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Alt 09.10.2006, 19:42   #1
reztuneb
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 64


Standard Mission Kühlschrank

Mission Kühlschrank

Unter dubiosen Umständen, verstrickt in eine „zu - kompliziert - zum - Erklären“- Geschichte, verließ ich meine Wohnung und geriet in die Fänge derer von Wilhelm - Hillmer - Straße. Ein solitaire - Junkie und ein esoterischer Mythenfanatiker waren meine Höhlengenossen.
Die Wohnung war voller Müll, das Licht war kaputt und als ich aus dem Bett aufstand, trampelte ich in den völlig überfüllten Aschenbecher, dessen Inhalt sich in alle Himmelsrichtungen ergoss. Die Asche bildete eine Korona um die verfaulte Bananenschale auf dem „Best - of“ - Die Ärzte- Buch.
Der erste Blick in den Kühlschrank.

"Jeder von uns hat sein eigenes Fach. Oben ist meins, unten ist jetzt deins und das in der Mitte gehört Phillo."
"Aha."
So ein Scheiß, dachte ich. Der Mülleimer heißt Wohnung, aber der Kühlschrank ist in Besitzerfächer aufgeteilt. Mission Kühlschrankkommunismus. Ich brauchte ein Symbol für mein Projekt.
An dem Tag, als ich meinen ersten Aufkleber kaufte, sollte sich mein Leben verändern. Ich begann mit Marx. Der dauergewellte Bär prangte an der Klapptür. Ich war begeistert. Am nächsten Morgen war ich früh wach, sozusagen als erste. Karli grinste mich an und ich trat ein, in das Reich des overfrozen Understatements.

Die Milch hielt die Wurst am Händchen, die Wurst umarmte mit der rechten ein Sauregurkenglas, das wiederum so aussah, als würde es die Faust gemeinsam mit einer Zitrone recken. Oh mein Gott.
„Scheiß- Magen- Kapitalistin!“, brüllte es mir entgegen. Mein Gesicht entgleiste etwas. Bevor ich unzüchtige Worte von mir gab, knallte ich die Tür schnell wieder zu. Was tun? Himmel, der Kühlschrank war ein Arbeiterverband geworden und wenn ich mir irgendetwas zu Gemüte führen wollte, würde mir wahrscheinlich Streik angedroht werden. Ich setzte mich hin und trank meinen Kaffee schwarz, weil die Milch gröhlte: „Hoch - Die- Internationale- Solidarität!“
Ach du Scheiße. Der Aufkleber musste ab. Ich pulte, bewaffnet mit einem nassen Schwamm und meinen Fingernägeln die grinsende Putte ab. Ein hässlicher Fleck an der Tür. Was nun tun? Ein neuer Aufkleber musste her, der das wieder ins Lot brachte.

Ich entschied mich für Bakunin. Es konnte nicht schief gehen. Was sollte Gemüse mit Anarchismus anfangen?
Tatsächlich beruhigte sich die Milch, nahm die Trillerpfeife aus dem Mund; das Gurkenglas hängte das Sandwich mit der Aufschrift: ‚Arbeiter, Bauern, nehmt die Gewehre zur Hand’ ab und ließ die Zitrone los. Die Wurst war wieder eine Wurst. Ich machte mir Frühstück und zog in den Alltag. Wunderbar.

Am Abend hungerte ich ein wenig. Ich öffnete die Tür und fiel in Ohnmacht.
„Alles für alle und zwar umsonst!“, schwarz gekleideter und besonnenbrillter autonomer Käse lief mir entgegen. In seiner „Hand“ hielt er eine Olive, deren Inneres brannte. Es sollte wohl ein Molotowcocktail sein.
„BRD- Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt!“, johlte das Essen von gestern.
Ich war versucht, die Wasserwerfer- Nummer abzuziehen, besann mich aber eines Besseren und klappte die Tür zu.
"So, und jetzt bildet mal lebensfähige, autarke Zellen bei Kaltstufe fünf,"

