Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 21.12.2007, 20:11   #1
Hamilkar Barkas
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 97


Standard Medea II (2)

Jason
Die Sänger preisen dich, Medea, unvollkommen.
Doch kann es auch nicht gehen, die Sprache hält nicht stand...

Medea
Sei still, du blöder Hund. Dein Anblick macht mich krank.
Die Dreistigkeit von dir, noch her zu mir zu kommen
Das macht dir keiner nach. Wie kannst du es nur wagen?
Oh, haltet mich, ich kratz ihm seine Augen aus.

Jason (ironisch)
Medea, laß nur ruhig deine Wut heraus.


Medea
Und seiner Stimme Klang. Ich kann’s nicht mehr ertragen.
Du, Drecksack, Lügner, Hund, du Ausgeburt der Feigheit.
Du glaubst ein Held zu sein? Du bist ein Jammerbild,
Karikatur des Helden bloß, ein mieser Wappenschild
des Lugs und des Betrugs; du Untergang der Freiheit.

Jason
Halt endlich dein verdammtes Maul. Wir sollten reden.
Du bist hysterisch, Frau. Der König schickte mich.

Medea
Von selbst kommst du nicht, da schickte Kreon dich.
Es geht ja auch um nichts, nur um der Kinder Leben.
Was kümmert dich das schon, es gibt da bessre Dinge,
die Jason machen kann; ein kleiner, geiler Fick
mit seiner neuen Braut und Kreon, der macht mit. (lacht)

Jason
Der König sagte mir, daß es um Kinder ginge.
Ich denke oft an sie, ich denk‘ nur eben weiter
als du es vielleicht tust. Sie erben Kreons Thron,
denn als der Kleuka Mann, bin ich sein Schwiegersohn.

Medea
Du denkst? Das ist mir neu, stimmt mich jedoch auch heiter.
Da du sein Schwiegersohn, erhalten Bleiberecht
Die Kinder, denkst du dir, denn Kreon ist nicht schlecht.
Und wenn dann Kleuka Kinder kriegt, wie geht’s dann weiter,
wer erbt denn dann den Thron? Du solltest an nichts denken,
das überlasse lieber mir.
Jason: Dem klugen Weib.
Medea (scharf)
Nicht ich war’s, sondern du, der Kleuka hat gefreit.
Spar dir die Ironie, die kannst du dir echt schenken.
Die Kinder erben nichts, sie werden bloß vertrieben,
wenn nicht durch deinen Plan, dann durch den König selbst.
Gewiß geschieht’s nicht so, wie du es dir vorstellst.
Wenn alle Väter ihre Kinder so sehr lieben,
sich so geschickt und klug um ihre Zukunft sorgen,
ist’s glatt ein Wunder, daß die Welt noch immer steht
und sich verdammt nochmal noch immer weiter dreht.
Ein Narr wer Glauben schenkt, des Jasons weisen Worten.

Jason
Verhalte dich nur still und tu, was ich dir sage,
dann geht noch alles gut. Ich habe einen Plan,
der funktionieren wird. Nur du in deinem Wahn,
mit deinem Stolz, kannst noch verschlimmern unsre Lage.
Ich schaffe uns ein Heim, indem ich einheirate
Ins edle Königshaus. Gehören wir dazu,
sind Bürger von Korinth und haben endlich Ruh.
Und wenn du brav das tust, was ich dir dringend rate,
bist du nur kurz verbannt, bald wieder hier willkommen.
Verbirg dich außerhalb und warte dort auf mich.
Nach Jahresfrist erscheine ich und hole dich.
Du siehst, ich bin nicht dumm und handelte besonnen.
Mein Plan gelingt gewiß, schenkst du mir dein Vertrauen.
Ein Jahr versteckst du dich, ich bitt‘ derweil für dich.

Medea
In mir keimt ein Verdacht, der scheint mir fürchterlich.
So reden Männer, eh sie betrügen ihre Frauen.
Und wenn es auch gelingt, im Walde soll ich leben?
Ich bin ein Königskind, von edlem Götterblut
und du verlangst von mir, mit zugestand’nem Mut,
zu hausen in ‘nem Wald, von Tieren nur umgeben?
Das ist ein schlechter Witz, der bringt mich nicht zum Lachen.

Jason
Medea, sieh es ein, man schätzt dich hier nicht sehr.
Du bist den Leuten fremd, sie wollen dich nicht mehr,
die starke, stolze Frau. Man schätzt hier nur die Schwachen.
Korinthens braves Volk hat Angst vor uns; sie denken,
wir beide sein ein Paar, wie blut’ger Mord und Tod
und stünden wir am Strand, der Sand verfärbt sich rot,
wir fräßen Kinder auf und würden Gift ausschenken.
Und du bist schuld daran, weil du geringe Kränkung
Zu einem Anlaß nimmst zur blutrünstigen Tat,
die ihresgleichen sucht, daß unsres Königs Rat
verhängt aus Furcht vor dir das Urteil der Verbannung.

