Du, Schmerz bei Poetry.de

Thing · 15.05.2011, 21:53

Sei Du, Schmerz, mir der Freund der andren Art!
Nie taucht' ich tiefer denn an Deiner Seite.
Du allein gabst mir den Blick auf Jenseitsweite,
in der nicht "weich" gilt und nicht "hart".

Sei Du gerufen als ein weiser Mahner,
der allzu Irdischem die Grenze setzt,
das wahre Innere nicht tief verletzt
als Größerer, als Lebensbahner.

Hilf mir, als Eigner zu bestehen
im Heute, das im Nichts versinken will
und laß mich darin nicht so wortlos still
wie Ungeläutertes vergehen.

Sei mir ein Pfeil, der endlich trifft
ins wirklich dunkle letzte Sein,
das ohne Harm und ohne Pein
vollendet seine eigne Schrift.

gewidmet Ch. Morgenstern

gummibaum · 15.05.2011, 22:45

Lieber Thing,

bevor ich auf das Gedicht zu sprechen komme, möchte ich sagen, dass mich die schwierige Situation des lyrischen Ichs berührt.

Das Gedicht ist in seiner Aussage sehr wertvoll.

Den Schmerz für seine tiefen Offenbarungen zu achten, ist gewiss kein leichter, aber ein richtiger Weg. Inwieweit nun das "wahre Innere" davon geschliffen wird, ist sicher verschieden. Es kann ein "läuterndes", wie du sagst, aber auch ein erodierendes Schleifen sein. Eine gewisse Lebenserfahrung, eine Übung im Schmerz-Ertragen, hilft gewiss gegen letzteres.

Der dritte Vers der 1. Strophe scheint mir eine Silbe zu lang. Vorschlag: "Nur du gabst..." (falls das "allein" nicht zu wertvoll ist).
Die Verse 3 und 4 der letzten Strophe finde ich unklar. Wenn der Pfeil trifft, ist doch "Pein" die Folge. Wieso "ohne Pein"?

LG gummibaum

Thing · 16.05.2011, 07:47

Halli Hallo, Gummibaum -

hab Dank für den reizenden Kommentar!
Über den Silbenüberreichtum der 3. Zeile denke ich noch einmal nach.

Das wirklich letzte Sein sind Tod und Jenseits. Die stelle ich mir ohne Harm und Pein vor.
Aber ich habe mich hier wohl mißverständlich artikuliert.

LG!
Thing

Thing · 16.05.2011, 10:23

Lieber Risiko,

Deine klugen Augen sind beneidenswert.
Ich werde die Zeilen umformulieren und poetry um eine Änderung bitten.
Manchmal scheine ich vernagelt zu sein. Aber im Moment des Schreibens habe ich oft eine ausufernde Metrik im Kopf, in den Ohren (im Herzen).

Hab Dank

von
Thing!

Thing · 16.05.2011, 20:41

Lieber Risiko -

Du tust mir wohler als ein Kräuterbad!

Danke
von
Thing

Fridolin · 20.05.2011, 14:11

Lieber Thing,

ich finde es sehr schön, dass du dieses Gedicht dem Gedächtnis an Christian Morgenstern widmest, der leider gewöhnlich, auch von mir, auf seine grotesken Gedichte reduziert wird, worüber seine ernsten, auch von einer tiefen Frömmigkeit getragenen, Werke oft vergessen werden. Dein Gedicht nimmt diese, ernste Seite Morgensterns auf und wirkt auf mich sehr berührend.

Leider habe ich Morgensterns 140. Geburtstag am 06. Mai verpasst, der mir Gelegenheit gegeben hätte, meinerseits an Morgenstern zu erinnern. Ich will das in einem eigenen Faden nachholen, dort aber ein Gedicht von der grotesken Sorte einstellen.

LG Fridolin

Thing · 20.05.2011, 18:19

Lieber Fridolin,

ich mag 15 oder 16 Jahre alt gewesen sein, als ich sein Gedicht
"Dich ruf ich, Schmerz" erstmals las.
Es hat mich seitdem nie wieder verlassen.
Ich habe es - ohne es bewußt zu wollen - auswendig gelernt und die tiefe Wahrheit darin entdeckt.
Sie hat mein Leben begleitet.

Hab ganz lieben Dank für Deinen Kommentar!

