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Alt 19.10.2013, 16:00   #1
männlich Desperado
 
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Standard Im Irrenhaus

Die Sache mit der inneren Freiheit ist freilich auch nur eine zweischneidige Angelegenheit von vielen.

Nie hätte ich auch nur im Traum daran gedacht, eines Tages die Seiten zu wechseln. Aber das haben auch die andern irrsinnig Gewordenen vorher nicht geglaubt. Die Trennwand zwischen geistiger Verwirrung und sogenannter Geisteskraft ist hauchdünn, die Übergänge sind fließend, nicht nur an der Spitze der Macht gibt's genug Geisteskranke, die unbehelligt ihren Wahnsinn ausleben und dafür geehrt werden, andere wiederum tun, was von ihnen verlangt wird und verbergen ihre Dämonen gekonnt hinter der Fassade der Gefälligkeit, viele unauffällige Zeitgenossen, die angeblich gesund sind im Kopf, sind sehr viel irrer und gemeingefährlicher als die harmlosen Verrückten, denen jeder das Mal ihrer offensichtlichen Verwirrung ansehen kann.

Magst du auch die einen durchschauen und die andern nehmen, wie sie sind, machst du dir doch nie Gedanken drüber, über Nacht selber zur Gruppe der Ausgestoßenen gehören zu können, du verlässt dich verbissen auf den Verstand und vertraust seinem Urteil so lange, bis er dich schleichend verlassen hat, und das Schlimme daran ist, dass du sein Verschwinden nicht mitbekommst, du bemerkst deine Umnachtung nicht, du gleitest durch die unsichtbare Wand und glaubst dich nach wie vor auf der gegenüberliegenden Seite, dein Spiegelbild übernimmt die Stelle dessen, der in den Spiegel blickt, dein Selbst wird zum Schatten seiner selbst und starrt geblendet ins verlorene Licht, doch nie zuvor warst du dir sicherer, hast du dich klarer gefühlt in der Birne und die Dinge deutlicher durchschaut.

Man möchte meinen, dass ich mich nach all der Dunkelheit, die ich erlebt und gesehen habe, zum Licht hin strecke, das mir dazwischen immer wieder mal aufgeleuchtet ist, doch das genaue Gegenteil ist der Fall- ich werde Finsternis. Grad so, als würde mich die eigene Umnachtung beschützen vor der Umnachtung der irre gewordenen Welt um mich her, als gäbe mir die immer noch tiefer verdichtete Dunkelheit in meinem Innern die Sicherheit, dass keine noch so mächtig von außen drohende und bedrängende Verdunklung mehr in mich eindringen kann und Macht über mich gewinnen, und selbst wenn, dann nur, um auf der Stelle von der meinen überwältigt und verschluckt zu werden. Das eigentlich Beunruhigende daran ist, dass sich diese Schutzmaßnahme über einen langen Zeitraum allzu tiefschwarz glänzend bewährt.

Manche versuchen Böses mit Gutem zu erwidern und es damit zu besiegen, andere begegnen ihm mit Gleichgültigkeit und Missachtung, um es auf diese Weise nichtig zu machen und zu entmachten, wieder andere lehnen sich mit aller Kraft dagegen auf und bekämpfen es mit den Waffen von Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit, das mag jedes für sich voll in Ordnung gehen, doch das Böse aus der Welt geschafft hat keine dieser gut meinenden Verteidigungsstrategien. Das Böse in sich aufzusaugen und mit der Macht der Finsternis zu verschlingen indessen vermittelt einem immerhin das Gefühl, es vernichtet und ausgelöscht zu haben. Wer dies nun für einen verhängnisvollen Trugschluss halten will, weil keine noch so finstere Nacht eine dunkle Nacht vertreiben kann, der mag es gerne tun- er hat's ganz einfach noch nicht ausprobiert und kann von daher nicht wissen, wie wunderbar die Sache funktioniert.

Denn während ich mich seelenruhig irgendwo in einem erschwinglichen KämCDPhen einquartiere, um meinen Regenumhang zu trocknen, den Bart abzurasieren und die Stiefel zu polieren, sammelt sich vor meiner Tür das Tuscheln und Flüstern wie ein Bienenschwarm, schleichende Schritte bringen die Dielen zum knarren, die Tür ächzt leise unter dem Druck angepresster Ohren und der steckende Schlüssel dreht sich heimlich im Schloss, um den verstohlenen Blick durchs Schlüsselloch freizugeben. Es dauert auch nicht lange, bis energisch und unverkennbar der Sheriff klopft, um mich mit gut sichtbar präsentiertem Colt nach dem Woher und Wohin auszufragen und mir unmissverständlich auszudeuten, dass er in seiner friedlichen Stadt keine Troubles dulde und jeder Fremde sich nach diesem seinem Gesetz zu richten habe. Bis zu seinem Gastbesuch hab ich meine Bleibe noch kein einziges Mal verlassen und mich bis auf den unauffälligen Einritt noch nicht auf der Straße blicken lassen.

Schlürfe ich irgendwann doch hinüber in den Saloon, verstummen die Gespräche schon jäh, bevor ich noch die erste Stufe der Eingangstreppe erreicht habe, so dass das Quietschen der Schwingtür den ganzen Raum ausfüllt. Der Barkeeper schiebt mir das bestellte Bier über den Tresen wie einen brandgefährlichen Giftbecher, während in meinem Rücken das Gemurmel losgeht und anschwellt wie das ferne Donnern eines aufkommenden Gewitters. Doch wird sich dieses nicht entladen, die dunklen Wolken, die aus den Gedanken der Leute dringen und aufsteigen wie schwarzer Rauch, verästeln und verknoten sich über ihren Köpfen zu Schlangen, Würmern gleich winden sich die verborgenen Gedanken aus den Herzen der Menschen, Neid vermengt sich mit heimlichem Begehren, Misstrauen paart sich mit Feindseligkeit, Geltungssucht mit Hochmut, Rechthaberei mit Engstirnigkeit, Spott mit Hohn, Habgier mit Geilheit und Gehässigkeit mit Dummheit, wie Drachen und Ausgeburten der Hölle verdichtet sich die geweckte und aufgescheuchte Brut menschlicher Wesenhaftigkeit und erfüllt den ganzen Raum mit bleierner Finsternis, aus der es kein Entrinnen gibt und kein Entkommen, wie Irrlichter über einem Moor aus Sumpf und Morast geistern ein paar ehrliche Absichten und vorurteilslose Regungen durch das wachsende Dickicht aus Lüge und Selbstbetrug, ohne Helligkeit in die wallende Düsternis bringen zu können.

Längst hab ich mich zu der lauernden Meute umgedreht mit regungslosem Gesicht und betrachte ihre Verlorenheit und ihre Niedertracht ohne eine Spur von Anteilnahme und Mitgefühl, kein Erbarmen regt sich in meiner Brust, auf der -verborgen unterm Hemd- das heilige Bündel glüht, ohne auf meiner Haut zu brennen, kalt und wissend ist mein Verstehen und ohne Gnade mein gleichgültiger Blick. Alles ist offenbar und nichts verborgen, gefallen sind die schönen Masken, jede Verstellung ist durchschaut und jedes ausgeklügelte Spiel ausgespielt, denn die Wahrheit des zivilisierten Menschen ist Lüge, Heuchelei, Verblendung und Umnachtung, ist Grausamkeit, Selbstsucht und Eitelkeit. Bevor ich mit einem letzten Zug meinen Krug leere, den Dollar auf den Tresen klatsche und die Örtlichkeit ohne Gruß verlasse, um meine gepackten Sachen aus dem Kämmerlein zu holen, mein Pferd aus dem Stall und die Stadt zu verlassen wie ein böser Schatten, der sich für ein paar erschreckende Minuten auf das Laternenlicht ihrer wohlgeordneten Stadt herabgesenkt hat, verfolgt von ihren Blicken, von argwöhnischen Augen hinter verhangenen Fenstern, die alles, was sie sind und was versteckt in ihnen haust, in mir verkörpert sehen, als hätte sich der klaffende Abgrund, den sie in sich tragen, vor ihren Augen aufgetan in meiner Ungeheuerlichkeit, nackte Angst ist es, die sich in ihrer Seele eingenistet hat und ich spüre ihren glühenden Hass in meinem Nacken, ohne mich darum zu scheren.

