neugoethisch bei Poetry.de

gummibaum · 01.04.2011, 01:29

Die Glocke hat mächtig
zwölf Schlag lang gebebt,
da wird plötzlich nächtig
der Kirchhof belebt.

Die Gräber stehn offen,
Skelette sich drehn,
Im Takt klappern Knochen,
die Kittelchen wehn.

Doch Hemdelein lähmen,
so wirft man sie ab,
verlernt ist das Schämen,
seitdem man im Grab.

Der Türmer im Mondschein
Sieht’s köstlich berührt,
da fällt ihm als Spaß ein:
ein Hemd wird entführt...

Der Tanz ist vorüber,
sie huschen ins Grab,
nur einer bleibt über,
der sucht alles ab.

Verdammnis dem Frechen!
Er riecht auf dem Turm
sein Hemd, und zu rächen
klimmt aufwärts der Wurm.

Der Türmer, die Klippe
zum Tode schon fühlt.--
Da stürzt das Gerippe.
Vom Eins-Gong zerbrüllt.

Ex-Schamanski · 01.04.2011, 02:15

Gar nicht einmal schlecht, aber am Original gibt es doch wohl nichts zu bekritteln.
Was motiviert Dich zu dieser Nachdichtung? Eine offene Frage, unvergiftet und neugierig.

Ex-Odiumediae · 01.04.2011, 02:23

Ich schließe mich Schamanskys Meinung an. Mich würde aber ebenfalls der Grund für die Entscheidung zur Neudichtung interessieren.

gummibaum · 01.04.2011, 06:51

Hallo, ihr beiden,
dank euch für die Antwort. Nun zur Frage. Ich habe als Schüler 3 mal auf Vorlese-Wettbewerben in Klasse 5 - 7 Goethe-Balladen (Zauberlehrling, Erlkönig, Totentanz) aufgesagt. Ist also geistiges Inventar. Wie man sein Zimmer umräumt, geht es mir manchmal damit. Goethe hätte ich auch gern persönlich gekannt. Vielen seiner Zeitgenossen ging es ja so. Ihn ein Stück weit kennenzulernen, ist möglich, übrigens bei jedem Menschen, wenn man an seinen geistigen Erzeugnissen versucht, angemessene Veänderungen vorzunehmen. Wie beim Schachspielen ahnt man schließlich den nächsten Zug eines vertrauten Gegners. In diesem Fall eines überlegenen, was mir lieber als umgekehrt.

LG gummibaum

Ex-Odiumediae · 01.04.2011, 09:39

Das ist eine interessante Sichtweise. Daran muss ich mich auch einmal versuchen.

Ex-Schamanski · 01.04.2011, 15:03

Ich weiß nicht, verbessern kann man am Goethe nichts mehr und verändern sollte man lieber nichts. Als Sparringpartner ist er auch ein paar Nummern zu groß.

Aber: als Muster und Orientierung ist er sicher keine schlechte Wahl, und der Versuch einer Nachdichtung ist vielleicht nicht die schlechteste Methode, seine eigenen Fähigkeiten zu schulen und zu entwickeln.

01.04.2011, 01:29	#1
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	neugoethisch Die Glocke hat mächtig zwölf Schlag lang gebebt, da wird plötzlich nächtig der Kirchhof belebt. Die Gräber stehn offen, Skelette sich drehn, Im Takt klappern Knochen, die Kittelchen wehn. Doch Hemdelein lähmen, so wirft man sie ab, verlernt ist das Schämen, seitdem man im Grab. Der Türmer im Mondschein Sieht’s köstlich berührt, da fällt ihm als Spaß ein: ein Hemd wird entführt... Der Tanz ist vorüber, sie huschen ins Grab, nur einer bleibt über, der sucht alles ab. Verdammnis dem Frechen! Er riecht auf dem Turm sein Hemd, und zu rächen klimmt aufwärts der Wurm. Der Türmer, die Klippe zum Tode schon fühlt.-- Da stürzt das Gerippe. Vom Eins-Gong zerbrüllt.

01.04.2011, 02:15	#2
Ex-Schamanski abgemeldet Dabei seit: 12/2010 Beiträge: 2.884 Meine Gedichte	Gar nicht einmal schlecht, aber am Original gibt es doch wohl nichts zu bekritteln. Was motiviert Dich zu dieser Nachdichtung? Eine offene Frage, unvergiftet und neugierig.

01.04.2011, 02:23	#3
Ex-Odiumediae abgemeldet Dabei seit: 07/2010 Beiträge: 1.151 Meine Gedichte	Ich schließe mich Schamanskys Meinung an. Mich würde aber ebenfalls der Grund für die Entscheidung zur Neudichtung interessieren.

01.04.2011, 06:51	#4
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	Hallo, ihr beiden, dank euch für die Antwort. Nun zur Frage. Ich habe als Schüler 3 mal auf Vorlese-Wettbewerben in Klasse 5 - 7 Goethe-Balladen (Zauberlehrling, Erlkönig, Totentanz) aufgesagt. Ist also geistiges Inventar. Wie man sein Zimmer umräumt, geht es mir manchmal damit. Goethe hätte ich auch gern persönlich gekannt. Vielen seiner Zeitgenossen ging es ja so. Ihn ein Stück weit kennenzulernen, ist möglich, übrigens bei jedem Menschen, wenn man an seinen geistigen Erzeugnissen versucht, angemessene Veänderungen vorzunehmen. Wie beim Schachspielen ahnt man schließlich den nächsten Zug eines vertrauten Gegners. In diesem Fall eines überlegenen, was mir lieber als umgekehrt. LG gummibaum

01.04.2011, 09:39	#5
Ex-Odiumediae abgemeldet Dabei seit: 07/2010 Beiträge: 1.151 Meine Gedichte	Das ist eine interessante Sichtweise. Daran muss ich mich auch einmal versuchen.

01.04.2011, 15:03	#6
Ex-Schamanski abgemeldet Dabei seit: 12/2010 Beiträge: 2.884 Meine Gedichte	Ich weiß nicht, verbessern kann man am Goethe nichts mehr und verändern sollte man lieber nichts. Als Sparringpartner ist er auch ein paar Nummern zu groß. Aber: als Muster und Orientierung ist er sicher keine schlechte Wahl, und der Versuch einer Nachdichtung ist vielleicht nicht die schlechteste Methode, seine eigenen Fähigkeiten zu schulen und zu entwickeln.