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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 01.02.2013, 20:22   #1
Thing
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Beiträge: 34.998

Standard Wilde

Ich fühlte mich von seinem Blick umflossen.
Er war so jung und so geheimnisvoll.
So richtungslos war er, so unentschlossen
und ich, zum Grabensprung bereit, schon toll.

Er sprang zuerst. Ich, matt, mit zagen Schritten,
fand wartend ihn und fasste ihn und hielt den Arm,
der warm um meine Mitte sich dann schlang
- so weich! so warm! -
und fragte tief in seine Augen ihn dann bang:

"Bist jemals Du vorher im Traum geritten?
Warst wirklich Du ein Reiter nächtelang?"

Aus seinen Augen traf mich süßer Spott,
als sei ich Narr und er ein junger Gott.
Er hieß mich sanft, mich auszustrecken,
mich ihm zu geben ohne lange Zier,
und sprach von Freuden, vom Erwecken.
Und zart lag er. Über oder unter mir?

Ich harrte stumm der süßen Freuden,
die er mir zärtlich zugedacht'
so leichthin zwischen Kommen-Scheiden.
Darüber wurd es Mitternacht.
Ich wußt nicht: ist's Entzücken
oder Leiden,
Sehnsucht oder doch Verlangen?
Ah, wie unsre Blicke sich verschlangen!
Wir fragten nicht nach Haus, nach Hütte..
Piedestal wurd Strohes Schütte,

Lager ward uns frisches Holz.
Leidenschaften steilten stolz
wie je ein Stolz sich drohend zeigte
oder demutsvoll dann neigte...

zu einem sanften, zarten, süßen Kuß
an Lippen, deren Überfluß
im Fließen neuen Fluß gebiert.
Feuer hat den Brand geschürt...

so brannt es tage-, nächtelang.
Erwachen? Ach, ich bin so bang.



.
2007
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Alt 01.02.2013, 21:49   #2
gummibaum
 
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Beiträge: 10.909

Hallo Thing,

bei uns ist die Heizung kaputt, Wasser steht im Keller ... darum nur kurz.

Manches gefällt mir an dem Gedicht, denn man spürt das Abenteuer, fühlt Verkettung von Lust und Leid, freut sich an der Ursprünglichkeit dieser ersten Liebesfreuden. Einige Ausdrücke und manchmal das Versmaß sind nicht ganz passend, glaube ich.

LG gummibaum
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Alt 02.02.2013, 05:39   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von gummibaum Beitrag anzeigen
Einige Ausdrücke und manchmal das Versmaß sind nicht ganz passend, glaube ich.

LG gummibaum
Einige Ausdrücke sind auch meinem Sprachgebrauch fremd, aber das ändert nichts am Verständnis für den Text. Die Ambivalenz der Gefühle ist eindringlich beschrieben und für mich mühelos nachempfindbar.

Was das Versmaß angeht, gefällt mir außerordentlich, daß es sich gerade nicht an die strenge Steifheit hält, die manche Texte klingen lassen, als kämen sie frisch aus dem Leierkasten. Dieses Gedicht hier ist ein schönes Beispiel, daß es auch freier geht und trotzdem flüssig zu lesen ist.

LG
Ilka
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Alt 02.02.2013, 15:47   #4
männlich Wolfmozart
 
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Beiträge: 1.300

Also Thing, mit diesem poem hast du wieder einen Maßstab (für mich) gesetzt. Vor allem die erste Hälfte finde ich genial. Absolut poetisch in jedem Sinn.

Deine dichterische Vielfalt, in Form und Inhalt, bewudere ich (wie schon erwähnt).

Liebe Grüße

wolfmozart
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Alt 02.02.2013, 16:17   #5
Thing
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Beiträge: 34.998

Hallo gummibaum und Ilka-Maria -

ich schreibe oft ohne regelgerechte Metrik. Ich weiß, daß das nicht jedermanns Sache ist.

Hallo, wolfmozart -

hab ganz herzlichen Dank!

Liebe Grüße von
Thing


Übrigens:
Ich hätte das Gedicht auch Oscar nennen können.
Die 13. Zeile gibt darüber Aufschluß.
Aber "Wilde" fand ich schön doppeldeutig.
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Alt 02.02.2013, 19:36   #6
weiblich Daisy
 
Dabei seit: 10/2010
Beiträge: 922

Lieber Thing,

du hast ganz recht, "Wilde" ist tatsächlich wunderbar doppeldeutig, ebenso wie auch einige andere Passagen in diesem bemerkenswerten Gedicht.