Denn alles, was ich fühle, ist unendliche Einsamkeit.

Eines Tages kommst du unweigerlich an den Punkt, an dem es keine Umkehr mehr gibt.

Vielleicht ist es nur ein Amulett, ein Drachenzahn, eine Haarlocke oder ein versteinerter Knochen, den du mit dir ins Grab nehmen willst, doch dafür gehst du in die Hölle und lässt dich ans nächstbeste Scheunentor kreuzigen. Selbst wenn du dein Pferd verkaufst und dich in einer dafür erworbenen Hütte zur Ruhe setzt, werden sie dir den Schaukelstuhl unterm Kissen wegziehen und die Haut bei lebendigem Leib vom verrunzelten Hintern. Du kannst deinen Alterssitz himmelblau anmalen, einen meterhohen Palisadenzaun drum herum in den Boden stampfen und einen Meilen langen Fluchttunnel graben, sie werden dir das eine mitten in der Nacht abfackeln noch ehe du Feuer schreien kannst und am Ende des Tunnels auf dich warten.

Neuerdings haben sie ganze Armeen an freiwilligen Rekruten aller Herren Länder eingezogen, weiß der Teufel von woher überall sie diese Brut ausgehoben haben, die derlei Aufträge nicht nur mit gebotenem Eifer sondern mit abscheulichem Vergnügen erledigt, schäme dich also nicht, wenn du um Gnade und Erbarmen wimmerst und winselst wie ein Waschweib, die Kerle verstehen ihr blutiges Handwerk.

Es war abzusehen, der Lauf dieser Dinge ist immer abzusehen, doch die schlimmste Erwartung ist niemals schlimm genug, die Wirklichkeit überflügelt die abwegigsten Befürchtungen um ein Vielfaches, Dummheit, Idiotie und Unmenschlichkeit kennen keine Grenzen, ihre Ausdehnung ist unendlich, ihre Dimension sprengt jede Vorstellungskraft, und du hast einfach keine Lust mehr, ihrem Sturmlauf hinterherzuschauen und das Nachsehen zu haben, weil du ihrer ausufernden Gewalt nicht einmal mehr durch Bestürzung begegnen kannst ob deiner fassungslosen Sprachlosigkeit. Was Wunder also, wenn es immer wieder mal Tage gibt, an denen du mit dem kalten Doppellauf deiner geladenen Zwillingsbüchse im Mund auf deiner Veranda sitzt und sabberst, nu macht mal hinne, damit das Elend endlich ein Ende hat.

Eins würd ich gern noch wissen, ob's denn nicht irgendeinen Weg gibt, mir diesen Kelch zu ersparen, weil ich nicht unbedingt scharf drauf bin, sein Gift zu trinken. Da flackert zwar noch was in mir, aber ich fühl mich ziemlich ausgebrannt, weißt du, hab mich verändert irgendwie, bin mir nicht mehr so sicher wie noch am Anfang, musst du wissen. Damals, ja damals war ich entflammt, heut bin ich nur noch traurig und müde. Hör mal, ich denke doch, dass ich alle Erwartungen übertroffen hab, nach allem, was ich versucht hab die letzten drei Jahre, 's kommt mir so vor, als wären's dreißig gewesen, zeig mir einen, von dem du mehr verlangen kannst.

Aber gut, wenn ich jetzt draufgehe, hab ich die Saga durchgezogen und alles erledigt, was du von mir forderst, sollen sie mich hassen meinetwegen, halbtot prügeln und an ihrem Baum aufhängen. Ich möcht ihn kennen, möcht meinen Gott kennen, will ihn sehen, will meinen Gott sehen, sag, warum soll ich sterben, meinst du, ich werde dann mehr wahrgenommen als jemals zuvor, werden die Dinge, die ich gesagt und getan hab, dann noch irgendwas zählen? Will meinen Gott kennen, will ihn sehen, was springt dabei raus für mich, wenn ich sterbe, kannst du mir hier und jetzt versichern, dass ich nicht umsonst gestorben bin, nur ein ganz kleines Stück deiner Allwissenheit würde mir genügen, sag mir einen Grund, wieso du mich sterben lassen willst, du so sehr scharf drauf bist, wo und wie und nicht so heiß aufs warum?

Nun denn, ich werde sterben, schau mir beim sterben zu, sieh, wie ich sterbe, damals war ich entflammt, jetzt bin ich nur noch müde und traurig, warum sollte ich jetzt, nachdem mir alles, was ich durchgemacht hab die letzten drei Jahre, wie neunzig erscheint, davor zurückschrecken, zu Ende zu bringen, was wir angefangen haben, was du angefangen hast, ich hab's nicht begonnen. Dein Wille ist hart, Gott, aber du hast alle Karten, ich werd deinen Kelch trinken, nagle mich an dein Kreuz und zerbrech mich, lass mich ausbluten, erschlag mich, bring mich um und nimm mich jetzt- bevor ich's mir noch anders überleg.

Hat Hózhó natürlich überhaupt nicht gefallen das, sie kommt gerade noch angeschossen und reißt mir das Eisen aus dem Mund, so heftig, dass ich verblüfft nachprüfe, ob meine Zähne sich noch in den Kieferknochen befinden, meine Frau packt meine Sachen, mich am Kragen, ohne Chance auf Einspruch in den alten Einspänner und fährt mich ohne viel Federlesens ins nahe Nonnenkloster, besser gesagt in das dortige Spital, deren viele aus dem blutgetränkten Boden gewachsen sind in den Nachkriegsjahren, gebaut für die irrsinnig gewordenen Opfer des Krieges, und die Unverständigen dort sperren mich kurzerhand weg.

Das Irrenhaus auch Narrenhaus genannt kommt einem anfangs wie die lodernde Hölle vor, brennt aber rasch zum Fegefeuer hinunter und ist alles in allem leidlich zu ertragen.

Die Frage ist rasch vergessen, was dich eigentlich hinter seine Mauern befördert hat. Diese Station ist das bittere Ende einer langen Reise in den Abgrund der Umnachtung, in den du Schritt für Schritt gestolpert, geschlittert, gefallen und zuletzt gerast bist, das ist alles und mehr ist da nicht, derlei kann vorkommen. Klar, mit dem Rücken zur Wand, ein paar Quadratmetern unter den Füßen, von allen Seiten umzingelt und bedrängt, ohne erkennbaren Ausweg mit einer ungewissen Zukunft vor Augen ist es vielleicht sogar dein gutes Recht, die Flinte ins Korn zu schmeißen beziehungsweise in den Mund zu schieben, auch ein Desperado wird nicht jünger, die Kräfte schwinden, all das Erlebte bricht über dir zusammen und knallt mit voller Wucht auf deinen erschöpften Scheitel, unter der Gewalt und Masse dieses Gewichts magst du schon mal zusammenbrechen, im Grunde ist es überhaupt keine Schande und noch viel weniger verwunderlich. Ich kann schlicht und einfach nicht mehr, mir bleibt nur noch übrig, diese traurige Tatsache dadurch zu entkräften, dass ich nicht mehr will. Das ist ohnehin der einzig klare Gedanke, den ich in meiner verwirrten Birne noch zustande bringe, und dieser unwiderrufliche Entschluss gibt mir meine Würde zurück, so unglaublich das klingen mag, aber dem ist ganz einfach so. Mir kommt es wohl nicht nur so vor, als könnte ich Vieles nicht mehr verstehen von alledem, was irgendwo hinterm Horizont der Wüstengebirge vonstatten geht in den Köpfen und Herzen der Leute, die mir fremder geworden sind als mein grüner Wicht aus einer fernen Galaxie es jemals werden könnte.

