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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 26.09.2012, 22:34   #1
weiblich Rosenblüte
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Standard Gutmensch

Der Mensch, er sei edel, hilfreich und gut!
Den Spruch schrieb mir einst meine Mutter Ruth
mit zierlichen Buchstaben ins Album
und malte ein strahlendes Herz drum rum.

Die Worte bewahrte ich sorgsam auf
auf meinem verschlungenen Lebenslauf,
auf wackligem Steg, über Stock und Stein.
Sie sollten mir stets Licht im Dunkel sein.

Du Gutmensch, so schimpft mich heute die Greti
und höhnisch nennt man mich sogar einen Blödi,
denn Krethi und Plethi, sie wissen’s ja nun,
nach Gutem zu streben ist nicht opportun.

Der Zeitgeist, er ist mir ein böser Geist,
der alles mit sich in den Abgrund reißt.
Will lieber auch weiterhin Gutmensch sein
als mit all den Wölfen im Chor zu schrein.
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Alt 26.09.2012, 22:49   #2
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Will lieber auch weiterhin Gutmensch sein
als mit all den Wölfen im Chor zu schrein.
Sorry, Rosenblüte, aber genau das sind Gutmenschen: Rudeltiere.
Sie zünden Kerzen und bilden händchenhaltend Lichterketten - fehlt nur noch, daß sie den Mond anheulen.

Es ist ja so viel einfacher, an Gutes zu denken als Gutes zu tun. Es ist einfach (und heuchlerisch), bei gegenseitigem Händedruck sich einzuflüstern: Ich hätte ja mehr getan, wenn ...

Ja, wenn was ....?

Na ja, immerhin brennt pro Nase ein Kerzchen, und man hat sich mal wieder an der Hand und so richtig lieb gehabt.

Nur hat dies die Welt um kein Grad verändert. Und solange Kerzen angezündet und Händchenketten gebildet werden, wird an der Welt auch nichts verändert.

Zumal dieses Händchenhalten nicht für jeden Fall inszeniert wird, sondern nur punktuell, sozusagen für eine Auslese.
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Alt 26.09.2012, 22:59   #3
weiblich Rosenblüte
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Hallo Ilka,

nein, genau das macht eben nicht einen guten Menschen aus: sich zurückzuziehen, die Hände in den Schoß zu legen, bestenfalls eine Kerze anzuzünden und das war's.

Ein guter Mensch ist kein Egoist, sondern ein Altruist. Er hilft den Anderen, mischt sich ein, tut seinen Teil dazu, damit die Welt besser wird.

Naja, ich versuche jedenfalls, nach diesem Ideal zu streben. Das gelingt nicht immer, denn ich bin ja kein Engel. Doch sind mir meine Eltern Vorbilder, die die Menschen und die Tiere liebten.

Das mag altmodisch klingen. Goethe und Schiller lebten halt in einer anderen Zeit. Und trotzdem bin ich überzeugt, dass sich ihre Ideen nicht überlebt haben. Moden hingegen sind einem ständigen Wechsel unterworfen.

Lieben Gruß
Rosenblüte
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Alt 27.09.2012, 00:27   #4
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Rosenblüte Beitrag anzeigen
Ein guter Mensch ist kein Egoist, sondern ein Altruist. Er hilft den Anderen, mischt sich ein, tut seinen Teil dazu, damit die Welt besser wird.
"Altruisten" helfen nur sich selbst. Da hat sich von Ghandi bis Mutter Theresia nicht viel geändert.
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Alt 27.09.2012, 09:17   #5
weiblich Persephone
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
"Altruisten" helfen nur sich selbst. Da hat sich von Ghandi bis Mutter Theresia nicht viel geändert.
Womit wir wieder bei einem anderen Thema wären.

Rosenblüte, Du weißst selbst am besten, dass DU diejenige bist, die Recht hat- auch wir hatten das Thema schon mal.

Abgesehen davon ist das Gedicht so schön wie alle, die ich von Dir kenne.

LG

Persephone
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Alt 27.09.2012, 09:31   #6
weiblich Ex-Nitribitto
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Beiträge: 407

Standard Gutmensch

Rosenblüte, von Kindesbeinen an wurde uns eingeprägt: Werde ein guter Mensch, werde nicht so wie dieser oder jener. Wobei das christliche Ethos da sehr mit hineinspielt. Das Kind nahm sich brav vor, ein guter Mensch zu werden. Bald aber merkte es, dass es sehr schnell auf der Verliererseite stehen würde, wenn es weiter den Lehren der Eltern und der Kirche folgen würde. Und also zwackte es täglich ein Stückchen vom Gutsein ab, und am Ende, als es erwachsen war, unterschied es sich nicht mehr von diesem und jenem, vor denen es gewarnt worden war. Das Leben ist eben anders als die Theorie vom Leben.

