Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 03.10.2012, 18:17   #1
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Standard Wüstencities

Ein Dutzend dürfte es locker sein.

Cities und Villages, in denen ich Hausverbot aufgebrummt bekommen hab, aus deren Baulichkeiten und Straßenzügen ich mit dem Stempel „unerwünschte Person“ zurück in die Wüste gejagt wurde und noch froh sein durfte, mit halbwegs heiler Haut davongekommen zu sein. Das bringt das freischweifende Leben so mit sich, du kommst viel rum und kannst es nunmal nicht allen und jedem recht machen.

Es genügt ja schon, den hochverehrten Mister Präsidenten einen Pilatus zu nennen, wenn mal wieder einer der großen Häuptlinge feige und hinterhältig liquidiert wurde, oder den zuständigen Gouverneur als König Herodes zu betiteln, wenn mal wieder ein indianisches Dorf voller Frauen und Kinder entvölkert worden ist, um als stinkender Indianerfreund, Verräter des amerikanischen Gedankens und Gotteslästerer obendrauf hochkant aus dem Saloon zu fliegen, als böswilliger Anstifter einer wüsten Schlägerei ein paar Tage im Jail abzusitzen und schließlich als überführter Unruhestifter und Störenfried der City verwiesen zu werden mit der unmissverständlichen Auflage, mich nie wieder in der Gegend blicken zu lassen, es sei denn, ich würde Wert auf eine Bekanntschaft mit dem Strick legen.

Dass ich diese biblischen Gestalten nicht selten auch nur deshalb zur Bezeichnung der charakteristischen Eigenschaften der Regierungsvertreter bemühe, weil mir die tatsächlichen Namen der jeweiligen Exponenten entweder grade oder überhaupt nicht bekannt und geläufig sind, muss ich den Leuten ja nicht ausdrücklich unter die selbstgerechte Nase reiben.

Nicht wenige dieser kleinen Wüstencities entlang der Flussläufe sind merkwürdige Gebilde aus isolierten Kleinstaaten, in denen sich straffe Hierarchie und aus dem Ruder gelaufene Anarchie nicht nur die Hand reichen, sondern eine Art Verbrüderung eingegangen sind zum Zwecke gemeinsamer Herrschaft, wobei diese sich in den Händen einiger Weniger befindet, die ihr Diktat mittels anarchistischer Willkür aufrecht erhalten, ein Widerspruch in sich, der jedoch glänzend funktioniert, da nur die Herrscher den Vorzug der Herrschaftslosigkeit genießen, derdieweil sie nicht nur unberechenbar sondern eben auch unbeherrscht sind.

Und wenn dann ein wildfremder Dahergelaufener sich weder um ihre gefestigte Machtposition noch um ihre augenscheinliche Unbeherrschtheit schert, sondern Tacheles redet, wenn sie gegen die ungeschriebenen Gesetze der Wüste verstoßen und die Bewohner ihrer Nester gängeln und kleinhalten, reagieren die derart gemaßregelten Herrschaften mitunter ausgesprochen kleinlich und erstaunlich ungehalten, anstatt ihm dankbar zu sein, dass er sie als neutraler Beobachter aus purer Selbstlosigkeit auf diese offensichtliche Fehlentwicklung menschlichen Zusammenlebens aufmerksam gemacht hat. Versteh das wer will.

Es erstaunt mich immer wieder, wie schwer sich Leute dieses Schlags mit der Wahrheit tun, die es natürlich nicht verabsäumt haben, aus Gründen der Sicherheit den Sheriff samt Deputies zu kaufen, die einflussreichen weil vermögenden Leute durch Schmiergelder hinter sich zu bringen und den Bürgermeister zu einem ohnmächtigen Hampelmann zu degradieren, es ist kaum zu glauben, wie wenig bis garnichts sie von derselben vertragen können.

Heißt mich zum Beispiel einer dieser nobelsamtbefrackten Gentleman einen nutzlosen Herumtreiber und ich erwidere ihm –dankbar ob seiner unverblümten Offenheit- ebenso ehrlich, dass er ein schamloser Schnallentreiber sprich Hurenbock sei, gilt mit einem Male das vielgepriesene Ideal der Gleichheit keinen Cent mehr.

Da heult wie auf Kommando ein Aufschrei der Entrüstung von allen Seiten, als hätt ich dem Manne das Messer in den Bauch gerammt, als hätte ich ihn ohne jeden Grund und Anlass schwer beleidigt und auf gröblichste Weise in seiner Ehre gekränkt. Irgendwie mangelt es Menschen wie diesen an der Fähigkeit, Haben und Sein voneinander unterscheiden geschweige denn trennen zu können, in ihren verqueren Köpfen scheint die krude Logik das Regiment übernommen zu haben, dass einer, der da mehr hat als andere, deshalb auch mehr ist oder zumindest zu sein hat, ich werde die absonderlichen Gedankengänge dieser Art von geistiger Verwirrung nie nachvollziehen können und muss es wohl auch nicht.