Dass du oft ohne den Zwang der Metrik schreibst, macht für mich gerade den Reiz deiner Gedichte aus.

Liebe Grüße von
Daisy
Daisy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2013, 09:36   #7
Thing
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Beiträge: 34.998

Hallo, Daisy -

das freut mich sehr, daß Du sowohl das Gedicht als auch den Titel "lesenswert" findest.
Ich hab das allzu Direkte nicht so gerne, ich bin mehr für Dezenz, obwohl ich die hier etwas vernachlässigt habe.

Dass du oft ohne den Zwang der Metrik schreibst, macht für mich gerade den Reiz deiner Gedichte aus.

Jaja - aber aus diesem Grund kann ich auch keine Sonette schreiben, weil das Korsett zu eng ist.


Lieben Morgengruß
von
Thing
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Alt 04.02.2013, 20:13   #8
männlich Heinz
 
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Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Lieber Thing,
"ich schreibe oft ohne regelgerechte Metrik. Ich weiß, daß das nicht jedermanns Sache ist", schreibst Du. Dass Du solches tust, weiß ich ja inzwischen. Aber ist selbst ein Korsett nicht dazu da, eine gute zu einer formidablen Figur zu machen.
Deine Wilde - dieses Gedicht zähle ich zu eines Deiner besten. Vielleicht lässt Du Dich, ach bitte, lass Dich, überzeugen, dass minimale Änderungen Dein Gedicht nicht verunstalten. Meine Änderungsvorschläge habe ich fett gesetzt:

Ich fühlte mich von seinem Blick umflossen,
er war so jung und so geheimnisvoll;
so richtungslos war er, so unentschlossen
und ich, zum Grabensprung bereit, schon toll.

(Das Setzen der Punkte schließt mir die Verse zu sehr voneinander ab)

Er sprang zuerst. Ich, matt, mit zagen Schritten,
fand wartend ihn und fasste ihn und hielt den Arm,
der warm um meine Mitte sich dann schlang
- so weich, so warm -
und fragte tief in seine Augen ihn dann bang:

(Die Ausrufungszeichen widersprechen m.E. der Weichheit und Wärme dieses Augenblicks)

"Bist jemals Du vorher im Traum geritten?
Warst wirklich Du ein Reiter nächtelang?"

Aus seinen Augen traf mich süßer Spott,
als sei ich Narr und er ein junger Gott.
Er hieß mich sanft, mich auszustrecken,
mich ihm zu geben ohne lange Zier,
und sprach von Freuden, vom Erwecken.
Und zart lag er. Über oder unter mir?

(Eine sehr schöne Strophe!)

Ich harrte stumm der süßen Freuden,
die er mir zärtlich zugedacht,
so leichthin zwischen Kommen-Scheiden,
darüber wurd es Mitternacht.
Ich wusste nicht: Ist es Entzücken
oder Leiden,
Sehnsucht oder doch Verlangen?
Ah, wie unsre Blicke sich verschlangen!
Wir fragten nicht nach Haus, nach Hütte..
Piedestal wurde Strohes Schütte,

Lager ward uns frisches Holz. (ein Vers, der mich ein bisschen ratlos macht)
Leidenschaften steilten stolz, (evtl. ein Komma?)
wie je ein Stolz sich drohend zeigte, (evtl. ein Komma?)
oder demutsvoll sich neigte... (ich sehe die Doppelung des "sich")

zu einem sanften, zarten, süßen Kuß
auf Lippen, deren Überfluß
im Fließen neuen Fluß gebiert.
Feuer hat den Brand geschürt...

so brannt es tage-, nächtelang.
Erwachen? Ach, ich bin so bang.

Bitte verzeih meine Korinthenkackerei, sie schmälert nicht mein Chapeau!
Toll geschrieben und ganz wunderbar die vermittelte Stimmung.

Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.02.2013, 07:11   #9
Thing
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Beiträge: 34.998

Hallo, heinz -

Du seltener Gast!
Mit Deinen Anmerkungen liegst Du völlig richtig, aber Du weißt ja selbst, welche Bewandtnis es hier mit Korrekturen hat - das Procedere ist sehr umständlich.
So mögen sich die Leser an Deiner Fassung erfreuen.

Dank sei Dir für das Lob!

Freundlichen Gruß
von
Thing
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