Natürlich liebe ich auch den Schrull!

Thing

15.05.2011, 21:53	#1
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Du, Schmerz Sei Du, Schmerz, mir der Freund der andren Art! Nie taucht' ich tiefer denn an Deiner Seite. Du allein gabst mir den Blick auf Jenseitsweite, in der nicht "weich" gilt und nicht "hart". Sei Du gerufen als ein weiser Mahner, der allzu Irdischem die Grenze setzt, das wahre Innere nicht tief verletzt als Größerer, als Lebensbahner. Hilf mir, als Eigner zu bestehen im Heute, das im Nichts versinken will und laß mich darin nicht so wortlos still wie Ungeläutertes vergehen. Sei mir ein Pfeil, der endlich trifft ins wirklich dunkle letzte Sein, das ohne Harm und ohne Pein vollendet seine eigne Schrift. gewidmet Ch. Morgenstern

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15.05.2011, 22:45	#2
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	Lieber Thing, bevor ich auf das Gedicht zu sprechen komme, möchte ich sagen, dass mich die schwierige Situation des lyrischen Ichs berührt. Das Gedicht ist in seiner Aussage sehr wertvoll. Den Schmerz für seine tiefen Offenbarungen zu achten, ist gewiss kein leichter, aber ein richtiger Weg. Inwieweit nun das "wahre Innere" davon geschliffen wird, ist sicher verschieden. Es kann ein "läuterndes", wie du sagst, aber auch ein erodierendes Schleifen sein. Eine gewisse Lebenserfahrung, eine Übung im Schmerz-Ertragen, hilft gewiss gegen letzteres. Der dritte Vers der 1. Strophe scheint mir eine Silbe zu lang. Vorschlag: "Nur du gabst..." (falls das "allein" nicht zu wertvoll ist). Die Verse 3 und 4 der letzten Strophe finde ich unklar. Wenn der Pfeil trifft, ist doch "Pein" die Folge. Wieso "ohne Pein"? LG gummibaum

16.05.2011, 07:47	#3
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Halli Hallo, Gummibaum - hab Dank für den reizenden Kommentar! Über den Silbenüberreichtum der 3. Zeile denke ich noch einmal nach. Das wirklich letzte Sein sind Tod und Jenseits. Die stelle ich mir ohne Harm und Pein vor. Aber ich habe mich hier wohl mißverständlich artikuliert. LG! Thing

16.05.2011, 10:23	#4
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber Risiko, Deine klugen Augen sind beneidenswert. Ich werde die Zeilen umformulieren und poetry um eine Änderung bitten. Manchmal scheine ich vernagelt zu sein. Aber im Moment des Schreibens habe ich oft eine ausufernde Metrik im Kopf, in den Ohren (im Herzen). Hab Dank von Thing!

16.05.2011, 20:41	#5
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber Risiko - Du tust mir wohler als ein Kräuterbad! Danke von Thing

20.05.2011, 14:11	#6
Fridolin Dabei seit: 04/2010 Beiträge: 1.026 Meine Gedichte	Lieber Thing, ich finde es sehr schön, dass du dieses Gedicht dem Gedächtnis an Christian Morgenstern widmest, der leider gewöhnlich, auch von mir, auf seine grotesken Gedichte reduziert wird, worüber seine ernsten, auch von einer tiefen Frömmigkeit getragenen, Werke oft vergessen werden. Dein Gedicht nimmt diese, ernste Seite Morgensterns auf und wirkt auf mich sehr berührend. Leider habe ich Morgensterns 140. Geburtstag am 06. Mai verpasst, der mir Gelegenheit gegeben hätte, meinerseits an Morgenstern zu erinnern. Ich will das in einem eigenen Faden nachholen, dort aber ein Gedicht von der grotesken Sorte einstellen. LG Fridolin

20.05.2011, 18:19	#7
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber Fridolin, ich mag 15 oder 16 Jahre alt gewesen sein, als ich sein Gedicht "Dich ruf ich, Schmerz" erstmals las. Es hat mich seitdem nie wieder verlassen. Ich habe es - ohne es bewußt zu wollen - auswendig gelernt und die tiefe Wahrheit darin entdeckt. Sie hat mein Leben begleitet. Hab ganz lieben Dank für Deinen Kommentar! Natürlich liebe ich auch den Schrull! Thing