist mein Gerdchen, ich will mit Dir nach Hause.“
Justus streichelt ihre knotigen Hände.
„ Erst wollen wir Sie zum Ausgehen schick machen.“
„Ich will sofort, Du bist nicht mein liebes Gerdchen. Mein Gerdchen tut immer was ich will, mein Gerdchen ist lieb.“
Sie zerrt mit erstaunlicher Kraft an seinem Hemd, stolpert gegen ihn und liegt plötzlich in seinen Armen und weint.
„Meine Prinzessin,“ murmelt er und beginnt leise zu singen.
„ Wenn ich ein Vöglein wär’ und auch….“
„zwei Flügel hätt’,“ ihr zittriges Stimmchen fällt ein.
„…flög ich zu dir, weil’s aber nicht kann sein, weil’s aber nicht kann sein, bleib ich allhier,“ schmettern sie nun beide. Justus hebt Frau Mayer in die Wanne. Sie quietscht begeistert und entdeckt die Seife.



„Flutsch,“ lacht sie und will sie immer wieder einfangen.
Das schmale Persönchen wirbelt im Wasser herum wie ein Mädchen. Justus hockt vor der Wanne und freut sich mit ihr.
Plötzlich hält sie ganz still, schaut ihn an. Ihre Augen werden tief und weit.
„Sie duftet nicht. Es gibt keine Seife, die duftet, es ist Krieg, keine Badewanne, kein Wasser. Ich friere, hörst Du die Flieger ? Wo ist mein Gerdchen ? Ich will mein Gerdchen. Er ist in Russland oder wo. Er schreibt nicht, er schreibt nicht. “Sie patscht ratlos mit den Händen aufs Wasser und Justus wird ganz nass.
„Sie hat wunderschöne Augen und ihre Haut fühlt sich an, wie rohe Seide,“ denkt er und wischt sich einige Tropfen aus dem Gesicht.
„Nicht anfassen. Geh weg. Du sollst mich nicht anfassen. Hörst Du sie ? Sie kommen. Panzer, überall Panzer. Gerdchen, ich will nur mein Gerdchen,“ wimmert sie, kriecht ganz in sich hinein und wiegt sich in ihren eigenen Armen hin und her.
Justus fühlt sich hilflos
„Ich setz mich hier hinten auf den Hocker und schau Ihnen zu. Ich pass auf, dass niemand kommt. Nehmen Sie doch selbst die schöne, blaue Seife und den Waschlappen. So viele Jahre haben Sie sich schön gemacht. Heute wird Ihnen das besonders gut gelingen. Schauen Sie, die Sonne lacht genau so hell wie Sie.“ Aufmunternd murmelt Justus weiter und weiter.
Sein behaglicher Singsang breitet sich schützend um ihren nackten Leib und nach einer Weile wird sie still.
„ Meine Oma,“ sagt Justus verträumt, „ mochte Gedichte, besonders Balladen….Zu Dionys, dem Tyrannen schlich Damon, den Dolch im Gewande……“
„ Was wolltest Du mit dem Dolche, sprich ? Kartoffeln schälen, Du Wüterich…“ kichert sie
Während Goethes Osterspaziergang hat Justus sie vorsichtig aus der Wanne gehoben und in ein großes warmes Badetuch gewickelt.
Schillers Glocke dient zum Abtrocknen, die saubere Unterwäsche gelangt an ihren Platz zur Abwechslung mal wieder mit Gesang.
„ Es waren zwei Königskiiihhiiinder, die hatten einaaaander so liiiieeeeeb…,.“ schmalzen sie beide fast dreistimmig, mit voller Konzentration und Hingabe.
„ Jetzt noch den ganzen Zauberlehrling,“ spornt Justus Frau Mayer an.
Sie wird zu einer kleinen, zerbrechlichen aber stolzen Diva.
Kerzengrade sitzt sie nun in ihrem Ohrensessel, mit schicker Bluse und frisch duftend .
„ Alles kann ich noch aufsagen, nicht wahr Gerdchen. Mein liebes Gerdchen, gut das Du da bist.“
Sie tätschelt verliebt Justus Gesicht, als er sich herunterbeugt, um die Decke über die schmerzenden Knie zu legen.
Seine elegante Brille verrutscht etwas und der Brilli im Ohr blitzt mit seinen Zähnen und der Sonne um die Wette. Und er freut sich.
„ Danke, Prinzessin“ lachen seine Augen.
Und dann geht er zu Herrn Schulz, zu Frau Siebenhals, zu der sterbenden Frau Engel und... und…
Hannahanna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.01.2024, 14:55   #2
männlich dunkler Traum
 
Benutzerbild von dunkler Traum
 
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 60
Beiträge: 1.615


Standard Hallo Ha...ha...

...tolle Idee, die nicht abwegig erscheint, vermutlich sogar angewandt wird.

Die Grübeleien von Justus irritieren ein wenig, da ich mir nicht immer sicher war, wem sie gerade gelten.

wsT
dT
dunkler Traum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.01.2024, 14:58   #3
weiblich Hannahanna
 
Dabei seit: 01/2024
Beiträge: 130


danke für deine Antwort.
Ja, ich gebe dir Recht, dass ist zu viel des Guten.....
Ich werde das ändern
Hanna
Hannahanna ist offline   Mit Zitat antworten
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Lesezeichen für Zeitnomaden - ein Wunschtraum

Stichworte
altersheim, trauma



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