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Alt 03.06.2017, 18:37   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Der Neue - Tina sucht die Liebe, Teil 5

Einige, ganz gewöhnliche Tage gingen ins Land. Der Termin bei Frau Lehmann, der Bekannten von Kurt, sollte erst in drei Wochen stattfinden, da Frau Lehmann es ausgerechnet jetzt vorgezogen hatte, Urlaub zu machen. Tina ärgerte sich, aber nicht allzu sehr. Der Urlaub von Frau Lehmann würde auch herumgehen, und schließlich hatte sie selbst bald Sommerferien. Ellen schrieb ihr per E-Mail – zum Chatten hatte sie angeblich keine Zeit mehr: „Das wird sicher der schönste Sommer und die schönsten Ferien, die ich je erlebt habe! Mit Jonas auf der grünen Wiese liegen und träumend in den Himmel schauen, verliebt ein Eis essen gehen und zusammen in der Stadt herumlaufen, abends die laue Sommerluft genießen und lange draußen unter dem Sternenhimmel sitzen. Du denkst bestimmt, ich spinne! Aber wenn du erst einmal auch verliebt bist, wirst du mich verstehen. Der Richtige kommt auch zu dir!“
Tina verschluckte sich fast vor Wut, als sie das las. „Der Richtige kommt auch zu dir!“ Eine blödere Floskel war Ellen wohl nicht eingefallen. Sie überlegte kurz, dann schrieb sie kühl zurück: „Ich habe gerade sehr viel zu tun. Vor den Sommerferien stehen noch einige Prüfungen an, da habe ich gar keinen Kopf für solch romantischen Quatsch.“ Schnell versandte sie die E-Mail, ehe sie es sich anders überlegen konnte. Ellen sollte sich ihre Heuchelei doch an den Hut stecken. Im Grunde genommen wollte sie nur angeben, sonst nichts, und Tina neidisch machen. Davon war Tina mittlerweile überzeugt.

An Ellen und diese E-Mail dachte sie auch noch am nächsten Tag. Sie wollte eigentlich darüber nachgrübeln, ob sie ihr eindeutig gezeigt hatte, was sie von ihrer albernen Bemerkung: „Das wird der schönste Somme, den ich je erlebt habe“, hielt – es war ja nicht zu fassen, dass eine 17-jährige wie in einem Rosamunde-Pilcher-Roman redete – aber so richtig zum Nachdenken kam sie nicht. Kaum war sie in der Schule und auf ihrem Platz angekommen, erschien der Direktor in dem Raum, in dem sie und die anderen Schüler aus dem Geschichte-Leistungskurs eigentlich jetzt Unterricht gehabt hätten und teilte mit, dass Frau Kloppmann, die Geschichtslehrerin, krank war und der Geschichte-Leistungskurs zumindest heute ausfallen würde. Man würde sich bemühen, so schnell wie möglich eine Aushilfe zu finden, wenn Frau Kloppmann länger krank sein würde. Diese Lehrer! Wenn man sich mal auf etwas freute wie Tina auf ihr Lieblingsfach, kam sogar dann etwas dazwischen. Als wollte das Leben „Ätsch, ätsch!“ zu ihr sagen! Womit hatte sie das verdient?
Nach der Mitteilung durch den Direktor, dass Frau Kloppmann heute nicht erscheinen würde, versammelten sich die Schüler, die eigentlich den Unterricht bei ihr gehabt hätten, vor dem Unterrichtsraum auf der Treppe und ärgerten sich unisono darüber. „Das darf ja wohl nicht wahr sein!“, murrte Christian, „muss die doofe Nuss jetzt krank werden! Bei ihr war Geschichte endlich einmal spannend!“ Die anderen stimmten ihm zu, und Tina sagte „Ich glaub, mein Hamster bohnert! Kann die nicht in den Ferien krank werden? Bei uns hätten die Lehrer das auch gerne!“
Einige der Schüler lachten, aber Christian funkelte Tina an und sagte: „Du könntest dir auch mal einen anderen Spruch als den mit dem Hamster überlegen! Sooo lustig ist der nun auch wieder nicht!“
Tina brauste auf: „Meine Sprüche gehen dich gar nichts an!“ Christian wollte zu einer Antwort ansetzen, aber ehe er zu Wort kam, hörten alle die Stimme des Direktors, die von unten so laut zu hören war, dass sie jedes Wort verstanden: „Ah, Herr Kärner, schön, dass Sie zu uns kommen! Es wäre ja vielleicht besser gewesen, bis nach den Sommerferien zu warten, so müssen Sie sich eigentlich mehr anstrengen, um noch alles aufzuarbeiten, aber ich stehe da niemandem im Wege, der noch im laufenden Schuljahr kommen will.“
„Dafür habe ich meine Gründe“, ließ sich eine männliche Stimme vernehmen.
„Ach, kommen Sie doch herein, Herr Kärner. Das glaube ich Ihnen ja gerne, ….“ und dann schlug die Tür unten zu, und die Schüler verstanden nichts mehr.
„Wir kriegen wohl einen Neuen“, stellte Isabell, die auch im Geschichte-Leistungskurs war und die Tina schon seit der Grundschule kannte und bereits seitdem nicht leiden konnte, fest. Isabell war hübsch und eingebildet. Mehr wusste sie nicht von ihr, aber das reichte auch.
„Wer weiß, wer weiß. Kann sein, kann auch nicht sein“, orakelte Benjamin, ein etwas zu klein geratener Junge, der trotz dieses Mankos unter den Mädchen einige Fans hatte.
„Schön blöd, so kurz vor den Ferien hier anzufangen“, sagte Tina. Christian warf ihr einen Blick zu.
„Du hast doch keine Ahnung, warum er das tut.“
„Ist mir auch egal“, sagte Tina, „ich würde es nicht machen.“
„Ich glaube, ich kenne ihn“, sagte Christian, „die Stimme kam mir bekannt vor.“ Tina kam es vor, als wolle er zu einer längeren Erzählung ansetzen, aber dann sprach er doch nicht weiter, und Tina überlegte, warum manche Jungen solche Idioten waren. Christian hätte ihr vom Aussehen her schon gefallen. Aber man konnte kein vernünftiges Wort mit ihm reden, ständig musste er andere kritisieren und angreifen und seine Meinung sagen, die niemand hören wollte. Wenn mal eine günstige Gelegenheit war, würde sie ihn fragen, warum er das machte, aber nicht hier, vor den anderen.

