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Alt 23.06.2007, 12:57   #1
twilights
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 17


Standard Ein Wintermärchen

Sie öffnete ihre schmerzenden Augen. Ein eisiger Schauder durchfuhr ihren Körper. Alles, was sie spürte war die grausame Kälte um sie herum und die quälende Leere in ihrem Körper. Sie begann sich umzusehen und erkannte verschwommene Umrisse von kahlen, schneebedeckten Bäumen, die den Schneeweißen Waldweg unter ihr umringten. Die einzige Lichtquelle war das Leuchten des Vollmondes, welches sich im frischen Schnee spiegelte.
Zitternd versuchte sie sich aufzurichten, doch fiel wieder zurück in den Schnee. Sie war zu schwach um aufzustehen. Und so, legte sie sich wieder in den Schnee und schloss ihre Augen.
Du hast dich selbst in diese Lage gebracht, jetzt bring dich auch wieder hinaus und steh auf! Die anderen können nichts dafür, wenn du zu feige bist um zu Ende zu bringen was du angefangen hast.
So öffnete sie ihre Augen und befand sich wieder in der kalten, schmerzenden Realität. Zaghaft richtete sie sich auf die Knie und stütze sich mit ihren Händen ab, bis sie Halt an einer jungen Buche fand und sich an ihr hochzog.
Dunkles Blut lief aus ihrem Mundwinkel an ihrem Gesicht entlang, bis es sich in ihrem Dekolte verbarg. Sie leckte sich die Lippen, spuckte das Blut in den unberührten Schnee und sah auf.
Sie atmete tief durch und begann langsam los zu laufen. Sie schwankte von einem Baum zum anderen, verlor ihr Gleichgewicht und brach wieder auf dem Boden zusammen. Weinend schlug sie ihre geballten Fäuste auf den kalten Boden und schrie. Jedoch kam nicht ein Laut aus ihrer Kehle.
Ihr Kopf schmerzte von den Bildern, die sie immer wieder heimsuchten. Das schmerzverzerrte Gesicht eines Freundes, der sich vor ihren Augen eine Waffe an die Schlefe hielt und seine leeren Augen, die sie so verzweifelt anstarrten bevor er abdrückte.
Dieser Mann, der sie benutzte, wie einen Gegenstand, und sich ihrer dann angewidert entledigte.
Das grausame Gelächter des Mannes, an den sie ihr Herz verlor und der dieses lächelnd in tausend Stücke riss.
Und mit dieser Stimme in ihrem Kopf, die ihr immer wieder sagte, sie solle all dem ein Ende setzen.

Sie kroch auf dem Boden. Stellte sich auf und brach doch wieder zusammen. So schleppte sie sich weiter, immer mit dem Gedanken im Kopf, dass dies niemanden kümmert. Auch wenn sie wusste, dass dies nicht stimmte. Jedoch verdrängte sie die Gedanken an die Menschen, denen sie etwas bedeutete. Denn auch noch die Bilder derer, die allein ihretwegen, verzweifelt in Tränen ausbrechen, wären zu viel.
Sie hielt ein, öffnete die Augen, richtete ihren Kopf hoch, blickte zum Mond und stand auf. Sie schwankte, aber sie stand. Und so taumelte sie weiter um die Bäume und durch die Bilder, die sie nicht mehr los ließen.

Sie achtete nicht darauf, wohin sie lief. Sie bewegte sich fast maschinell, nur der Stimme folgend, die vorgab ihr den richtigen Weg zu weisen.
Heiße Tränen liefen ihre Wangen entlang. Und endlich erreichte sie ihr Ziel.
Sie stand vor einem See, welcher eine in eine Eisschicht umhüllt war, die zur Mitte hin dünner zu werden schien. Der silberne Schein des Vollmondes spiegelte sich im Eis. Er schien mit den Schatten der, vom Wind schwingenden Bäume zu tanzen um sie in ihrer Welt willkommen zu heißen.
Sie fühlte, wie ihre Kräfte zurückkehrten und sie begann langsam auf den See hinzu zu schreiten. Sie näherte sich zaghaft dem Abbild des Vollmondes und trat den ersten Schritt auf das Eis.
Es knirschte, zog Risse unter ihren Füßen, doch trotz allem, war dies der erste Moment seit langer Zeit in dem sie keine Angst hatte. Sie ging weiter, ihre Augen nur auf den Spiegel des Mondes gerichtet.
Nun hielt sie ein. Um noch ein letztes Mal in den Himmel zu sehen. Zu den Sternen, die sie in früher Kindheit immer wieder versuchte zu zählen. Den Wolken, die so oft den Blick auf den Mond verschleiern und letztendlich zum Vollmond, der sie so faszinierte und an den sie schon so viele Tränen verloren hatte.
Sie senkte ihren Kopf wieder auf das Eis und atmete tief ein.
Ein letztes Lächeln trat über ihre Lippen. Dann setzte den letzten Schritt auf das Eis und brach ein.

~Twilights 12/06~
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