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Sonstiges Gedichte und Experimentelles Diverse Gedichte mit unklarem Thema sowie Experimentelles.

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Alt 13.11.2009, 18:00   #1
weiblich IsabelG
 
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Standard Bröselpapier

Träumst weiter im Wechselblick
die Taschen voll
den Keks noch zwischen Lippen
Bröselpapier schneidend
schaust mich zu oft an
ja lahmgeblickt
lässt mich das Teelicht fragen
und antwortschwer
seltene Tränenknöpfe schütteln
unsere Klebemäuler
liegen flach
im Papier und Keksgemisch

bis zu der Rotze ist es noch weit
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Alt 15.11.2009, 17:20   #2
männlich moon
 
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Liebe Isa,

nun, du könntest hier natürlich eine reale Situation zwischen zwei Menschen beschreiben, die sich über Kekse hermachen.

Doch ich sehe in deinen Worten etwas anderes. Auch wenn es vielleicht nicht deine Intention gewesen ist, lässt mich einfach das Bild von einem Autor und dessen leerem Blatt Papier, das vor ihm liegt, nicht los.

Zitat:
Träumst weiter im Wechselblick
die Taschen voll
Für mich sind das hier mit Gedanken gefüllte Taschen, bzw. mit Worten. Die Worte werden in Form der Kekse dargestellt. Auch die nächsten Zeilen erschließen sich mir auf diese Art:

Zitat:
den Keks noch zwischen Lippen
Bröselpapier schneidend
schaust mich zu oft an
ja lahmgeblickt
Ein unausgesprochenes Wort hängt zwischen den Lippen, will nicht raus, zerbröselt zwischen ihnen, Fragmente fallen auf das Bröselpapier. Die Worte schneiden deinen Mund wie Papier, weil sie nicht die richtigen zu sein scheinen.

Zitat:
lässt mich das Teelicht fragen
und antwortschwer
seltene Tränenknöpfe schütteln
unsere Klebemäuler
liegen flach
im Papier und Keksgemisch
Das leere Blatt, was nun mit zerbröselten Wörtern vor dir liegt, starrt dich an und du blickst dich im flimmernden Teelicht an ihm lahm. Keine Antworten scheint es für dich parat zu haben. Auch nicht in einem mittlerweile ziemlich zerbröselten Fragemente-Haufen, der vor dir liegt.

Die seltenen Tränenknöpfe sprechen allerdings wieder für eine echte Erfahrung. Hier könntest du die für das Lachen vorgesehenen Knöpfe meinen.
Zitat:
"Liegen flach im Papier- und Keksgemisch"
Vielleicht liegen hier lachende Köpfe auf dem Tisch. So ist auch der letzte Satz eher einer schonmal erlebten Situation zuzuschreiben. Die "Rotze", die du nicht weinst, sondern lachst. Deswegen weit entfernt.

Tja, viel Erklärungsbedarf, liebe Isa. In jedem Fall mag ich es, wie du die Verse angerichtet hast, nämlich so, dass sie sich jeweils auf den vorhergehenden Satz als auch den nachfolgenden beziehen können. Das sorgt für flüssiges Lesen. Das ist es aber auch, was mich zu der Wort-Keks-Theorie gebracht hat. Wörter wie "lahmgeblickt" und "antwortschwer" bleiben hängen. Dass ich deine Sprache sehr mag, weißt du ja bereits. Das wars für den Moment, ich werde den Text nochmal lesen müssen, wie einen guten Film, der beim zweiten Schauen schon wieder ganz neue Erkenntnisse in sich trägt.

moon
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Alt 22.11.2009, 17:48   #3
weiblich IsabelG
 
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Hallo moon,

freut mich dass du dir so ausführliche Gedanken zu meinem Gedicht gemacht hast. Auch wenn ich über manche Interpretationen nur staunen kann

Zitat:
Auch wenn es vielleicht nicht deine Intention gewesen ist, lässt mich einfach das Bild von einem Autor und dessen leerem Blatt Papier, das vor ihm liegt, nicht los.
Sicherlich hat es alles mit einem leeren Blatt Papier angefangen doch eigentlich wollte ich eine Situation zwischen zwei Menschen darstellen. Es sollte so etwas wie ein ungleichgewicht erkennbar sein.

Das lyr. Ich und das lyr. Du sitzen einander gegenüber. Das lyr. Ich sieht wie das lyr. Du Kekse isst, die Kekse sind natürlich für den verlauf der Konversation wirklich unwichtig, sie sollen auch die belanglosigkeit darstellen mit welcher das lyr. Du hier an das Gespräch herangeht. Natürlich bröselt der Keks hier auf den Tisch, genauso wie Worte "bröseln" bzw fallen und das lyr. Ich nachdenklich stimmen, sowie sprachlos zurücklassen ja fast einschneidend sind in dem Moment.

Zitat:
Das leere Blatt, was nun mit zerbröselten Wörtern vor dir liegt, starrt dich an und du blickst dich im flimmernden Teelicht an ihm lahm. Keine Antworten scheint es für dich parat zu haben. Auch nicht in einem mittlerweile ziemlich zerbröselten Fragemente-Haufen, der vor dir liegt.
hier hast du es ziemlich gut getroffen. Die Zeile indem das lyr. Ich das Teelicht frägt ist auch im übertragenem Sinne direkt zu verstehen. Das lyr. Ich ist entsetzt, bekommt keinen Ton heraus, starrt auf das Teelicht und fragt es oder eher sich selbst eine Reihe von dingen die es durch den Kopf gehen. Eine art Lähmung wenn man so will.

In den nächsten Zeilen sollte deutlich werden dass das lyr. Ich alles andere als fröhlich ist. "Tränenknöpfe" wurden von dem lyr. Du gedrückt, wenn auch unbewusst und nicht mit Absicht, doch hier fällt auf wie hart doch belanglose Worte treffen können, vor allem wenn das lyr. Ich doch eine ganz andere Erwartung hat.
"Klebemäuler" stehen hier für die Stille welche nun eintritt nachdem das lyr. Ich in Tränen ausgebrochen ist, damit hat das lyr. Du nicht gerechnet, somit schweigt es.

Zitat:
bis zu der Rotze ist es noch weit
diese letzte Zeile ist auf das Weinen des lyr. Ichs bezogen. Es weint doch bis die Rotze fließt ist es noch weit. Hier soll das ungleiche Verhältnis dargestellt werden mit der beide an das Gespräch herangegangen sind. Man könnte auch den letzten Satz mit : "Bis zu der Verzweiflung dauert es noch" beschreiben. Das lyr. Ich ist verzweifelt wegen der nicht ernsten Haltung des lyr. Dus, doch ist es wohl auch einfach nur in der Erwartung die es hatte enttäuscht worden. Man kann hier nicht dem einem oder dem anderen die Schuld geben, Schuld gibt es in dem Fall nicht, eher übersteigerte Erwartungshaltungen.

Ich danke dir moon für das "gefallen der Sprache" und der mehrmaligen Auseinandersetzung mit dem Text. Mir war wohl klar dass meine Intension sich niemals mit der des Lesers decken würde. Ist aber nur klar. Ich kann jedoch froh sein dass du in Teilen davon annähernd dasselbe Bild hattest wie ich

Dass du dir meinen Text noch öfters durchgelesen hast ist wohl das schönste Kompliment. Danke!

Viele Grüße,
Isabel
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