Wer eine Verabredung hat mit dem Tod, der sollte allein sein, wenn er sie denn unbedingt einhalten will, was hat ein Zweiter oder Dritter dabei verloren und wem soll damit geholfen sein, im Sterben ist der Mensch allein.

Das kleine Ich-bin-ich spielt im Sand des Niemandslandes zwischen den Fronten von Eigenliebe und Selbstsucht, es folgt dem Ticken seiner Lebensuhr, ihr Pendel schlägt mal in diese mal in die andere Richtung aus je nach Tageszeit und Stunde. Doch wenn das eigene Selbst sich völlig aufgelöst hat, sowohl die Liebe als auch die Sucht ohne Bezugspunkt durch die Finsternis eines verwirrten Geistes irren, dann mag sich meinetwegen einer berufen fühlen, dem irrenden Nichts für Dinge oder Taten, die ihm in diesem Zustand -was für ein inhaltsloses Wort- widerfahren beziehungsweise entglitten sind, zu unterstellen, dass dieses Ausdruck sei von Ichbezogenheit. Doch mag er mir dann bitte auch erklären, wer sich nun hier auf wen bezogen hat um was denn auszudrücken, wenn da doch nichts mehr ist als nichts von nichts, erklär er’s mir, ich bin’s zufrieden. Wer nicht mehr kann, der kann nicht mehr, daran ändert auch der Umstand nichts, ob ihm im letzten Augenblick geholfen wird oder aber die Hilfe fern bleibt von seiner Not, doch will es mir nicht ums Verrecken in den müden Kopf, was denn nun Selbstsucht sein soll an der traurigen Wirklichkeit, dass einer einfach nicht mehr kann. Zuviele sah ich vergehen auf vielfältige Weise, weil kein Funke Lebenskraft mehr glühte in ihnen, die Asche ihrer Hoffnung erkaltet war, ihr Lebenswille erloschen, doch keiner von all denen schien mir aus bloßem Eigennutz zu sterben, nicht einer davon, wenn ich das mal so verwegen festhalten darf.

Aber es ist nunmal so, bevor deine Stunde gekommen ist, kommt sie nicht, auch wenn deine Zeit restlos abgelaufen ist, die Totenglocke bimmelt und das obere Glas deiner Sanduhr leer ist bis aufs letzte Körnchen, du wirst auf einen schroffen Felsen geworfen und bist genötigt weiterzumachen, ob du nun willst oder nicht und unabhängig davon, wie sehr und gründlich du schon abgeschlossen hast mit deinem Leben.Wenn du dich aufgegeben hast und ohne Hoffnung in hohem Wellengang schwimmst, kann es dir ebensogut geschehen, dass du das rettende Ufer erst wahrnimmst, wenn du es bereits unter den Füßen spürst, auf einmal hast du Boden gewonnen ohne es zu begreifen. Und dann geht’s eben doch weiter irgendwie, was spielt das schon für eine entscheidende Rolle, es kommt wie’s kommt und das immer und ausschließlich, wer fragt schon danach? Irgendwann hinterher stellst du fest, dass dein Weiterleben so verkehrt nicht war, wie du damals befürchtet hast, sondern soweit ganz in Ordnung, wenn du das Ergebnis von allem betrachtest. Da kam doch noch so einiges nach, klar auch vieles, auf das du liebend gerne verzichten könntest, aber eben auch vieles, wofür es sich gelohnt hat, was ja letztendlich ausschlaggebend ist. Vor allem aber und das erstaunt mich immer wieder, waren die Dinge bei weitem nicht so wichtig und bedeutend, wie sie dir damals mit deinem beschränkten Horizont vorgekommen sind.

Der Arzt jedenfalls taucht nach ein paar Tagen erholsamer Ruhigstellung mit ein paar ebenso in weiße Kittel gekleideten Gestalten an meinem Bett auf, dessen dünnen fast durchsichtigen Vorhang ich ohnehin nie zuziehe, weil das bei ungefähr fünfzig Betten im Schlafsaal sowieso ziemlich nutzlos ist, da jedes Wimmern ungehemmt in deine Gehörgänge dringt, außerdem seh’ ich ganz gerne, was um mich her vorgeht, auch wenn’s nicht unbedingt erbaulich ist. Manches ist sogar nur schwer zu ertragen.

Syphilis.

Sein Hirn beginnt sich aufzulösen, in klebriger Soße zu schwimmen wie ein verfaultes Stück Fleisch. Das einsetzende Endstadium dieser Krankheit, er hat noch ein gutes Stück Weges vor sich, kann noch ein Weilchen dauern, bis sich das Stammhirn zersetzt. Um endlich sein Sprachzentrum mattzulegen, das ganze Lazarett, Patienten wie Personal, wartet sehnsüchtig auf diese Endphase, in der seine unflätigen Beschimpfungen gegen alles und jeden zu aller Erlösung in unverständliches Brabbeln und Lallen übergehen. Erste Ansätze sind schon zu beobachten, bisweilen verhaspelt er sich in unverständlichen Wortbrocken und ergißt sich in einen Schwall aus wirrem Gestammel, immer noch dreckig und hässlich genug, um in den Ohren zu schmerzen, doch diese untrüglichen Vorzeichen lassen das gnädige Ende immerhin in Sichtweite heranrücken und sein Verstummen wird –fast möchte man sagen Gott sei Dank- nur noch eine Frage absehbarer Zeit.

Dreimal sei er dem Totengräber schon von der Schaufel gesprungen, tönt er mit stolzgeschwellter Hühnerbrust durch den Saal, was flennt ihr Jammerlappen rum wie alte Waschweiber, und erwartet ehrfürchtiges Verstummen von den Schwerstversehrten, die es da in seiner Gegenwart wagen, sich flüsternd mit dem allgegenwärtigen Tod zu beschäftigen, dreimal, was für ein verschwindendes Nichts, kein Wunder, das er nichts und nochmal nichts begriffen und draus gelernt hat. Aber zum Lernen ist es für ihn ohnehin längst zu spät, und ob er je irgendwas begriffen hat, dürfte ohnehin äußerst fragwürdig sein. Er erinnert mich schmerzlich an die Kerle in den Kriegslazaretten, die den Beinamputierten vorklagten, dass sie einen Splitter in die Wange abgekriegt haben.

Alles was da sonst so von ihm kommt aus seiner bewegten Biographie, sind zotige Weibergeschichten, in denen er seine Schlampen, denen er sein Missgeschick verdankt, entweder zu ruchlosen Huren oder einfältigen Kretins herabwürdigt, er steht natürlich immer als der große allzeitbereite Obergockel auf dem Misthaufen und kräht seine Manneskraft allen Anwesenden in die Ohren, ob die’s nun hören wollen oder nicht. Das nennt er dann Dichtkunst, ab und zu vergreift er sich sogar an dem schönen Wort Poesie, aus seinem eitrigen und fauligen Mund klingt sogar das schmutzig, liegt vielleicht auch an der modrigen Fahne, die er mit jedem Atemstoß im Raum verteilt, es riecht Tag und Nacht nach Kloake und Latrine. Wohl kann er noch lesen, versteht aber die Bedeutung dessen, was er da liest, nicht mehr, so dass es für ihn keinen Unterschied macht, ob du ihm die Bibel zur Lektüre vorlegst oder die Krankenliste, alles ist Schund und minderwertige Geistesverschmutzung, was sich vor seinen trüben Augen an Buchstaben tummelt, deren Inhalt sich seinem aufgeweichten Hirn nicht mehr erschließt und dessen Aussage für immer verloren gegangen ist. Was dann da so im Einzelnen aus seinem Innern quillt, wabert und schlackt an groben Gemeinheiten, derben Geschmacklosigkeiten und wüsten Beschimpfungen, will ich mal in diese erträglichen Umschreibungen verpackt und unter ihrer Umhüllung verschlossen lassen, die wortgetreue Wiedergabe auch nur einer Silbe davon wäre eine Zumutung und außerdem so überflüssig wie das Hervorgestoßene selbst.