Es klingelte. Die Schüler packten ihre Sachen zusammen, trödelten noch etwas herum – es war die 5-Minuten-Pause – und schickten sich schließlich an, zum nächsten Kurs zu gehen, als jemand an ihnen die Treppe hoch vorbeilief. Es gehörte nicht viel dazu, sich zu denken, dass dies der neue Schüler war, den der Direktor vorhin begrüßt hatte. Tina hatte nur einen relativ flüchtigen Eindruck von ihm: groß, schlank, braune Haare. Er hatte es so eilig, an ihnen vorbeizukommen, dass er Tina mit seiner Schultasche streifte, zwar „Oh sorry“, sagte, sich aber nicht die Zeit nahm, stehenzubleiben. Tina brummte als Antwort etwas vor sich hin, von dem sie selber nicht wusste, was es war und hörte dann Christians Stimme: „Heh du, warte mal! Kennen wir uns nicht?“ Aber da war der neue Schüler schon wieder verschwunden.


- Fortsetzung folgt -
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Alt 05.06.2017, 08:41   #2
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Wie immer flüssig erzählt, und es gibt einige gute Ideen, die den Spaß am Lesen aufrecht erhalten.

Was mich etwas stört, ist die Sache mit dem Hamster-Spruch, denn das Szenarium wirkt erzwungen. Da könnte man mit einer witzigen Abwandlung arbeiten, z.B. könnte ein Mitschüler Tina beim Grübeln erwischen und sie mit der Frage necken: "Na, bohnert jetzt dein Hamster wieder?"

Den Zusatz bei dem zu kurz geratenen Jungen, dass er "trotzdem unter den Mädchen seine Fans hatte", würde ich streichen. Eine solche Randbemerkung wirft beim Leser unnötige Fragen auf, z.B. weshalb Tina nicht zu diesen Fans gehört oder welchen Einfluss die Tatsache, bei den Mädchen beliebt zu sein, auf den Fortlauf der Geschichte hat. Was die Geschichte nicht trägt, ist entbehrlich.

Alles in allem jedoch unterhaltsam geschrieben.

LG
Ilka
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Alt 06.06.2017, 17:13   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
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Liebe Ilka-Maria,

danke für deinen Kommentar und das Kompliment! Flüssig und unterhaltsam schreiben, ist genau das, was ich möchte und ich freue mich, wenn ich es erreichen kann.

Das mit dem Hamster-Spruch hatte ich eigentlich nach deinem Vorschlag eingearbeitet (Tina sollte eine Macke haben). Zunächst fand ich es nicht wichtig, aber dann habe ich es ganz gerne eingebaut.

Was nun den Zusatz zu dem "etwas zu klein geratenen Jungen, der trotzdem unter den Mädchen einige Fans hat", betrifft: Da werden wir uns vermutlich nicht einig. Für die Geschichte an sich ist der Zusatz unerheblich, aber ich finde, so etwas lockert eine Geschichte ein wenig auf. Einfach nur stur nach vorne erzählen, ohne Abweichungen, so funktioniert doch auch das wahre Leben nicht. Außerdem ist ja noch gar nicht klar, ob dieser Junge später vielleicht noch einmal auftaucht und eine wichtigere Rolle für die Geschichte spielt.

Pate gestanden für diese Figur hat ein Junge, den ich damals in der Klasse hatte - er ist also einfach willkürlich aus dem Leben gegriffen.

LG DieSilbermöwe
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Alt 06.06.2017, 17:25   #4
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Für die Geschichte an sich ist der Zusatz unerheblich, aber ich finde, so etwas lockert eine Geschichte ein wenig auf. Einfach nur stur nach vorne erzählen, ohne Abweichungen, so funktioniert doch auch das wahre Leben nicht.
Nein, so etwas lockert keine Geschichte auf, sondern bremst sie aus.

Es ist außerdem ein Irrtum, zu denken, man müsse nach dem wahren Leben erzählen. Kein Mensch will lesen, was er im Alltagsleben zur Genüge vorfindet. Da könnte er auch eine Dokumentation zur Hand nehmen. Vor allem will kein Leser überflüssige Informationen bekommen, mit denen er nichts anfangen kann.

Für Schriftsteller, die fiktional schreiben, gilt die Formel: Nichts muss an der Geschichte wahr sein, sie muss aber so erzählt sein, dass der Leser den Eindruck hat, sie könnte sich so zugetragen haben. Sie muss also einer Logik folgen. Das beste Beispiel sind Science-Fiction-Geschichten: Kein Mensch glaubt, dass ein Außerirdischer auf unseren Planeten kommen und ihn einen Tag lang zum Stillstand bringen kann, um den Menschen seine Macht zu demonstieren und sie zum Frieden zu zwingen. Trotzdem kann die Geschichte so stimmig erzählt sein, dass sie innerhalb ihrer literarischen Welt logisch vorstellbar ist. Ein anderes Beispiel dafür ist der berühmte Käfer aus Kafkas Roman.
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