Gunman

[Desperado]

Ob die Berufsgattung des Gun Man eine Zeile wert ist, sei dahingestellt.

Die Wüste bleibe verschont von Seinesgleichen. Taucht wirklich mal einer auf, wird er nicht einmal mehr den Duft meiner Zigarillos schnuppern können.

Sein undurchschaubares Naturell unterscheidet sich von dem seiner Zeitgenossen dadurch, dass er im Grunde keins hat. Der Gunman funktioniert, das ist alles. Er ist ein überragender Blender und Täuscher, das muss man ihm neidlos zugestehen. Ein Wolf im Schafspelz wie er im Buch der Bücher steht. Es ist weißgott kein Zufall, dass der Gunman im knöchellang dunklen Mantel einherschreitet, einen flachkrempigen Hut auf dem Kopf, wie ihn die Wanderprediger zu tragen pflegen. Er hat immer eine Bibel im Gepäck, aus der er bei Gelegenheit in ernste Andacht versunken zitiert. Die beste Gelegenheit, die sich ihm für seine Belehrungen bietet, ist die eigenhändig erledigte Hinrichtung eines Gejagten.

Eingedenk der Tatsache, dass ein geworfenes faules Ei für ein Konterfei auf dem Steckbrief reicht, wenn sich als Ziel des Wurfgeschosses ein Gouverneur oder dergleichen notorische Lügner anbieten, ist er nichts anderes als ein Kopfgeldjäger mit staatlicher Lizenz.

Durch und durch gescheiterte Existenzen sind es, die diesen Drecksjob erledigen, Männer ohne Ehrgefühl und Gewissen, Lebewesen ohne Herz und Seele. Ich glaube, dass die Sonnenstrahlen einen Bogen um sie machen.

Sie treten an dich heran wie der gute Kumpel mit dem flotten Spruch auf den Lippen, der alles versteht und alles verzeiht, so lange er deiner noch nicht habhaft ist, und zum Scharfrichter wird, sowie er dich am Kragen hat. Er lädt dich freundlich zu einem Poker ein, in der Gewissheit ihn zu verlieren, weil er ein miserabler Spieler ist, und knallt dich als Falschspieler über den Haufen, ehe du dein Blatt aufgedeckt hast. Ja er stiehlt dir dein Pferd unterm Sattel weg und erschießt dich als überführten Pferdedieb, den er auf frischer Tat ertappt hat.

Der Gun Man bevorzugt langläufige Army Colts mit angeritzter Munition, bei deren Einsatz niemand Gefahr läuft, sich eine Kugel „einzufangen“, weil diese aufgrund der Tatsache, dass er seinen Opfern völlig unvermittelt und aus nächster Nähe in den Rücken zu ballern pflegt, durch die Ärmsten hindurchgeht wie durch Butter und ihnen ein faustgroßes Loch in den Körper reißt, so dass sie ausbluten lässt egal wo er sie erwischt. Und schießt er zur Abwechslung mal notgedrungen aus größerer Entfernung, zerfetzt sie sein mörderisches Geschoss von innen heraus nicht weniger todbringend.

Wenn es jemanden gibt, den selbst ein Desperado zu fürchten hat, ist es der Gunman. Seine einzige Absicht ist töten, seine gesamte Persönlichkeit besteht aus dieser Absicht, und er besitzt alle Fertigkeiten, diese erfolgreich umzusetzen. Da ich die Kerle schon Tage vor ihrer Ankunft wittere und mir ihr Herannahen rechtzeitig von meinen Freunden, den Kojoten gemeldet wird, die er aus purer Mordlust abzuknallen liebt, hatte ich schon seit Ewigkeiten keine Begegnung mehr mit einem der Ihrigen und bin offengestanden auch nicht besonders scharf darauf.

Wenn sich ein Gunman an dich heranmacht, dann füll ihn ab mit Whiskey, und wenn es dich den letzten Penny kostet, denn das Feuerwasser ist seine Achillesferse, am nächsten Morgen wird seine Hand zittern und du hast eine wenn auch kleine Chance, dass er dich auf der Flucht verfehlt. Ist er aber trocken, was ihn noch viel gefährlicher macht, dann lotse ihm eine oder mehrere entsprechende Ladies zu, denn jene Damen sind dem notorischen Schnallentreiber ein stets willkommener Zeitvertreib. Und wenn er mit diesen zugange ist, sattle dein Pferd und reite so weit und schnell du kannst, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter dir her.

Denn genau das ist der Fall.

Wenn dir aber weder das eine noch das andere möglich ist, dann sieh zu, dass du ihn vor einen Spiegel lockst. Vor dessen wiederspiegelnder Fläche wird er entzückt stehen bleiben und sich voller Wohlgefallen betrachten, in Pose werfen, von allen Seiten bewundern, allerlei eitle Gesichter ziehen und Grimassen schneiden, Krümel aus seinen Zähnen pulen, sich die Brauen glatt streichen, die Haare zurechtrichten und Fussel von Hut und Mantelkragen zupfen. Wundere dich nicht, wenn du sein Abbild im Spiegel nicht erkennen kannst, der Gunman ist nichts anderes als sein eigenes Spiegelbild, das sich nur für seine selbstverliebten Augen sichtbar macht.

Er ist andrerseits nicht dazu in der Lage, dein Spiegelbild vom Original zu unterscheiden, für ihn gibt es weder links noch rechts, echt noch unecht, richtig noch falsch, gut noch böse, Wahrheit noch Lüge, ihm ist alles gleich. Wenn du ihn mit deiner Spiegelung zu täuschen vermagst, dann tu es, er wird wutentbrannt den Spiegel zu Glasstaub schießen. Kannst du aber seine Selbstbespiegelung zur Flucht nutzen, nutze sie. Kannst du es nicht und ihn von einem verborgenem Platz aus beobachten, dann verfahre mit ihm, wie du es für richtig und angebracht hältst. Du kannst warten bis er fertig ist, was eine ganze Weile dauern kann, oder aber, wenn dir dein Leben lieb ist...

Aber ziele gut, sorgfältig und genau.