Eine schreckliche Krankheit, ohne jeden Zweifel, aber bei aller Menschenliebe werde ich das unbestimmte Gefühl nicht los, wenn ich seinen Abartigkeiten so lauschen muss, dass er sich die Syphilis nicht nur eingehandelt sondern sogar redlich verdient hat, mag möge Nachsicht üben mit meiner Mutmaßung. Inzwischen schmort er sowieso längst in der Hölle, also was soll’s, sollen ihm die Teufel lauschen, denen gefällt sowas, da hat er dann endlich das Publikum, das er für seine Selbstbeweihräucherung braucht. Allerdings hasst der Teufel den Weihrauch, was ich so gehört habe.

Naja, die werden schon irgendeine Lösung finden dort unten, das muss nicht mehr meine Sorge sein.

„Sie wollten sich also das Gehirn an die Decke pusten,“ stellt mir der Monokelträger mit wirren Haaren über der erweiterten faltenzerfurchten Stirn die einfühlsame Frage, „was haben sie sich eigentlich dabei gedacht?“

Ach weißt du, Doc“, geb’ ich ihm gleichmütig eine ehrliche, möglichst kurz gefasste Antwort,
„wenn du Chaos willst versuche deine Gedanken zu ordnen.

Mag ja sein, dass ich durchaus in der Lage bin, ab und an ein paar klare Gedanken zu fassen, meistens aber verliere ich mich nicht ohne gehöriges Vergnügen in das verwirrende Spielchen der Faszination von Widersprüchlichkeit und Widersinn, was zwar nun kein Ausdruck von Gedankenträgheit ist, dafür aber untrügliches Zeichen beträchtlichen Überdrusses. Was das Ausformulieren klarer Gedanken und vor allem das darauffolgende Echo betrifft, bin ich schlicht und ergreifend bedient, dabei ist noch nie was Brauchbares rausgekommen, weil einfache Wahrheiten so gut wie niemand hören will.

Weil es mir nun aber zu tröge ist, nur noch Quatsch zu schwafeln wie der überwiegende Rest der Welt es unermüdlich tut, tische ich immer zwei, drei oder vier Wahrheiten gleichzeitig auf, die einander ausschließen und entgegenstehen, und vertrete jede davon gleichermaßen überzeugend vehement -oder widerlege sie gnadenlos je nach Lust und Tagesform- weil sie in meiner Auffassung durchaus gleichwertig im leeren Raum rumstehen bleiben können oder auch daraus verschwinden und mich im Grunde keine davon wirklich beschäftigt.“

„Schön und gut“, erwidert das Orakel mit Monokel, „eine würde mir im Augenblick vollauf genügen.“

„Nicht dass ich jetzt falsch verstanden werde,“ geh’ ich vorsichtshalber mal in Verteidigung, „ich mach das nicht etwa, um die Leute damit zu ärgern, die ärgern sich sowieso grundsätzlich immer über irgendwas, gleichgültig was ich so alles an Unfug von mir gebe, sondern weil das nun mal die bezeichnende Eigenschaft eines Desperado ist, also durchaus meinem Wesen und Naturell entsprechend, noch so reiche Erfahrung kann daran nichts ändern, sondern verstärkt diese seltsame Eigenart lediglich und schmückt sie mit der Wiedergabe von Erlebnissen mitunter ganz unterhaltsam aus.“

„Das mag wohl sein, Mr. Desperado“, bleibt der Seelenklempner unbeeindruckt, „aber ihre Lebensgeschichte ist im Augenblick nicht gefragt. Der nüchterne und abwägende Denker in mir kann in dieser Ihrer Veranlagung keine besonders gute Voraussetzung für einen klaren Gedanken erkennen.“

Vermutlich hat der Mann recht, ein kleiner Windstoß genügt, ein leises Säuseln sozusagen, um einen grade entworfenen Gedanken auf Nimmerwiederdenken aus meinem Kopf zu pusten, der mir eben noch epochal und lebenswichtig erschien, weil er sich schon in der Entwicklung als bedeutungslos herausgestellt hat und keiner weiteren Entfaltung wert.

„Well, Doc“, mein’ ich schicksalsergeben, „das darfst du getrost Zerstreutheit nennen, Geistesabwesenheit oder sonst wie, das war bei mir aber noch nie anders, soweit ich zurückdenken kann nicht, also kann ich es nicht mit einem denkbaren Gegenteil vergleichen und nicht entsprechend gedanklich einordnen. Jeder zu Ende gedachte Gedanke hört haargenau da auf, wo er begonnen hat, also könnt’ ich mir dessen Gedachtwerden ebenso gut sparen, was freilich auf Dauer ziemlich langweilig wäre, so völlig gedankenlos rumzulaufen, auch wenn noch so viele Zeitgenossen diese fragwürdige Kunst exzellent zu beherrschen scheinen, mein Ding ist das nunmal nicht und war es noch nie.“

Der Doktor hat mit seiner Rechten das spitze Kinn umfasst und mustert mich nachdenklich, wobei die Falten auf seiner hohen Stirn sich mindestens verdoppeln, da er aber offenbar nichts einzuwenden hat gegen meine Überlegungen, red’ ich munter drauflos und schnurstracks weiter.

„Es ist nun mal so, der Sinn des Denkens hat sich mir nie schlüssig erschlossen, ich denk’ eben ziellos in der Gegend rum, weil ich nun mal denken kann und muss, ich könnte nicht einmal behaupten, dass ich besonderen Spaß dran hätte, aber ebenso wenig nervt es mich. Wer einmal das Glück oder Pech hatte, das Denken zu Ende zu denken, der denkt einfach nur noch so vor sich hin ohne Absicht und Richtung, weil er weiß, dass alles Denken letztendlich zu keinem anderen Ergebnis führt als dem Ende aller Gedanken.

Was nun so denkwürdig nicht ist.

Ich weiß nicht zu sagen, ob es bedenklich ist, bei aller Gedankenfülle keinen einzigen bedeutenden Gedanken zustande zu bringen, ich denke mal, das muss einem gegeben sein oder denkbar einfach zugeflogen kommen, denn keiner, dem es gelingt, sich was auszudenken, kann hinterher sagen, woher ihm der Gedanke gekommen ist, der Einfall war blitzartig da, das ist alles was er darüber zu denken vermag. Überdenken und gründlich drüber nachdenken sollte er freilich, ob er seinen Gedanken bedenkenlos aussprechen und verbreiten soll zum drüber nachdenken, weil so was vorausdenkend undenkbare Folgen nach sich ziehen kann, wie man sich gut denken kann.

Und geht die Umsetzung eines Gedankens mal denkbar daneben, macht es wenig Sinn sich hinterher zu fragen, was hab ich mir nur dabei gedacht, irgendwas wird’s schon gewesen sein, man muss sich ja wirklich nicht jeden Quatsch merken. Und wenn dann wer sagt, denk mal an, wer hätte das gedacht, das hätte ich nicht von dir gedacht oder sonst was Bedenkliches, denk’ ich mir nur, hat dir ja auch niemand geschafft, irgendwas zu denken über mich oder dir Gedanken drüber zu machen was ich denke oder tu, das überlass mal ruhig mir.

