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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 09.11.2014, 13:54   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Management 2014

Es handelt sich lange nicht mehr um Stunden,
nicht um Minuten und Zeitabschnitte,
auch nicht um reifende Arbeitsschritte,
sondern um kleingehackte Sekunden.

In jede dieser Bruchsekunden
gilt es, nach Kräften hineinzupacken
und wie im Rausch darin zu versacken:
Gutes Gehalt verbindet die Wunden.

Die Nacht wird zum Tag, der Tag wird zur Nacht:
Rund um die Uhr stehen Sklaven bereit,
die nichts mehr wissen von Leben und Zeit,
obwohl sie herrschen im Zeichen der Macht.

Die Zeit wird zur Hektik und macht kaputt.
Was soll’s? Das Studium soll sich doch lohnen!
Da kann sich niemand ein Stück weit schonen:
Mach die Augen zu und wühl dich durch Schutt!

Es geht nicht mehr um das Heute, das Morgen.
Feuer? Verglüht und längst ausgebrannt!
Die Seele, bis zum Zerreißen gespannt,
schluckt Pillen und vertagt ihre Sorgen.

09.11.2014
© Ilka-Maria
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Alt 10.11.2014, 00:36   #2
männlich Der Kontrahent
 
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Ja liebe Ilka-Maria, mit diesem Management hast du den Zeitgeist sehr gut und unverblümt auf den Punkt gebracht, zuviele Bäume zuwenig Wald du sprichst mir (leider) aus der Seele, besonders aussagekräftig ist das Ende "Die Seele, bis zum Zerreißen gespannt
schluckt Pillen und vertagt ihre Sorgen..."

Vielen Dank für diesen (für mich auch sehr inspirativen) Beitrag...grossartig

Gute Nacht
Stefan!
Der Kontrahent ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.11.2014, 16:28   #3
männlich Sylvester
 
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Gewinnmaximierung und (Zeit-)Aufwandsminimierung, das sind zwei Prinzipien, nach denen es oft in solchen Managementmaschinen zugeht.

Zitat:
Rund um die Uhr stehen Sklaven bereit,
die nichts mehr wissen von Leben und Zeit,
obwohl sie herrschen im Zeichen der Macht.
Wen Du hier als "Sklaven" [...] die "im Zeichen der Macht" herrschen siehst, wundere ich mich gerade. Sklaven können nicht herrschen, außer sie werfen das Joch ab und errichten eigene Herrschaften.

Zitat:
Die Seele, bis zum Zerreißen gespannt,
schluckt Pillen und vertagt ihre Sorgen.
Und das geht nur eine gewisse Weile gut, bis zum Abfall der Leistung. Und dann wird, wie auch immer, aussortiert.

Im Titel hättest Du das 2014 rausnehmen können, Der Text hat schon für frühere Zeiten Gültigkeit.

Gruß,

Sylvester
Sylvester ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.11.2014, 22:59   #4
männlich UdoFrentzen
 
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Standard Vielleicht so:

Nacht wird zum Tag, Tag wird zur Nacht,
Rund um die Uhr stehen Roboter bereit,
stempeln ein und aus Leben und Zeit
mit Logoschlips als Vertreter der Macht.
UdoFrentzen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.11.2014, 23:12   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Sylvester Beitrag anzeigen
Wen Du hier als "Sklaven" [...] die "im Zeichen der Macht" herrschen siehst, wundere ich mich gerade. Sklaven können nicht herrschen, außer sie werfen das Joch ab und errichten eigene Herrschaften.
Du hast "Sklaven" in Deinem Kommentar sehr richtig in Anführungszeichen gesetzt, Sylvester, denn im Jahr 2014 kann es sich - zumindest in unserem Land - nicht um die Sklaven der Baumwollfelder, Zuckerrohrplantagen und Kautschukwälder handeln. "Sklave" steht heute als Synonym für den Menschen, der sehr wohl über sein eigenes Geschick bestimmen kann, sich aber trotzdem einvernehmen lässt. Ich hatte diejenigen Leute im Auge, die per Handy für einen angestrebten Status rund um die Uhr erreichbar sein müssen oder wollen. Niemand anders als sie selbst zwingt sie dazu. Sie herrschen, weil sie Sklaverei mit sich selbst betreiben. Sie "beherrschen" sich, indem sie ihre wahren Bedürfnisse unterdrücken, um eine möglichst hohe Sprosse zu erreichen.

