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Alt 03.10.2006, 21:04   #1
Manu
 
Dabei seit: 09/2006
Beiträge: 29

Standard Mut

Bedeutung von Mut für die Gemeinschaft

Was ist eigentlich Mut bzw. mutig? Das erste, was einem wahrscheinlich in den Sinn kommt, ist das Bild eines Kriegshelden, der sich für das Vaterland in eine Schlacht stürzt und Horden von Aliens abmetzelt, oder das Bild von Spiderman, der Flugzeuge, mit einem zwischen Wolkenkratzern befestigten Spinnennetz einfängt, King Kong beruhigt und pünktlich um fünf Uhr zum Kaffee und Kuchen zu Hause erscheint. Die Bedeutung und Ziele dieser Art von Mut sind äußerst fragwürdig und sind auch nicht gemeint, wenn ich nach der Bedeutung des Mutes für die Gemeinschaft frage. Den Mut, den ich versuche zu fassen ist eher aus Handlungen und Verhaltensweisen im zwischenmenschlichen Bereich gemeint. Ich würde dies an den Bereich definieren, indem sich Menschen in eine Gemeinschaft begeben und in Kontakt miteinander treten. In diesem Bereich treten oft Meinungsverschiedenheiten auf, die meiner Ansicht nach Mut erfordern. Also ob ich mich z.B. trotz gegenteiliger Meinung aller traue, meine Meinung zu äußern und diese zu vertreten. Denn indem man eine andere Meinung vertritt, beginnt man sich aus der homogenen Gemeinschaft zu lösen und wird von dieser geprüft. Dies alleine wäre bereits ein Gedanke, der einigen Angst einflößen würde. Nun ist es in vielen Gemeinschaften auch so, dass ein individuelles Herausstechen und eine eigene Meinung gar nicht erwünscht sind, sondern ein homogener Zustand und eine homogene Meinung angestrebt wird, sodass das Vertreten einer anderen Meinung zum Ausschluss führen kann.
Wer dies nicht bejahen kann, muss sich eigentlich nur der Geschichte zuwenden, welche voll von Beispielen ist, die belegen, dass eine eigene Meinung gefährlich sein kann. Nehmen wir zum Beispiel den Wissenschaftler Galilei, welcher vor der Kirche fliehen musste, bloß weil er herausfand, dass sich die Erde um die Sonne dreht und dies nicht mit der von der Kirche erwünschten Weltanschauung d’accord lief. Oder nehmen wir einmal die Zeit nach der französischen Revolution, in der jeder aufgehängt wurde, der eine andere Vorstellung von einem Staatssystem hatte, als die meisten. Selbst heutzutage führen nur unterschiedliche Auslegungen ein und derselben Glaubensrichtung zu blutigen Auseinandersetzungen.
Doch wie ist es bei uns? Bei uns herrscht Meinungsfreiheit und prinzipiell können wir für nichts, was wir sagen, was sich ausdrücklich auf unsere eigene Meinung stützt, verhaftet, gefoltert oder gar getötet werden. Fühlen wir uns also frei alles zu sagen, was uns für richtig erscheint? Ich kann diese Antwort zwar nicht stellvertretend für andere geben, aber an meinem eigenen Beispiel lautet die Antwort nein. So habe ich zwar das Recht zu sagen, was ich will, sage dies aber in vielen Fällen nicht. Warum? Angst, die Angst den Platz in der Gemeinschaft zu verlieren, die Angst vor anderen nicht mehr so gut dazustehen. Ich bin also frei alles zu sagen, sage es aber nicht, weil ich Angst habe. Ich muss deshalb Mut haben, wenn ich mich vertreten will, ich muss mich trauen. In diesem Zusammenhang wurde mir auch erst die Wortverwandtschaft zwischen trauen und Selbstvertrauen deutlich. Resultiert Mut also aus Selbstvertrauen?
Irgendwie klingt dies ja auch logisch, denn woher sollte man auch den Mut schöpfen, sich nicht mehr auf das Vorgegebene und Vorherrschende zu verlassen und sich selbst Gedanken zu machen und diese daraus resultierende Meinung vor allen zu präsentieren, wenn man nicht das Gefühl hat, sich auf sich selbst stützen zu können, also selbstbewusst ist und Selbstvertrauen besitzt?
Und in der Tat, jede Berühmtheit aus dem Fernsehen, die sich zu einer Meinung oder Aussage stellt, wirkt auf mich sehr selbstbewusst. Und dass gerade diese da oben steht, hängt sicherlich nicht davon ab, dass bloß sie diese geistigen Ergüsse haben, sondern eher davon, dass nur sie den Mut hatten nach oben auf das Podium zu treten und sich vor die ganze Welt zu stellen. Mit diesen Leuten sind Menschen wie Michael Moore gemeint, die die Medien nutzen um ihren eigenen Staat anzuklagen und auf Missstände aufmerksam zu machen.
Es kostet also eindeutig Mut, seine Meinung zu äußern, aber es kostet mindestens genauso viel Mut, sich zu eigenen Fehlern zu bekennen. Also wird nicht nur Mut benötigt um seine Meinung zu vertreten, sondern auch Mut in der Auseinandersetzung mit anderen, eigene Fehler zu erkennen und sie vor sich und anderen einzugestehen. Dies lässt sich an dem aktuellen Papst – Islamkonflikt belegen. So hat zwar der Papst mehrfach betont, dass er falsch verstanden wurde, aber es nie über sich gebracht, sich vor aller Öffentlichkeit einzugestehen, dass er einen Fehler gemacht hatte, dass er falsch gesprochen hatte, obwohl dies einige sehr hässliche Konflikte vermeiden würde. Ist eigentlich nicht sogar erst unter dieser Voraussetzung, also dem Mut des einzelnen ein friedliches Miteinander möglich?
Wahrscheinlich wäre zu dem auch noch der Mut nötig sich die Meinung eines anderen anzuhören und sich mit ihr auseinander zu setzten. Ein Mangel der in vielen Diskussionen auffällt und sich z.B durch die mangelnde Fähigkeit den anderen nicht ausreden lassen zu können ersichtlich wird. Dem muss auch schon die Angst zugrunde liegen. Vielleicht die Angst Argumenten nichts entgegen setzen zu können, dem anderen also nicht gewachsen zu seien.
Um auf meine ursprüngliche Frage zurückzukommen „Was hat Mut für eine Bedeutung für die Gemeinschaft?“. Vermutlich wäre unsere Gesellschaft bestrebt, anstatt Homogenität Individualität zu erreichen. Vermutlich würden Meinungen und Minderheiten nicht mehr unterdrückt. Vermutlich würden eingefahrene Hierarchien zerschlagen und durch Gleichberechtigung ersetzt.
Doch vermutlich ist der Mensch ängstlich gemacht worden und vermutlich wird er nicht genesen, solange kein Anfang gemacht wird.
Der vorhin angesprochene Mut des Kriegshelden, der sich in eine Schlacht stürzt, ist kein Mut. Es ist Angst, die Angst sich gegen Befehle zu stellen, die Angst sich gegen die Gemeinschaft zu stellen. Eine Angst, die so tief sitzt, dass man lieber stirbt, anstatt sich ihr zu stellen.
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