Wie dem auch immer sei mit der Verlustigkeit ihrer Denkfähigkeit und Vernunft, selbstredender Weise bin ich und ich ganz allein es, der da für Unruhe gesorgt hat und Unfrieden gestiftet, weil sie folgerichtigerweise noch sehr viel weniger unter Ursache und Wirkung unterscheiden können, wenn es ihnen schon an den einfachsten Einsichten mangelt, weshalb allein schon die Tatsache, dass bis zu meinem Auftauchen schließlich Frieden geherrscht hat in ihren Domänen, oder wenigstens das, was sie darunter verstehen, für sie als Beleg meiner alleinigen Urheberschaft und böswilligen Täterschaft ausreicht.

Naja, was willst du machen, so läuft das eben bei den selbsternannten Herrschern dieser gottverlassenen Wüstennester, Gerechtigkeit ist ausschließlich das, was sie darunter verstehen und wenn überhaupt, dann ausschließlich zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, mit der Wahrheit verhält es sich selbstverständlich nicht anders, die steht nicht nur immer und ausnahmslos auf ihrer Seite sondern einzig ihnen zur willigen Verfügung.

Und dann wundern sich die Leute, weshalb ich die Wüste als Aufenthaltsort ja Heimat der Sicherheit ihrer Siedlungen vorziehe, eine schreckliche und bedrohliche Wüste, in der keiner von ihnen den Abend erleben würde.

Nicht einer. However.
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.10.2012, 23:14   #2
weiblich Poetibus
 
Benutzerbild von Poetibus
 
Dabei seit: 09/2012
Ort: Einfach geradeaus und dann links abbiegen.
Alter: 56
Beiträge: 562


Hallo, Desperado,

wieder eine ausgezeichnet geschriebene Geschichte. Wie schnell schaffst du es eigentlich, zu schreiben? Wenn du so flink bist, habe ich kaum Zeit, ein passendes Adjektiv zu finden. Wofür? Na, für's Loben natürlich.

Ein Gutteil dessen, was deine Geschichten für mich so gelungen macht, ist das oft schelmische "Zwinkern", das, abgesehen natürlich von den sehr ernsten Passagen, bei mir immer wieder für sämtliche Abstufungen vom Schmunzeln bis zum Grinsen sorgt.

Und die "Mischung" zwischen diesem "Zwinkern" mit dem "Ernst" trägt ebenfalls dazu bei - die "Mischung macht's".

Hier möchte ich aber doch einen kleinen Vorschlag machen:

Zitat:
Wie dem auch immer sei mit der Verlustigkeit ihrer Denkfähigkeit und Vernunft, selbstredender Weise bin ich und ich ganz allein es, der da für Unruhe gesorgt hat und Unfrieden gestiftet, weil sie folgerichtigerweise noch sehr viel weniger unter Ursache und Wirkung unterscheiden können, wenn es ihnen schon an den einfachsten Einsichten mangelt. Weshalb allein schon die Tatsache, dass bis zu meinem Auftauchen schließlich Frieden geherrscht hat in ihren Domänen, oder wenigstens das, was sie darunter verstehen, für sie als Beleg meiner alleinigen Urheberschaft und böswilligen Täterschaft ausreicht.
Ehrlich gesagt, verlor ich trotz der Kommata ein wenig den "inhaltlichen Faden", da es ein einziger Satz ist. Ein Punkt, also die Aufteilung in zwei Sätze würde mir hier gefallen, es sorgt für eine kleine "Pause". Ist aber nur ein Vorschlag zur Güte, wenn es ganz absichtlich so sein soll, dann vergiss einfach, was ich gesagt habe.

Frag mich aber nicht, warum es etwas "früher" in der Geschichte nicht so auf mich wirkt. Ich vermute, weil ich mich vorher schon konzentrieren musste und die Konzentrationsfähigkeit irgendwann nachlässt. Wie gesagt, ich denke nur, dass es vielleicht so ist.

Wieder einmal sehr gerne gelesen.

Freundlichen Gruß,

Poetibus
Poetibus ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.10.2012, 15:27   #3
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Zitat:
Zitat von Poetibus Beitrag anzeigen
Ein Punkt, also die Aufteilung in zwei Sätze würde mir hier gefallen, es sorgt für eine kleine "Pause".
Danke Dir, Poetibus, und Du hast recht, ich neige zu Schachtelsätzen, hab Deinen Vorschlag in mein Script übernommen.

Schönen Herbststag!
Desperado
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Wüstencities




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.