LG
Ilka
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.11.2014, 23:23   #6
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City, auf der richtigen Seite des Mains
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Zitat:
Zitat von UdoFrentzen Beitrag anzeigen
...
mit Logoschlips als Vertreter der Macht.
Du hast mich zum Lachen gebracht, Udo! Dein Vers hat mich an ein Foto der Belegschaft eines Werkzeugproduzenten im Rhein-Main-Gebiet erinnert: Alle Männer trugen feuerrote Krawatten. Es ist die Farbe des Firmenlogos.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.11.2014, 19:26   #7
männlich UdoFrentzen
 
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Dabei seit: 05/2008
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Ich laufe ja selber so rum.
Samstags habe ich einen 2 - Stunden Nebenjob bei einem örtlichen Fleisch- und Wurstwarenhersteller. Da ist weisse Dienstkleidung Pflicht, - natürlich mit Logo.
UdoFrentzen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.11.2014, 00:11   #8
männlich Ex-Larkin
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Beiträge: 573

Liebe Ilka-Maria,

ich hatte die angesprochene Strophe ganz anders interpretiert.

"Im Zeichen der Macht" herrschen hatte ich als Frage tatsächlicher Macht gedeutet. Wer, in der Gesellschaft, besitzt tatsächliche Macht? Die Massen oder eine Minderheit an der Spitze, im Parlament sitzend? Oft genug sprechen Philosophen und Geschichtsschreiber von der Erhebung gewisser Teile der Gesellschaft - diese Erhebungen (Revolutionen, wenn man will) fanden oft genug statt in Form von Arbeitsniederlegungen und dgl. m. Ohne Produktion kein Bourgeois, ohne Bauer kein Festmahl für den Fürsten, ohne Sklaven keine billigen Arbeitskräfte in Rom.

Und so hatte ich die Zeile "[...]herrschen im Zeichen der Macht" gedeutet als nicht gestellte Frage: Wer verfügt über die tatsächliche Kraft, die Gesellschaft umzuformen, oder zumindest die grassierenden Probleme zu bewältigen, beseitigen? Der, der auf Tonsäulen steht oder jener, der ihm erlaubt, auf dieser zu stehen?
Das Wort "Zeichen" hatte ich hier als "Definition" gelesen, also Macht per definitionem als den "Sklaven" zugehörig.

Das ist aber nur meine Interpretation. Man kann bestimmt auch zu viel "zwischen den Zeilen lesen", nur hatte ich dein Gedicht als Protest verstanden. Wie auch immer, mir gefällt's!

Liebe Grüße,
Konstantin
Ex-Larkin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.11.2014, 23:41   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Larkin Beitrag anzeigen
Man kann bestimmt auch zu viel "zwischen den Zeilen lesen", nur hatte ich dein Gedicht als Protest verstanden. Wie auch immer, mir gefällt's!

Liebe Grüße,
Konstantin
Lieber Konstantin,

sicher hast Du viele Interpretationsmöglichkeiten, denn das Wort "beherrschen" hat viele Synonyme. Es kann auch schlicht und einfach "leben", "existieren", "agieren" bedeuten. Da es in der kapitalistisch-demokratischen Welt keine Sklaverei mehr gibt, wie wir sie u.a. aus der Antike, dem Feudalismus und dem Imperialismus kennen, kann es sich nur um eine andere, ambivalente Form der Versklavung handeln, die in meinem Gedicht angesprochen wird.

Ich will mal an einem Beispiel zeigen, was ich meine:

Mein Boss herrscht als Partner über seinen Bereich und über sein Team, das ist unbestritten. Er hat Durchsetzungskraft, kann ohne Scheu Anweisungen geben und steht als Führungskraft außerhalb jeden Zweifels.

Aufgrund seiner hervorragenden Fachkenntnisse ist er sehr gefragt, wird von Kollegen, Mandantschaft und Juristenfreunden rund um die Uhr um Rat und Unterstützung gebeten. Er flitzt von einem Meeting ins nächste, das Handy immer parat, und wenn er in seinem Büro sitzt, jagt eine Telefonkonferenz die nächste. Der "Lunch" ist in den meisten Fällen ein Arbeitsessen zwecks Kontaktpflege. Freiräume kann er sich nur durch ein striktes Zeitmangement hier und da verschaffen. Im Urlaub, der maximal zwei Wochen am Stück dauert, ist das Handy immer dabei, um für die Kanzlei erreichbar zu sein.

Wer gut im Job ist und Karriere macht, herrscht - erst im Kleinen und vielleicht mal an der Spitze -, aber er ist auch ein Sklave seiner Verantwortung, seines guten Rufs, der Repräsentation des Unternehmens, der Poduktqualität und des unerbittlichen Konkurrenzkampfs zwischen den verschiedenen Bereichen einer Wirtschaftskanzlei. Denn wer die besten und größten Mandate bekommt, rechnet am meisten ab und bekommt den größten Bonus.

Kein Mensch ist völlig frei, sondern jeder Mensch fällt an einem Punkt seines Lebens eine Entscheidung, an die er gefesselt ist, bis er sich (vielleicht) davon befreit und eine neue Entscheidung trifft, die ihm neue Fesseln anlegt. Oder anders ausgedrückt: Wer sich für einen Fluss entschieden hat und hineingsprungen ist, der muss schwimmen.

Liebe Grüße an Dich zurück,
Ilka
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