Es gibt so viel bedenklich Unbedachtes in meinem Leben, was ich mir so nie gedacht hätte, dass ich einfach keinen Gedanken mehr übrig habe, auch noch einen einzigen Gedanken darüber zu verlieren, was du, Doc, drüber denkst, deine denkwürdigen Kittel oder sonst wer Denkender denkt sich von mir denken zu müssen. Nebenbei und in aller Ruhe bedacht kann man sich ohne weiteres um seinen denkenden Verstand und in den Wahnsinn denken, ich denke, da kommt auch nichts Denkenswertes ’bei raus, nur mal so gedacht.“

„Darum denke ich,“ beschließt der Doktor trocken meinen tiefschürfenden Vortrag, „dass Sie für heute genug gedacht haben. Ich denke, Sie werden noch denkbar genug Zeit finden bei uns, vor allem diesen letzten Ihrer Gedanken in aller Ruhe zu Ende zu denken, man wird sehen, was an Denkenswertem dabei rauskommt.“

Im Schutz der Anstaltsmauern kommst du rasch dahinter, wie schnell mancher unüberwindliche Gebirgskamm zur Hügelkette zusammensacken kann in dieser Zwischenwelt verlorener Seelen, in der Klapsmühle wird eben rundherum auf Teufel komm raus gelitten, mitunter gellend geschrien, da werden Leute ans Bett gefesselt, damit sie sich nicht selbst zerfleischen oder über Unbeteiligte herfallen, andere mit irgend Zaubermittelchen in das Stadium von Scheintoten befördert, mich eingeschlossen, was alles in allem ganz geruhsam, vor allem aber erholsam und letztendlich heilsam zeitigt.

Was du so mitbekommst im Lauf der Monate an kruden und verworrenen Geschichten, an nackter Not, haarsträubendem Elend, blanker Verzweiflung und namenlosem Entsetzen, lässt dich die Welt irgendwo da draußen schnell vergessen und kommt dir nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr verrückt oder abgedreht vor, ja nicht einmal mehr ungewöhnlich. Es erscheint dir im Gegenteil völlig schlüssig und folgerichtig, dass dieses hinterhältige, ungerechte und grausame Leben dich und deine Leidensgenossen um den letzten Funken Verstand und den letzten Rest an Mut gebracht hat, was eine ungemein beruhigende und tröstliche Wirkung in sich birgt.

So ein Fegefeuer kann auch ganz gemütlich sein zwischendrin, allzu viel falsch machen kannst du nicht und ansonsten lässt man dir deine überlebensnotwendige Ruhe, wenn du Hilfe brauchst, genügt ein deutlich vernehmbarer Ruf, schon kommen sie gelaufen und pflücken dich vom Boden oder aus sonst einer Ecke, in der du mal wieder zusammengesunken bist, Rotz und Wasser heulend wie ein Schlosshund oder hilflos mit den Händen herumfuchtelnd, weil die böswilligen Wände sich biegen und angerückt kommen, ach lassen wir das, es gäbe vieles zu erzählen, was sowieso niemand versteht und wirklich nicht so wichtig ist. Weder fällt es besonders auf noch ins Gewicht, der eine guckt des Nächtens unter die Betten, um endlich den Kerl zu stellen, der da unablässig stänkert, der andere studiert die Hausordnung in der festen Überzeugung, dass es sich um einen verschlüsselten Kassiber handelt, die junge Lady ist sich unerschütterlich sicher, das sämtliche Dörfer im Umkreis von einem feindlichen Heer niedergebrannt sind, das unaufhaltsam näher rückt, der Kerl in der abgetragenen Uniform sucht ständig seinen Säbel, um sich im Falle eines Falles wirkungsvoll verteidigen zu können, wieder ein anderer pflegt morgens zwischen drei und vier Uhr im Schlaf einen spitzen langanhaltenden Schrei loszulassen als wäre er der Hofgockel, und dergleichen etwas sondersame Verhaltensweisen mehr im weiten Rund, da macht so ein durchgeknallter Desperado dazwischen das Kraut auch nicht mehr fett.

Im Gleichklang steter Wiederholung verbringst du deine Tage, du bastelst dies und jenes, hämmerst und klopfst an weichen Steinen rum, flechtest Körbe oder bindest Kränzchen, singst gemeinsam Yankee Lieder und Dixiesongs deiner Kindheit, gehst gut bewacht in Grüppchen im lauschigen Spitalgarten spazieren, um vierzehn Blüten zu betrachten, wirst in einberaumten Gruppenrunden immer wieder mal aufgefordert, Rede und Antwort zu stehen, ansonsten bekommst du viele interessante Geschichten zu hören, und schüttest regelmäßig dein müdes Herz vor einem immerhin vorhandenen Ohr aus, soweit du Lust dazu hast oder es dich dazu drängt, irgendwas Blödsinniges loswerden zu müssen. Die Ärzte haben sowieso nicht den Dunst einer Vorstellung von deiner Lebensart und Form der Daseinsbewältigung, genaugenommen sind sie rat- und sprachlos, alles was ihnen dazu einfällt ist, dir die ihrige oder eine ihrer nicht unähnliche Lebensweise schmackhaft zu machen und anzubieten. Um deine Ruhe zu haben vor ihren lästigen Rückführungsversuchen in ihre verhasste Welt stimmst du all ihren gutgemeinten Vorschlägen willig und fügsam zu, um sie auf deinem Lager schnellstmöglichst wieder zu vergessen und die beunruhigenden Quälgeister durch angenehme Tagträume zu verscheuchen.

Irgendwann ertappst du dich dabei, dich soweit heimisch zu fühlen, langweilig wird dir außerdem nie bei dem ständigen Kommen und Gehen neuer Gesichter, und im Lauf der Zeit wirst du der alte abgeklärte Hase unter aufgescheuchten verstörten Häschen, die du tatsächlich beruhigen kannst frag nicht wie, ich hab’s komplett vergessen. Du hast ein Dach überm Kopf, ein erträgliches Bett und täglich was Warmes zu essen, außerdem kannst du dir jederzeit Gesellschaft suchen, wenn dir danach ist, dich in einer stillen Ecke verschanzen und das geordnete Chaos in Ruhe beobachten, oder dich unter deiner Decke verkriechen je nachdem, dünnen Kaffee gibt’s reichlich, und ein schmuddeliges Raucherzimmer gleich dazu.

Es dauert eine ganze Weile, alles in allem fast ein Jahr, bis ich die Bruchstücke meines Lebens in der Abschottung wieder soweit zusammengefügt habe, dass man mich behutsam und Schritt für Schritt ins Leben zurückschicken kann. „Man“, das waren übrigens ein paar sehr liebe und bewundernswerte Leute, Männer und Frauen, Pfleger, Schwestern und Nonnen mit weißer Haut, die mir zumindest einen kleinen Teil meines vollständig verloren gegangenen Glaubens an die bleichgesichtige Menschheit zurückgaben, was ich ihnen nie vergessen werde. Bei genauer Betrachtung verdanke ich den dafür Zuständigen mein Leben, aber nun, die guten Leute tun auch nur ihre Arbeit, wenigstens eine halbwegs sinnvolle und brauchbare, sie sind jedenfalls ganz in Ordnung soweit.

Eines schönen Tages kommt der Doc angerauscht und offenbart mir, ich solle in der folgenden Woche entlassen werden, was ich dazu zu sagen und ob ich noch was zu sagen habe.

„Nun, Doctore, die Sache ist die“, heb’ ich hocherfreut zu meinem Schlusswort an in der Gewissheit, dabei nicht unterbrochen zu werden von meinem mittlerweile sehr verständigen Nervenarzt, das hat der kluge Mann schon lange aufgegeben, „irgendwann erreichst du den springenden Punkt, und bist du erst mal drübergesprungen, gibt es kein Zurück mehr.