,zischte ich in den Kühlschrank um auch Bakunin zu beseitigen. Gut. Ich würde mich nicht geschlagen geben. Ich war die Falsche, ich war eine große Kriegerin. Keine Stunde später prangte Xena auf dem Kühlschrank. Ich öffnete zur Probe die Tür. Im selben Moment war mir klar, dass dies der absolut falsche Kleber gewesen war. Eine hauchdünne Salamischeibe getarnt als Wurfring rasierte mir einen Pony.
„Hiarr! Nimm dies, widerwärtige Bacchantin und Mörderin an Unschuldigen!“ Mein Gott, wem sollte ich das erzählen?
Wiederum pulte ich also eine weitere Persönlichkeit ab. Für die Nacht brauchte ich Ruhe und Frieden. Warum nicht gleich? Mahatma Gandhi hätte meine erste Wahl sein sollen. Beruhigt streichelte ich ihn sanft auf den weißen Untergrund und milde lächelnd sah mir der dürre Mann in die Augen.
Oh! Jetzt eine Schüssel Müsli mit Milch, dachte ich nach dem Aufstehen. War Gandhi noch da? Er lächelte genauso gütig wie am Abend zuvor. Ich öffnete die Tür und griff nach der Milch. „Eigentum ist Diebstahl“, säuselte es mir herzzerreißend sanft ins Ohr. „Teile dein Frühstück mit einem Armen“ – „Jesus. Ich will nur ein bisschen Milch.“ – „Teile mit vielen Armen, denn wer hat, soll geben.“, pullerte mir die Milch ins Ohr. Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
„Nur ein bisschen Milch für mein Müsli“, sagte ich.
„Nun, auch du musst die Latrinen putzen“, teilte mir das Essen von gestern mit. „Danke, ich weiß, ich habe den Film auch gesehen.“ Blutrot angelaufen nahm ich die Milch und kippte sie auf die Haferflocken. Ich schwang meinen Streitlöffel und schieberte mir Milch und Flocken in den Hals.
Igitt. Die Milch war sauer. Ich brüllte vor Wut. Es schallmeite mir alsgleich entgegen: „Dir wurde gegeben, so nimm. Jeder bekommt, was er verdient.“
Der Aufkleber musste ab. Lieber autonomes Essen als diese völlige Guru- Scheiße.
„Tut mir leid, Mahatma“, kratzte ich, „aber die Sache muss ins Lot.“


Am Ende nahm ich einen Aufkleber von Buddha. Wer konnte besser sein als dieser vollgefressene, das Essen verherrlichende, fette Knabe? Und ich behielt recht. Völlig selbstlos ließ sich der Inhalt des Kühlschranks seiner Wiedergeburt zuführen.
reztuneb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.10.2006, 21:24   #2
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Zitat:
Aschenbecher, dessen Inhalt sich in alle Himmelsrichtungen ergoss
Gießen setzt voraus, dass es sich um eine Flüssigkeit handelt. Dazu gehört Asche nicht und darum klingt das sehr seltsam.

Zweiter Kritikpunkt sind Deine komischen Bindestriche. Entweder sie haben ein Leerzeichen vorn und eins hinten und werden zum Gedankenstrich oder sie haben gar keine Leerzeichen nebenan und sind eben Bindestrich, aber unter so einem halben Gedanken-Bindestrich kann ich mir absolut nichts vorstellen.

Nun zum Inhalt: Genial! Hab mich köstlich amüsiert, wirklich gut geschrieben, schöne Sprache, sehr lustig, phantasievoll. Was gibt es da noch hinzuzufügen?
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.10.2006, 22:02   #3
männlich ozero
 
Dabei seit: 07/2006
Ort: Mitten im Ruhrpott
Beiträge: 108


Einfach nur geil. Ich hab lang nicht mehr so Gelacht.
ozero ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2006, 10:21   #4
reztuneb
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 64


@ struppigel: du hast DIESEN aschenbecher nicht gesehen. der war.. der hing... drei tage waschen.
+ danke für das kompliment!

versuche mal, die bindegdankenstriche nach deinen vorschlägen zu ändern. aber später.. hihi


@ ozero: schön, wenn der schwachsinn jemanden freut!
reztuneb ist offline   Mit Zitat antworten
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