Der "Gutmensch", der zumeist aus bürgerlich-liberalen Verhältnissen kommt, dient heute als politische Vogelscheuche, nämlich denen, die die Schwelle vom sogenannten Gutsein zum Gegenteil bereits überschritten haben und ihren Platz eher im reaktionären Umfeld verankert sehen und sich gerade über die Erfolglosigkeit des "Gutmenschen" amüsieren. Sie zäumen sich an Äußerlichkeiten auf, reden was von Altruismus versus Egoismus, womit "Gutsein" aber überhaupt nichts zu tun hat, sondern damit, dass man weiß, wer man ist und was man will. Denn erst dann, wenn man weiß, wer man ist und was man will, begreift man auch seine Rolle in der Welt und verhält sich entsprechend. Mit Altruismus oder Egoismus hat "Gutsein" überhaupt nichts zu tun, und wenn, dann dient es nur als Ersatz für etwas ganz anderes. Offen bleibt allerdings die Frage: Was ist gut, was ist schlecht - für mich?

Nitribitto
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Alt 27.09.2012, 09:52   #7
Thing
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Zitat:
Zitat von Nitribitto Beitrag anzeigen
Rosenblüte, von Kindesbeinen an wurde uns eingeprägt: Werde ein guter Mensch, werde nicht so wie dieser oder jener. Wobei das christliche Ethos da sehr mit hineinspielt. Das Kind nahm sich brav vor, ein guter Mensch zu werden. Bald aber merkte es, dass es sehr schnell auf der Verliererseite stehen würde, wenn es weiter den Lehren der Eltern und der Kirche folgen würde. Und also zwackte es täglich ein Stückchen vom Gutsein ab, und am Ende, als es erwachsen war, unterschied es sich nicht mehr von diesem und jenem, vor denen es gewarnt worden war. Das Leben ist eben anders als die Theorie vom Leben.


Nitribitto
Diese Verallgemeinerung ist ja ekelhaft!
Du kannst doch nicht immer von Dir auf Andre schließen!
Wäre es so, gäbe es weder

Eine freiwillige Feuerwehr
Eine Tafel für Hungrige
Kinderschutzbund
Rotes Kreuz
Ehrenamtliche Seelsorger
Unterbezahlte Altenpfler/innen
Tierschützer
Ärzte ohne Grenzen
Bahnhofsmissionen
Spenden für egal was
SOS-Kinderdörfer

etc pp
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Alt 27.09.2012, 09:53   #8
männlich Desperado
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
"Altruisten" helfen nur sich selbst. Da hat sich von Ghandi bis Mutter Theresia nicht viel geändert.
Na, Du musst es ja wissen...
Oh mann, der Ausredenkatalog eigener Passivität füllt alle Telefonbücher der Welt.

Tolles Gedicht, Rosenblüte, aufrichtig, trocken und klar. Und trotzdem hoffnungsvoll und entschieden, mit gesundem Zorn durchwirkt, so weit weg von profilneurotischen "Weltverbesserern" wie irgend geht, davon gibt's ohnehin nur ein paar wenige, und auch die richten keinen Schaden an.

Am besten gefallen mir die Zeilen:
Der Zeitgeist, er ist mir ein böser Geist,
der alles mit sich in den Abgrund reißt.


So ist es und keinen Deut anders, und wer die Augen davor verschließt, der hätte sie auch in den Dreißigern des letzten Jahrhunderts verschlossen, so einfach ist das.

Solidarischen Gruß
Desperado
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Alt 27.09.2012, 09:56   #9
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Hallo Rosenblüte,

mit Deinem Gedicht hast Du ein Manifest des Trotzes geschaffen gegen den Trend des Abkanzelns von sogenannten "Weltverbesserern", Menschen die sich in guter Absicht engagieren wollen.

Stilistisch habe ich einige Bedenken bei dem Text, ich finde einige der von Dir verwendeten Reime etwas platt:

Zitat:
Zitat von Rosenblüte
edel, hilfreich und gut!
einst meine Mutter Ruth
...
Album
drum rum
...
Greti
Blödi
Der Inhalt ist mir da um vieles sympathischer.

Mir fallen da zwei Sprüche ein: "Tue Gutes und rede darüber" (was wohl dem entspricht, was Ilka-Maria kritisiert, denn hier geht es oft nur um die eigene PR) und (was ich in den 80ern in das Poesie-Album einer Mitschülerin schrieb) "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" von Erich Kästner. Ich glaube darum geht es, einfach etwas positives zu machen auch mit der Bereitschaft, dafür auf Beifall zu verzichten.