Du hast alles schon hundertmal gehört und tausendmal vernommen, was dir so an sogenannten Meinungen und Überzeugungen entgegen brandet oder plätschert, dies und das und jenes und die sonstigen ach so wichtigen und entscheidenden Dinge des Lebens dasselbe betreffend, dass es dich weder interessiert, weshalb wieso warum und auf welche Weise sie gesagt werden wann wo wie und zu wem, noch was du dazu zu sagen hast oder je gehabt hast. Du sagst einfach irgendwas, was dir grade so einfällt von alledem, was du hier oder dort schonmal irgendwo gehört hast hierzu oder dazu, wenn die lieben Leute denn unbedingt was hören wollen, und wenn sie um den Pueblofrieden keine Ruhe geben wollen, sagst du eben irgendwas anderes, ohne dabei darauf zu achten, ob es sich womöglich um das genaue Gegenteil dessen handelt, was du zuvor gesagt hast. Dass dem so gewesen sein muss, fällt dir höchstens noch an ihren Nachfragen auf, denn für dich selbst ist das eine wie das andere und kein’s von beiden von solcher Bedeutung, dass du dir den Kopf deswegen zermartern oder ein Wort darüber verlieren würdest.

Und wenn du endlich deine Ruhe haben willst, sagst du entweder das, was die Leute grade hören wollen oder das, was sie eben grade nicht hören wollen oder das, was sie noch nie gehört haben, jedenfalls ziehst du einen Schlussstrich unter das Ganze, und wenn dich drei Tage später einer fragt, wie und ob du das wirklich so gemeint hast, wie du’s gesagt hast, weißt du garnicht mehr, wovon er spricht, weil du bereits vergessen hattest was du gesagt hast ehe du’s gesagt hast. Und will dann irgendwer unbedingt noch betonen, dass man das eine oder andere so nicht sagen kann, wie du’s gesagt hast, meinst du nur gleichmütig, wieso, hast doch gehört, dass ich’s so gesagt habe, also kann man es auch so sagen, ähm sorry, wie hab ich’s denn nochmal gleich gesagt weswegen, um was genau ging es denn gleich nochmal? Und außerdem, Leute, kann’s so folgenschwer nun auch wieder nicht gewesen sein, denn ihr seid alle wohlauf und voll gut drauf, was ich so sehen kann, vor allem noch vollzählig am Leben, also wo bitte liegt denn das Problem, ich kann beim besten Willen keines finden.“

Ein kurzes Päuschen, um mich der Aufmerksamkeit meiner gebannten Zuhörerschaft zu versichern und die Spannung zu erhöhen.

„Vielleicht hängt das ja mit den Jahren zusammen, vielleicht aber hat es auch nur damit zu tun, dass du im Laufe der Zeit gelernt hast, den Schall und Rauch von Worten vom Schall und Rauch von Colts zu unterscheiden und dem jeweilig schallenden Rauchen die entsprechende Gewichtigkeit zuzugestehen, nämlich dem ersten keine und dem zweiten immerhin eine angemessen notwendige wenn auch meistens nicht minder bedeutungslose, so eine Kugel hat nunmal kein nennenswertes Gewicht, soweit sie an dir vorbeipfeift jedenfalls, eine entscheidende Kleinigkeit, deren Beeinflussung du eines Tages so tief im Blut sitzen hast, dass dir ihre Anwendung oder besser Abwendung garnicht mehr bewusst ist. Aber so lange nicht scharf geschossen wird, sagst du eben irgendwas, wenn denn unbedingt etwas gesagt werden will, um des Etwassagens Willen sozusagen, ‚ich glaube, dass die Sonne heute abends untergehen wird, es sieht mir alles ganz danach aus, und so wie ich die Sache einschätze, geht sie morgen morgens wieder auf, aber ich kann mich natürlich auch irren, ich mein ja nur, könnte doch immerhin der Fall sein, erfahrungsgemäß zumindest, soweit ich mich erinnere, klar, wer kann das schon mit Gewissheit sagen, ich sag’s jetzt einfach mal so dahin und stell’ es so in den Raum’.

Und da ich bisher noch immer das sagenhafte Glück hatte, was mich echt sprachlos macht, dass diese meine wagemutigen Vorhersagen genau so eingetroffen sind wie von mir angesagt, sehe ich keinen der Rede werten Grund, der da eigens gesagt werden müsste, warum ich sie nicht weiterhin voraussagen sollte. Was sich bewährt ist gut, wie man so schön sagt, und mag es noch so unsäglich unsagbar sein. Manchmal wird mir nachgesagt, dass das, was ich gesagt habe, bei genauer Betrachtung ziemlich nichtssagend gewesen sei, und alles was ich darauf zu sagen habe ist, wenn’s nach mir gegangen wäre, hätte ich ja auch gar nichts gesagt dazu ... wozu eigentlich was gesagt, egal jetzt... ich hatte nichts dazu zu sagen, also habe ich nichts dazu gesagt bis auf das, was ich dazu gesagt habe, um etwas dazu zu sagen, da es nichts zu sagen gab außer dem, was gesagt werden musste um etwas gesagt zu haben, weil es nunmal angesagt war und ich dringlich aufgefordert worden bin, etwas zu etwas zu sagen zu dem ich nichts zu sagen habe bis auf das, was ich gesagt habe um etwas zu etwas zu sagen ohne etwas dazu zu sagen zu haben, nur um etwas gesagt zu haben.

Ist jetzt hoffentlich alles gesagt?“

Bis auf den Doc, der einen besorgniserregend schlaffen und erschöpften Gesichtsausdruck angenommen hat -ist chronisch überarbeitet der Gute-, scheinen mir alle Anwesenden mühelos folgen zu können und ich setze siegessicher zum Grande Finale an.

„Um es mal in aller Deutlichkeit zu sagen, ich hatte eigentlich nie was zu sagen, obwohl du, lieber Doc gesagt hast, jeder hätte was zu sagen, auch der, der scheinbar nichts zu sagen hat, worauf ich mir sage, kann man sicher so sagen, nur würd’ ich mal sagen, wenn ich das eben so sagen darf, dass ich nunmal nicht jeder bin, wie soll ich sagen, ja sag einmal, was wollte ich noch sagen, sag mal, was sagtest du grade, du willst also damit sagen, ich solle sagen, was ich zu alledem Gesagten zu sagen habe? Nichts, das sag ich dir, nichts und nochmal nichts bereits Gesagtes, was nicht schon zigtausendmal dazu gesagt worden ist, ohne das es hätte gesagt werden müssen, weil es nunmal nichts zu sagen gibt über Gesagtes , Ungesagtes, Unsagbares ,Unsägliches, Nichtssagendes und Vielsagendes, sagenhaft ist das wie gesagt, doch sollte es wohl besser ungesagt bleiben.

Ich sag’s dir.“

Nach diesem Fehlversuch, der einen Aufschub meiner anstehenden „Wiedereingliederung“ zur Folge hat -ich bin bis heute nicht so recht dahintergekommen, was genau da schiefgelaufen ist- drehe ich eben noch ein paar Mondrunden und bin eines herbstlichen Tages bei eingehender Betrachtung unverrichteter Dinge ins Leben und die Freiheit entlassen, dafür aber halbwegs bei klarem Verstand und ohne den festen Vorsatz, mir bei nächster Gelegenheit das Licht auszublasen, was so gesehen durchaus nicht von schlechten Eltern ist und mir als Heilungserfolg vollauf genügt. Vor allem aber, und als Einziges was zählt, kehre ich endlich in die ersehnten Arme meiner geliebten vor Sehnsucht kranken Frau Hózhó zurück, was insofern bedeutend ist, da sie das einzig Bedeutende meines Lebens ist und schon gewesen, bevor sie mich für geisteskrank erklärten. Ob sie nun wirklich die Gesunden im Geiste sind, wird sich spätestens zeigen, wenn die Posaunen zum jüngsten Gericht erschallen, bis dahin mögen sie an diesem Glauben festhalten meinetwegen, so sie es denn unbedingt brauchen für ihr seelisches Gleichgewicht.