Medea
Ach, Pelion kränkte dich und raubte nicht die Krone?
Es war auch weiter nichts, ein Mißverständnis bloß?
Dein Ehrgeiz ist so klein, wie deine Feigheit groß.
Ich schlug Pelion tot und stieß ihn von deinem Throne.
Auch meines Bruders Tod ist unser Werk gewesen.
Wir beide waren es, wir führten diesen Schlag
zum Schutze unsres Glücks. In meinen Händen lag
nicht meines, unser Glück, in meinem harten Wesen.

Jason
Ach seht, Medeas Leid, die rotgeweinten Augen,
das mißverstand’ne Herz. Sie ist gar nicht so hart
und denkt auch nie an sich, in ihrer noblen Art.
Medea, du enttäuschst, wozu soll das jetzt taugen?

Medea
Ich hab‘ es nicht verdient, mich schamhaft zu verbergen.
Ich fordere von dir zumindest etwas Dank
und das du zu mir hältst, ist das zuviel verlangt?
Was soll aus mir allein im kalten Wald nur werden?

Jason
Du wirst es überstehn, es ist ja nicht für lange.
Ich sagte dir doch schon, du mußt mir nur vertraun,
die Zeit vergeht dir schnell, gleich einem schönen Traum.
Du sorgst dich allzusehr und machst dich selbst nur bange.

Medea (heftig)
Du meinst das wirklich ernst, mich in den Wald abschieben,
wo ich verrecken werd‘, das wäre dir nur recht,
doch wenn du glaubst das klappt, kennst du mich aber schlecht.
Ich hab‘ mich nie beklagt, das mir ein hartes Los beschieden,
jetzt aber klage ich. Man hätte mich warnen müssen,
als ich in Kolchis noch um dich gezittert hab‘,
daß alle Griechen Lügner sind, bis in ihr Grab
und ich dabei wär‘ einen Lügenmund zu küssen.

Jason gibt ihr eine Ohrfeige, daß sie zu Boden stürzt.

Jason
Du hast ja Schaum vorm Mund, bist du jetzt ganz von Sinnen?
So rettest du dich nicht, verwirkst dein Leben noch.

Medea (schreit)
Ich war kein Mensch für dich, nur Haare und ein Loch
zu stopfen nach Belieben. War’s denn gut da drinnen?

Jason
Das reicht, ich gehe jetzt. Das ist nicht zu ertragen,
dein Lästern und dein Schrein. Es tut mir zwar selbst weh,
daß ich dich so, gleich einem Sklavenweibe seh,
doch ungestraft darf mir so etwas niemand sagen.
Wir sind geschied’ne Leut‘. Die Kinder aber bleiben
Bei mir und meiner Frau, denn du bist Abschaum. Hier,
zu meinen Füßen lieg‘ und krieche du vor mir.
Sei dankbar mir, weil wir sie nicht gleich vertreiben.

Medea (entsetzt)
Die Kinder willst du nicht? Du wolltest mich betrügen
und sie verbannen, bei der nächsten Gelegenheit?

Jason
Was stört es dich denn schon? Du bist dem Tod geweiht.
Versteh mich recht, kein Kindsschicksal wird dich betrüben.

Er will sich abwenden.

Medea
Ob Kleuka für dich tanzt? Sie tut doch alles für dich,
so wie auch ich einmal. Gefällt er dir, mein Tanz?
(sie tanzt, beugt sich barbusig vor und nestelt an seinem Schurz.)
Was tut sie sonst noch so? Sie spielt auf deinem Schwanz
‘ne muntre Melodei. Da freut sich jemand schrecklich.
(Zu ihm aufblickend.)
Behalte mich bei dir. Was gilt schon einer Jungen
Ein solches Heldentum. Ich könnt‘ dir nützlich sein.
Du hast mich oft benutzt zu deinen Schweinerein
und hast dich jetzt ganz zum Herren aufgeschwungen.

Jason (stößt sie von sich)
Was glaubst du, wer du bist? Medea ist vergangen,
du bist ganz abgetan, nur noch ein alter Sack
mit Fleisch und Knochen drin. Nun mach schon endlich, pack! (brüllt)
Ich liebe dich nicht mehr, das ist schon vorgekommen!
Nur du sprichst von Verrat, von heil‘gem Treueschwur,
des Ehemannes Pflicht. Was bist du bloß so stur
und hängst dich an mich ran, als wär‘ ich alle Wonnen?

Medea
Behalte mich bei dir, ich will in Demut dienen,
als Amme deiner Braut, für dich als Lustgefäß.
Spritz mir nur ins Gesicht, benutz auch mein Gesäß,
in allem darfst du dich ganz frei an mir bedienen.
Was soll, was kann ich tun, noch weiter vor dir kriechen?
Verfüge über mich, ich werde alles tun,
um dir gefällig sein, in meinem Sklaventum.
Die Frau als ein Besitz, so mögen‘s doch die Griechen.

