An den erstarrten Ufern des Bodensees

[nurdean]

Eisig kalt streicht ein rauher Wind über meine Wangen,
wie deine zarten Lippen, nach denen die meinen lange schon bangen.
Kalte Freiheit und weisser Friede, Liebe, die vergangen.
Hier draussen stehe ich in Schnee und Wind - und fühl mich doch gefangen?

An den erstarrten Ufern des Bodensees gehe ich entlang und mache meine Runde,
sehe die Kinder spielen und die Alten mit ihren Stöcken und die Jungen mit ihren Hunden.
Eisschollen schwimmen auf den Wellen und Schnee bedeckt das Land.
Möwen, auf der Suche nach dem, was einst darunter verschwand.

An diesen kalten Ufern, hier im Schnee, ja, hier dünkt's mich wohl, hier will ich sein.
So kämpfe ich tapfer gegen diese Kälte und betrachte dabei das glitzernde Eis im Sonnenschein.

Zur gleichen Zeit scheint mir dies alles wie ein mieser Scherz.
Es ist wie Nichts gegen diesen überwältigenden Schmerz
und diese unermessliche Kälte, die schon so lange umfängt mein Herz.

Versunken in Gedanken an längst vergangene Zeiten
frage ich mich, "wer tat mich damals jeweils begleiten?"
Meine Familie. Meine Freundin. Die mich liebten warens, und ich fühlte mich frei.
Heute stehe ich alleine an diesen Ufern - und weiss: Diese Zeit ist schon lange vorbei.

Ich nehme mir vor, eines kalten Wintes in ferner Zukunft hierher zurückzukehren.
Meine Kinder in die Wärme dicker Jacken und väterlicher Liebe einzupacken, und sie zu belehren,
dass die Kälte der Natur, Schnee und Eis und Winde, dem Menschen nicht ausmachen,
wenn er ihnen mit warmem Herzen begegnet. Dann wird er ihnen mit Freuden entgegenlachen.

[Ex-Ralfchen]

zuallererst ein frohes willkommen, junger mann.

Zitat von nurdean

...dass die Kälte der Natur, Schnee und Eis und Winde, dem Menschen nicht ausmachen, wenn er ihnen mit warmem Herzen begegnet. Dann wird er ihnen mit Freuden entgegenlachen...

ich finde keinen richtigen bezug zur (sensiblen) lyrik, weil sie nichts hat, was mein interesse auch nur über momente regieren könnte. aber ich bin nicht der foren-bench-marker. zur reimtechnik etc. kann ich nichts sagen, weil ich kein fachmann bin. nur soviel: der letzte satz kann nur in verbindung mit warmer kleidung seine richtigkeit haben. siehe moskau.

[Thing]

Halli Hallo -

die ersten drei Strophen finde ich sehr schön, nicht nur des Reimmusters wegen.
Dre Herz-Schmerz-Scherz-Strophe hätte ich ganz weggelassen.
Und die restlichen Strophen lassen in meinen Augen leider nach.

Als seien sie sozusagen "nachgereicht".
Sie enthalten für mich nicht die intensive Stimmung wie die ersten.

Nicht grollen!

LG
Thing

[Ex-Ralfchen]

nachgereicht ist sehr gut formuliert schazzerle.

[nurdean]

Zitat von Thing

Halli Hallo -

die ersten drei Strophen finde ich sehr schön, nicht nur des Reimmusters wegen.
Dre Herz-Schmerz-Scherz-Strophe hätte ich ganz weggelassen.
Und die restlichen Strophen lassen in meinen Augen leider nach.

Als seien sie sozusagen "nachgereicht".
Sie enthalten für mich nicht die intensive Stimmung wie die ersten.

Nicht grollen!

LG
Thing

Lieber Thing

Erstmal bedanke ich mich herzlichst für den Unignore

Und dann:

Verdammt! Es ist mir schon wieder passiert! Du magst es nicht glauben, doch ich reime unabsichtlich zum wiederholten Male "Herz" auf "Schmerz" (davon war ja schon einmal die Diskussion), und jetzt auch noch auf "Scherz"!!

Ich möchte vor Scham im Boden versinken.

Abgesehen davon, versuche ich, in den drei Zeilen so etwas wie einen kleinen Zwischengedanken zu sehen. (Dir fällt auf, ich "versuche zu sehen" - Man könnte sagen, die Gedichte "fliesse aus mir heraus", und ich bemerke jeweils erst später, was ich da wieder alles angerichtet habe)

Was das "nachgereicht" angeht:

Meine Gedichte beinhalten in den meisten Fällen einen gewissen Sinneswandel oder eine Richtungsänderung, wie auch immer man es beschreiben soll. Ich denke dies liegt daran, weil die Texte direkt aus meinen persönlichen Erfahrungen entstehen und meist meine entsprechenden Reflexionen dazu widerspiegeln - die mich doch recht oft zu so etwas wie einer Quintessenz oder einer Einsicht führen.

Das soll jetzt nicht heissen, dass ich meine Gedichte als edukativ oder im klassischen Sinne bildend betrachte. Sie sind bloss Abbilder meiner Denkabläufe. Diese giesse ich dann, je nach Gusto, in eher strikte oder eher geöffnete Reimstrukturen. So bei diesem Thema: Dreimal habe ich versucht, ein Sonett dazu zu schreiben und bin jedesmal kläglich gescheitert. Es eignete sich nicht für die geschlossene Verdichtung, da bleibt zu wenig Luft...

Ich hoffe, meine Gefühlsergüsse und Erklärungsversuche haben dich und das Ralfchen nicht gelangweilt und wünsche allerseits noch einen schönen Abend

Gruss aus der Bodenseeregion

Nurdean

[Thing]

Halli Hallo, nurdean -

das ist ein s e h r großmütiger Kommentar!
(Warum Herz:Schmerz so verpönt sind? Keine Ahnung, denn sie liegen sich so nah!)

*

Man könnte sagen, die Gedichte "fließen aus mir heraus",

trifft! Bei mir in's Schwarze.
Nur s o "dichte" ich auch.

Deswegen vermute ich, daß Deine letzten Strophen sozusagen von der alpha-Welle in die delta-Welle übergingen,
ebenso, wie Stimmungen von jetzt auf jetzt schwanken können.

Die Impulsivität Deines Gedichtes hat micht bestochen.
Auch in den letzten Versen finde ich nichts Geknaupeltes, eher Bemühtes.

Ich hoffe, daß Du mich verstehen kannst.

LG
Thing


Wenn DU vor Scham im Boden versinkst, sinke ich gerne mit.

[nurdean]

Was findest du grossmütig (und jetzt muss ich Grossmut auch noch nachschlagen... sowas wie Übermut?)?

Geknaupelt?

Bemüht in welchem Sinne?

Wer andern eine Grube gräbt hat ein Grubengrabgerät. Einfach in die Erde diffundieren funktioniert leider doch nicht...

[Thing]

Großmütig heißt in meinen Augen "nachsichtig, duldsam, geduldig, verzeihend, verständnisvoll" usw.
Das bezieht sich auf die Antwort, die Du auf meinen Kommentar geschrieben hast.

LG!
Thing

[nurdean]

Ihr habt Recht.

Ohne die Herz-Schmerz-Scherz-Strophe wirds stimmiger. Nur kann ich das jetzt nicht mehr hier herauslöschen...

Stehen ja eh völlig isoliert da....