Eine von vielen Erfahrungen, recht viel mehr ist das Irrenhaus im Nachhinein nicht gewesen, ob ich darauf verzichten könnte, vermag ich nicht einmal mit Sicherheit zu sagen, es hatte wie alles und jedes seine guten und schlechten Seiten, war alles in allem recht lehrreich und unterm Strich durchaus auszuhalten. Wenn jemand nicht mehr aus und ein weiß, kann ich’s ihm jederzeit mit bestem Wissen und Gewissen empfehlen. Auch wenn es ihn die letzten Nuggets samt Notgroschen kostet, aber umsonst ist eben nur der Tod und der kostet das Leben. Einen Indianer allerdings hab’ ich die ganzen Monate über nicht zu Gesicht bekommen innerhalb seiner Mauern, was mit Sicherheit nichts damit zu tun hat, dass es in ihren Reihen keine Selbstmörder geben würde oder dass die nicht genügend Goldklumpen in ihrem Beutel stecken haben.

Es schert sich einfach niemand um eine stinkende Rothaut und ihre seelische Verfassung, das ist alles.

Der Pilgrim hat mir mal von einer mittelalterlichen Mystikerin erzählt, die eine sehr kluge, gebildete, ja geniale Frau gewesen sei und im selben Atemzug behauptet hat, dass „der Verstand“ nichts anders als „ein lästiger Narr“ ist. Das hat mir sofort gefallen, weil ich es nicht nur bestätigen kann, sondern an meinem Beispiel beweisen. Wenn ich mir überlege, was mich mein Verstand im Leben schon zum Narren gehalten, an der Nase herumgeführt und ins Bockshorn gejagt hat, und mit wie viel beharrlicher Ausdauer und unverbesserlicher Aufdringlichkeit dazu, geht das mit dem lästigen Narren voll hin. Wenn er mir zum Beispiel mit Schnellfeuergewehrsalven vorbetet, ich solle dies bedenken und jenes ins Auge fassen, auf das eine Acht geben und das andere aus einer solchen lassen, mir gründlich überlegen, ob und auf welche Weise ich wann was wie zu tun oder lassen habe... während mir der brennende Dachbalken bereits auf den Schädel knallt. Oder aber wie ich den oder die einzuschätzen habe und was von diesen oder jenen Leuten zu halten sei, wie ich ihnen angemessen begegnen könnte und gerecht werden, was die Gründe und Ursachen ihres Handelns sein könnten und inwieweit ich sie zu verstehen versuchen sollte... während sie mich bereits mit flüssigem Teer übergießen und ihre Federkissen über mir entleeren.

Manchmal ist der Verstand auch richtig fies drauf und dreht sich unablässig im Kreise.

Ich sollte besser gehen, aber erst wenn ich mir sicher bin, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wobei ich den Absprung nicht verpassen darf, sonst bleib’ ich zuletzt noch hier kleben, noch aber ist die Stunde nicht gekommen, mir ganz sicher sein zu können, den richtigen Moment zu erwischen und nicht vorbeiziehen zu lassen, bis es irgendwann zu spät ist, worüber ich mir jedoch noch nicht ganz klar geworden bin, ob es denn wirklich schon die rechte Zeit ist, nach der passenden Gelegenheit Ausschau zu halten, wobei ich unter anderem berücksichtigen muss... während mir die Querschläger nur so um die Ohren pfeifen und mein Stetson zersiebt ist wie der Teller eines Goldwäschers, Fanda längst in meine Jackentasche abgetaucht versteht sich.

Wenn ich mir andrerseits so manch honorigen Zeitgenossen vor Augen führe, der da von sich behauptet, die Dinge des Lebens durchschaut zu haben und die Beweggründe der Menschheit begriffen, weil sein Verstand ihm die Rätsel des Daseins in mühsamen Studien entschlüsselt habe, was er nun unverzüglich aller Welt mitzuteilen sich gedrängt fühlt, um sie zu erleuchten, das Menschengeschlecht zu verbessern und auf den rechten Weg zu führen- der da in Wahrheit nichts anderes ist als ein selbstgefälliger Volltrottel und aufgeblasenre Besserwisser, dem ich es nicht einmal anvertrauen würde, Infini zur Tränke zu führen, weil ich mir nie sicher sein kann, ob er ihn nicht beim Spiritusfässchen abstellt oder beim Mälzsud, den mein Dickerchen ganz nebenbei mit großem Vergnügen schlabbert... dann fällt mir dazu wirklich nur das Bild eines überaus lästigen Narren ein, der sich da unter seiner Hirnschale über ihn und uns totlacht.

Fanda, grüner Knirps und seines Zeichens Geisteswissenschaftler, ist inzwischen zu der festen Überzeugung gelangt, dass die Annahme einer Logik im menschlichen Denken aus einer Mischung von Beschränktheit und Hochmütigkeit hervorgegangen sein muss, weil die Logik als solche -zumindest für den Menschen- nicht existiert. Was man unschwer an mir erkennen könne, wenn ich mal wieder in hohem Bogen aus einem Saloon fliege, weil ich mein lästerliches Schandmaul nicht bändigen konnte oder einfach nur Klartext geredet habe, was die Handhabe seitens der Kerle betreffend schon allein deshalb völlig unlogisch sei, weil sie mir einfach nur das lose Mundwerk hätten zu stopfen brauchen, wofür die Grobiane allerdings eine logische Begründung gebraucht hätten, und eine solche würden sie in hundert Jahren nicht finden, was nun nicht daran liegt, dass sie nicht logisch sondern überhaupt nicht denken können.

Wenn ich verlegen dazwischenschiebe, dass ich in Zukunft um den Saloon oder besser gleich die ganze City logischerweise einen großen Bogen machen werde, erwidert er, dass das keineswegs logisch sei, ich hätte einfach nur meine Zunge im Zaum und den Schnabel halten sollen, stattdessen in Ruhe aufmerksam zuhören, und wäre zu genau dem selben Ergebnis gekommen, ohne dass seine Winzigkeit samt Hut eine unfreiwillige Flugreise hätten machen müssen, von mir altem Kartoffelsack einmal abgesehen.

Manchmal kann er richtig fuchsteufelswild werden, der grüne Wicht. Dreh’ ich mich andrerseits auf dem Stiefelabsatz um und breche erneut durch die Schwingtür, hüpft er regelrecht vor freudiger Erwartung unter meinem Hut und quietscht vergnügt: „Ei wie fein, gehen wir da rein?“

Mit dem russischen Einwanderer Korsakow ist es diesbezüglich noch viel schlimmer. Immer wenn ich dem bärtigen Burschen mit seiner aufragenden Fellmütze, die er winters wie sommers trägt, begegne, schwärmt er mir vor, was für ein prächtiges und wohlgenährtes Pferd ich doch habe, grüße ich ihn, meint er überrascht „äh, kennen wir uns?“, auch mein „flüchtig, nur flüchtig“ hat er offenbar nie zuvor gehört. Nachdem ich ihm im Laufe eines halben Jahres etwa ein dutzend Mal über den Weg geritten bin, meint er plötzlich „namirje, Desperado, lange nicht gesehn, ein halbes Jahr dürft es wohl sein.“ Aus dem wirst du nicht schlau, der könnte jeden Morgen am selben Bahnhof in den selben Zug steigen mit der unerschütterlichen Überzeugung, dass er's zum ersten Mal tut. Oder irgendwann erzählen „heute bin ich früher dran, hab gestern meinen Zug versäumt“.

Und kein Mensch kann sich erinnern, wann das gewesen sein soll.
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Alt 19.10.2013, 18:17   #2
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Standard Desperado..

..wann hast Du das geschrieben?

Edit.

Jetzt habe ich im Forum gelesen...es ist nicht etwas aktuelles.

Lohnt es sich denn es zu lesen? Es sind immerhin etwa 12 Seiten
im Word...
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Alt 19.10.2013, 18:47   #3
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Zitat:
Zitat von marlenja Beitrag anzeigen
..wann hast Du das geschrieben?

Edit.

Jetzt habe ich im Forum gelesen...es ist nicht etwas aktuelles.