Im übrigen ist der Begriff Gutmensch (was ich selbst nicht wusste) wohl ein Kampfbegriff aus der politischen Rhetorik, ein Werkzeug, Andersdenkende als naiv und übertrieben moralisierend zu diffamieren. Hierzu aus Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch

Mag die Welt auch zu einem großen Teil aus Egoisten bestehen, ich bin guter Hoffnung dass es stets auch Menschen geben wird, die etwas positives Bewirken, um der Sache Willen, nicht der eigenen Sache, wohlgemerkt.

Gruß,
SC
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Alt 27.09.2012, 09:58   #10
männlich Martand
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Hi,

vielleicht ist mit "Wölfen" nicht der Gutmensch, sondern dessen Kritiker gemeint, der auch dann laut "schreit", wenn er keinen Mitläufer darstellt.

Das Gedicht macht einen soliden Eindruck, nur mag ich, wie von mir wahrscheinlich schon hinreichend bekannt ist, nicht das Übernehmen von sehr bekannten Versen oder Sätzen (in dem Fall gleich in der ersten Strophe).

LG
M.
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Alt 27.09.2012, 10:00   #11
Thing
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Mit einem Goethe-Zitat zu beginnen -
warum nicht?
Es wurde oft genug in Poesiealben geschrieben, ohne daß der Schreiber das bewußt so gemeint hat.
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Alt 27.09.2012, 10:07   #12
männlich Martand
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Ich kann das auch nicht so recht begründen; es schmeckt mir nicht.
Kunst soll ja allgemein etwas Neues schaffen, und ein Goethe-Zitat..

im Übrigen sticht so etwas nicht aus der weiten Menge der Gedichte heraus.
Passagen alter Gedichte zu übernehmen wirkt auf mich eher langweilig und ermüdend.

Geschmackssache...
Martand ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.09.2012, 13:40   #13
weiblich die
 
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mir gefällt dein gedicht und besonders das gedankengut des inhaltes,
die

edel sei der mensch, hilfreich und gut ! jawoll !!
die ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.09.2012, 13:42   #14
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von die Beitrag anzeigen
edel sei der mensch, hilfreich und gut ! jawoll !!
Tja, wenn sich nur der Dichter selbst daran gehalten hätte!
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.09.2012, 18:06   #15
weiblich Rosenblüte
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Hallo ihr Lieben,

erst mal vielen Dank für euer Lob und für die rege Diskussion. Muss leider gleich wieder los und fasse mich deshalb kurz.

Es ist richtig, "Gutmensch" ist zum Kampfbegriff geworden, wie jeder, der Sylvesters Wikipedia-Link anklickt, nachlesen kann.

Wer darüber hinaus im Internet stöbert und, so wie ich, auch des öfteren auf den Seiten der rechten Szene oder in Online-Zeitungen, in denen diese Szene eifrig mitdiskutiert, dem wird nicht verborgen bleiben, dass dieser Kampfbegriff gerade von jenen Leuten gerne benutzt wird, um Andersdenkende abzuqualifizieren, die für Demokratie, Menschenrechte und Völkerverständigung eintreten.

Demokratie, Menschenrechte, Völkerverständigung, Humanität - das würde ich für meinen Teil als "gut" definieren. Ja, Nitribitt, man könnte es auch mit dem christlichen Terminus "Nächstenliebe" umschreiben.

Mit den Wölfen meine ich die Menschen mit dem Willen zur Macht, die laut schreiend auf das Recht des Stärkeren pochen. Die vierbeinigen Wölfe mögen es mir verzeihen, dass ich dieses Bild gebraucht habe.

Zitat:
Das Gedicht macht einen soliden Eindruck, nur mag ich, wie von mir wahrscheinlich schon hinreichend bekannt ist, nicht das Übernehmen von sehr bekannten Versen oder Sätzen (in dem Fall gleich in der ersten Strophe).
Lieber Martand, diese Zeilen sind real und vielleicht deshalb auch etwas ungeschickt in Verse gefasst. Als ich als Kind ein Poesiealbum bekam, schrieb mir meine Mutter gleich den Satz von Goethe hinein: "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut." Dazu hatte sie eine Herz-Schablone ausgeschnitten, mit Bleistift umrandet, sie über den Text gelegt und verwischt, so dass das Herz zu "strahlen" begann. So nahm alles seinen Anfang und deshalb gehört es auch an den Anfang des Gedichts.

Liebe Grüße
Rosenblüte
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