Jason
Medea, armes Weib, was ist aus dir geworden?
Als Pelion zu uns kam, und uns den Lohn enthielt,
hast du ihn angeschrien und Rachegott gespielt.
Du sagtest es ihm zu, du würdest ihn ermorden.
Ich vielem warst du gut, doch nicht im Knie beugen.
Bewundert hab‘ ich dich, die zügellose Wut,
die große Willenskraft, der Löwin gleicher Mut,
wo ist das alles jetzt? Du sollst dich nicht verbeugen.
(will sie aufheben, aber sie bleibt zu seinen Füßen.)
Du sollst am Leben sein, weit weg, in großer Ferne;
auf weichen Kissen ruhn, in eines Königs Bett.
Du sollst Medea sein, nicht weise und gerecht,
doch immer wild und schön, so mochte ich dich gerne.

Medea
Nur eine Bitte noch, die mußt du mir gewähren.

Jason
Ich mein‘ es gut mit dir, hab keine Scheu und frag.

Medea
Ich möchte etwas Zeit, noch einen kurzen Tag.

Jason
So eine Kleinigkeit, werd‘ ich dir nicht verwehren.
Er streichelt ihren Kopf und geht dann ab. Medea springt auf.

Medea
Ich soll Medea sein? Du solltest so nicht scherzen.
Ich solle wütend sein? Ich bin vom Haß durchtränkt.
Ich solle stürmisch sein? Dir sei ein Sturm geschenkt,
durch den die Welt ertrinkt in einem Meer von Schmerzen.
Ich bin das scharfe Schwert in meines Feindes Herzen,
ich bin dem Adler gleich, der ihre Leber frißt
und bin die Waage auch, die ihre Schmerzen mißt.
Das wird ein Blutgericht, ein schönes, blut’ges Scherzen.
Ich bin dem grimmen Tod als seine Braut versprochen
und tret‘ vor den Altar mit blutigroter Hand
und deiner Kleuka Herz als schönes Liebespfand.
Ich gleich dem wilden Tier, das frisches Blut gerochen.
Medea ist erwacht und wird sich blutig rächen
am König von Korinth und seinem lieben Sproß,
die sich zuviel getraut und eine Frucht genoß,
die nicht für sie bestimmt. Ihr Herzblut werd‘ ich zechen.
Der König ist gewarnt, hat Angst vor meinen Schlichen,
das macht es mir nicht leicht, doch auch nicht allzu schwer.
Das machte keinen Spaß, ganz ohne Gegenwehr.
Vorm ersten Sonnenstrahl sind beide längst verblichen. (lacht)
Oh Jason, du wirst alt. Kannst du’s denn noch ertragen,
Medeas Zorn zu sehn? Du hast sie selbst geweckt,
die alte, schwarze Kraft, die Pelion hingestreckt.
Wenn sie nun dich betrifft, was wirst du dazu sagen? (feierlich)
Noch eh der Tag sich neigt, vernehme ich deine Weinen
ob deiner toten Braut. Hekate selbst hört dies,
bezeugt den heil’gen Eid; ich schwöre ihn auf’s Vlies.
So werden sich der Tod und die Geburt vereinen.

Chor
Das Leid hat Wahnsinn angelockt.
Medea, bitte nicht.
Ihr seht Korinthens Fraun geschockt,
man spricht von Morden nicht.

Besinnt euch auf der Götter Tun,
es leite euer Herz.
In allem hielten wir zu euch,
in eurem Leid und Schmerz.

Medea
Die Ehre sucht mich nicht und hätt‘ mich nie gefunden,
drum nennt mein Handeln schlecht, doch haltet euch da raus.
Ich bleibe hier allein und fechte meinen Strauß,
umkehren kann ich nicht, der Eid hält mich gebunden.

Chor (Gegenstrophe)
Versöhne dich mit Jason schnell,
auch er schwor einen Eid.
Du Sonne, scheine weiter hell
und Mond, mach dich zur Flucht bereit.

Die Nacht gebiert den blut’gen Mord
An diesem schönen Ort.
Der Tag, er wehrt der dunklen Tat,
doch sehen wir, sein Ende naht.
Hamilkar Barkas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.04.2008, 22:58   #2
MutedStoryteller
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 307


so... bis hier erst mittlerweile einen ganz guten Überblick über die Rezeptionen und wollte eigentlich nur mal reinschnuppern:
Bin aber kleben geblieben.
Mir gefällt das Reimschema sehr gut, der ganze Text erscheint mir ausgesprochen flüssig und sinnig. Auch nimmt der Text (bis hier) Abstand von einigen Klischees und den häufig überspitzen Figuren Konstellationen. Er stellt Medeas Chor einseitiger da als die Figur sich selbst was mir sehr gut gefällt. Mir mag die sprachlichen Ideen und die stilistischen Elemente.

Am besten gefiel mir bis jetzt der Kreon Dialog. Die Dynamik regt zum mitdenken an.

(Lieblingsstelle)
"Kreon
Ich fürchte, daß es reicht.
Chorführerin: Beseht nur ihr Gesicht;
von Tränen ganz entstellt.
Kreon: Das reizt mich nur zum Gähnen."

Gerne gelesen und ich werde auch noch fortfahren!
Eine echte Abwechselung zum dem Was wir in der Schule behandeln "duften".

Grüße
Muted Storyteller
MutedStoryteller ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Medea II (2)




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.