Lohnt es sich denn es zu lesen? Es sind immerhin etwa 12 Seiten
im Word...
Ob es sich zu lesen lohnt, marlenja,

musst Du ganz allein selbst entscheiden. Und wissen kannst Du's erst, wenn Du's gelesen hast. Kannst es ja vierteln, muss ja nicht in einem Zug geschehn.

Es ist, wie so ziemlich alles im Federhut, stückweise im Laufe von rund zwei Jahren entstanden, hier ist zB der Anfangsteil das jüngste, beim Rest kann ich selbst es nur noch ungefähr einordnen, da ich meine Einschübe und Nachträge undatiert hinzufüge, unter anderem ist das Lied Gethsemane aus der Rockoper Jesus Christ Superstar eingeflochten. Stellenweise ist es bei aller Tragik auch ganz lustig, keine Bange.

Danke für Dein Interesse
Desperado
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Alt 19.10.2013, 19:11   #4
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Glaubst Du nicht, Desperado, dass dieser Platz bereits von Amazon besetzt ist?

Wenn ich mehr als drei Seiten lesen will, kaufe ich mir das Buch. Und über dieses Buch habe ich mich meistens vorher gut informiert. Aber ich habe noch nie seitenweise gelesen, was mir vor die Füße geworfen wurde.

Ich dachte, ich sei in einem Forum. Oder ist das inzwischen ein Verlag, und ich hab's nicht mitgekriegt?
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Alt 19.10.2013, 19:55   #5
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Zitat:
Zitat von Desperado Beitrag anzeigen
...wissen kannst Du's erst, wenn Du's gelesen hast.
Jetzt
ist es ausgedruckt
bereit
von mir zu lesen
damit ich wissend sagen kann
ob es auch lohnend war...

Gute Nacht Coboy

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Alt 20.10.2013, 07:25   #6
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Gute Idee, marlenja!
Und wie gesagt, nicht allzu tödlich ernst nehmen das Ganze.

Und für Dich, Ilka-Maria,
und alle, die das Anekdötchen für ein Buch halten, hab ich eine leicht geraffte Kurzfassung.


Im Irrenhaus

Eines Tages hatte ich die Schnauze dergestalt voll von allem, dass ich beschloss, sie mir samt Schädel an die Decke zu pusten.

Hózhó konnte mein Vorhaben gerade noch verhindern, und weil sie den Weg zum Mescalero nicht kannte und der viel zu weit weg ist, kutschierte sie mich schnurstracks ins nächstbeste Irrenhaus, eine der großen Nervenheilanstalten, die sie nach dem Bürgerkrieg aus der Erde stampften, als die Menschen über seinen Schrecken scharenweise den Verstand verloren hatten.

Da saß ich nun also unter all den verlorenen Seelen, die den Krieg im Kopf mit sich herumschleppten oder sonst wie auseinandergekommen waren, manchen zerfraß die Syphilis das Hirn, andere hörten Stimmen, wieder andere schrien ohne Grund und Anlass und wollten nicht mehr aufhören zu schrein, und als ich all das Elend sah, sagte ich zu mir: „Eigentlich gehörst du hier gar nicht hin, du wolltest dir doch nur das Licht ausblasen, und wenn du dich so umschaust, kannst du gar nicht mehr so genau sagen warum.“

Ich verstand mich ja auch prächtig mit den verrückten Vögeln, einige hab ich sogar ganz liebgewonnen. Nur mit dem Doc, einem schrulligen Kerl mit Monokellupe auf der spitzen Nase, hatte ich so meine Troubles. Der humorlose Knilch wollte meine Späßchen einfach nicht verstehen, hielt mich für durchgeknallt und wollte mich einfach nicht mehr hergeben. Es blieb mir also notgedrungener Weise nichts anderes übrig, als ihn davon zu überzeugen, dass ich ein hoffnungsloser Fall sei. Was mir mit ein wenig Mühe schließlich auch gelang.

Ich war schlicht und einfach nur heilfroh, noch am Leben und endlich wieder bei meiner Hózhó zu sein. So gesehen war die Sache alles in allem und trotz allem eine heilsame Angelegenheit.
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Alt 20.10.2013, 08:23   #7
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Guten Morgen, Desperado,

och nee, mir gefällt die Langfassung viel, viel besser. Faszinierend, toll geschrieben. Danke, setzt einiges in Gang. Meine Ideen dazu sind aber noch zu verworren, muss ich noch ordnen.

Danke für den Text,
lieben Gruß,
simba
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Alt 20.10.2013, 10:21   #8
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Mir gefällt weder die Lang- noch dir Kurzfassung. Da steht nichts Gehaltvolles drin. Vergeblich gesucht.
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Alt 20.10.2013, 11:10   #9
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Zitat:
Zitat von simbaladung Beitrag anzeigen
och nee, mir gefällt die Langfassung viel, viel besser.
Das freut mich, simba,

zumal die Kurzfassung ja fast als Gegenteil der Fassung in herkömmlicher Buchkapitellänge gedeutet werden könnte, aber wie gesagt...

Du sagst einfach irgendwas, was dir grade so einfällt von alledem, was du hier oder dort schon mal irgendwo gehört hast hierzu oder dazu, wenn die lieben Leute denn unbedingt was hören wollen, und wenn sie um den Pueblofrieden keine Ruhe geben wollen, sagst du eben irgendwas anderes, ohne dabei darauf zu achten, ob es sich womöglich um das genaue Gegenteil dessen handelt, was du zuvor gesagt hast.

Was so zwar nicht stimmt, da sind schon ein paar bescheidene Muschelperlen drin verborgen. Hinter der Schale, klar. Wer sucht, der findet!

Schönen Kirchweihsonntag!
Desperado
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Alt 20.10.2013, 11:24   #10
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Mir gefällt weder die Lang- noch dir Kurzfassung. Da steht nichts Gehaltvolles drin. Vergeblich gesucht.
Warum sollte ich meinen Krug in den Amazonas kippen, nur weil er dort genug Platz hat, um im Nirgendwo verschwinden zu können? Oder andersrum, wenn ein Schnapsglas keinen Liter fassen kann, ist das Bier deswegen nicht schlechter, sondern das Trinkgefäß das falsche. Wenn nun ein Literaturforum nicht das Raumvolumen hat, ein lumpiges Buchkapitel darin unterbringen zu können, verdient es seinen Namen nicht.

Nichts Gehaltvolles? Daran hab ich offen gestanden keinen Gedanken verschwendet. Gehalt ist nicht alles, ja bisweilen fehl am Platze. Es gibt ja auch alkoholfreie Getränke, die gut munden. Wasser zum Beispiel. Ein Automotor braucht sogar gehaltlos destilliertes, um in die Gänge zu kommen.

Aber Danke für's lesen, muss Dir ja nicht gefallen, wieso auch?

Schönen Tag!
Desperado
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Alt 20.10.2013, 11:38   #11
weiblich marlenja
 
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Standard Hallo Desperado

Da ist viel drinnen. Drei Stückchen davon möchte ich bringen. Zwei zitierte und eins Zusammengefasst in einem Satz von mir.

1. Die Trennwand zwischen geistiger Verwirrung und sogenannter Geisteskraft ist hauchdünn, die Uebergänge fliessend...

2. Denn alles was ich fühle, ist unendliche Einsamkeit.


3. Das mit dem: Sagen - finde ich, sagenhaft gut gesagt.

Wohl dem der klaren Geistes den Weg zu Ende gehen darf .
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Alt 20.10.2013, 16:04   #12
männlich Desperado
 
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Zitat von marlenja Beitrag anzeigen
Wohl dem der klaren Geistes den Weg zu Ende gehen darf .
Oder, wie Orson Welles so schön sagte: Der Mensch wird als Genie geboren und stirbt als Trottel.

Nö, Krampf, ich freu mich wirklich, dass Du etwas für Dich Bedenkenswertes gefunden hast!

Friedlichen Sonntagnachmittag
Desperado
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