Sichtung der Kindheit

[TheBigBang]

Ich war ein Kind und hatte dürre
kleine Arme.
Ich hielt die Arbeit aus,
zwischen dem Brodeln der Kochtöpfe
addierte ich Zahlen...

Ich weiß es noch:
Wie ich jeden Abend die Bücher las
und wenn ich was nicht wusste,
tats mir leid.
Ich schwitzte, während die Suppe köchelte...

So steh ich verborgen am Gartenzaun,
ein großes Mädchen - zwanzig bald.



geschrieben 2009

[Litteralia]

Hallo Cindy,

das Gedicht berührt mich sehr. Es ist wunderschön!
So echt, es lässt regelrecht mitfühlen.

Liebe Grüße,
Jana

[TheBigBang]

Hey Jana,

dankeschön für dein Lob...
Ja, genau das wollte ich, dass andere mitfühlen können, danke für deine Worte...

Cindy

[Ilka-Maria]

In wenigen Worten steht viel Bedenkenswertes drin. Die Einfachheit ist umwerfend und macht den Inhalt erst recht bedrückend (aber nicht hoffnungslos). Ich hätte dem Text allerdings mehr Form gegeben, i.e., Strophe zwei hätte bei mir ein möglichst ähnliches Gesicht gehabt wie Strophe eins (Verslängen!):

Ich war ein Kind und hatte dürre
kleine Arme.
Ich hielt die Arbeit aus,
zwischen dem Brodeln der Kochtöpfe
addierte ich Zahlen...

Ich weiß es noch: Wie ich jeden Abend
die Bücher las,
und wenn ich nichts wusste,
tats mir leid. Ich kam ins Schwitzen,
während Suppen köchelten ...

Die letzten beiden Verse habe ich weggelassen, weil sie für mein Empfinden keine Aussagekraft haben - jedenfalls führen sie den Text nicht weiter. Sie sind daher überflüssig. Ich fände es auch besser, den Ausgang offen zu lassen und die Phantasie des Leser zu beflügeln: Was ist wohl aus dem jungen Menschen geworden, der sich in seiner wichtisten Entwicklungsphase zwischen häuslichen/familiären/beruflichen Pflichten und dem Eifer zu lernen sich aufrieb? Vielleicht eine Küchenhilfe oder Köchin, die sich weiterbildet? Deshalb am Ende der Plural mit den Suppen.

Schöne Idee, schnörkellos umgesetzt und für einen alten Hasen wie mich tröstlich zu lesen.

Lieben Gruß
Ilka

[TheBigBang]

Liebe Ilka,

danke für deinen Kommentar und dein Lob...
Die letzten zwei Verse sind für mich sehr wichtig, auch wenn sie den Text vom Inhalt her nicht weiterbringen sind sie dennoch nicht überflüssig, weil sie den Text aus dem Erzählen herausholen und ausserdem das Versmaß aufheben... Es ist ein Bruch im Gedicht, wie auch ein Bruch im Leben der jungen Frau, des Lyrischen Ichs...

Cindy

[Ilka-Maria]

Aha - da muss ich wohl nochmal drüber nachdenken. Das Gedicht ist authentisch, wie sich sehe, denn bis vier kann ich zählen. Offensichtlich bist Du in diesen vier Jahren weitergekommen, sonst hättest Du Deinen Text sicherlich nicht zur Diskussion gestellt.

[TheBigBang]

Zitat von Ilka-Maria

Aha - da muss ich wohl nochmal drüber nachdenken. Das Gedicht ist authentisch, wie sich sehe, denn bis vier kann ich zählen.

Was meinst du mit bis vier kann ich zählen?

[Ilka-Maria]

Zitat von TheBigBang

Was meinst du mit bis vier kann ich zählen?

Na, von 2009 (Entstehung Deines Textes) bis heute: 2013.

Aber meine Formulierung war sowieso scherzhaft gemeint, ich kann nämlich in Wahrheit viel weiter zählen .