|
|
Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen. |
|
Themen-Optionen | Thema durchsuchen |
07.09.2011, 11:22 | #1 |
Der Zeiger
Ich schau ihm zu, wie er ins ewig Runde tastet,
in diesen auswegleeren, endlos gleichen Kreis; wie er von einem Strich zum immer nächsten hastet, und doch, wovon er mir bezeugen soll, nichts weiß... Ist es mein Schicksal, denk ich, gleich dem Pfeile, der sich nur dreht und weisen muss, was er nie spürt, nicht irgend Ziel im Sein zu haben und nicht Eile, darin zu suchen, was sein Aufziehherz berührt... Nur manchen Tag beschleicht mich das Verlangen, zu wissen, wer mein Kreisen schaut und deutet, und was die Lebensuhr, in die er mich gehangen, beim letzten Ablauf ihres Federwerks ihm läutet... |
|
07.09.2011, 11:27 | #2 |
R.I.P.
|
Nein, nein, nein!
Das ist zu schön und tief, als daß ich ein Wort dafür fände! Thing |
07.09.2011, 12:34 | #3 |
Hi, U.!
Na, 16 hast du immerhin gefunden! Ist für meine Verhältnisse fast schon religiös, der Text - hat sich aber einfach so ergeben, diese Cobclusio. Da ist offenbar etwas tief in mir drin, das an etwas glauben MÖCHTE - ich hoffe, es entkommt nie...(Schauder!) LG, eKy |
|
07.09.2011, 12:41 | #4 |
R.I.P.
|
Halli Hallo, eKy -
diese Conclusio ist immanent: Seele. Abseits jeder menschengeschaffenen Religion. Thing |
07.09.2011, 12:54 | #5 |
Hmm, ich sehe das anders: Die Seele IST eine Erfindung der menschengeschaffenen Religionen - wie sollten sie ihren Jüngern auch sonst die Idee eines "Jenseits" verkaufen, wenn der Leib offensichtlich dableibt und verrottet!?
Aber ich erkenne deine Intention: Sagen wir statt Seele eben - Sehnsucht nach Geborgenheit. Das kann ich nachvollziehen. LG, eKy |
|
07.09.2011, 13:21 | #6 |
R.I.P.
|
Dann haben wir Interpretationsunterschiede.
Die Seele - das bin ich selbst, das ist mein Inneres, das sich organischen Erklärungen entzieht. Auch rein rationalen Deutungsversuchen. U. (naiv) |
07.09.2011, 13:27 | #7 |
Forumsleitung
|
Lieber Erich,
Dein Gedicht verknüpft sprachlich gekonnt die wichtigsten Fragen, die sich dem Indivuum zum Thema "Zeit" stellen: das Werden und Vergehen, Diesseits und Jenseits, aber auch das Gefangensein in einem bestimmten Leben - man hat eben nur dieses eine - und die Unausweichlichkeit des Todes. Zwei Wörter gefallen mir besonders gut: "auswegleer" ist eine angenehme Alternative zu "ausweglos"; "Aufziehherz" ist im Zusammenhang mit der Uhren-Metapher unübertroffen. Gerne gelesen. LG Ilka-M. |
07.09.2011, 13:28 | #8 |
Hi, Rom.!
Und gerade darin bleibt es Glaubenssache! ICH habe in mir noch keine "Seele" gefunden, nur ein unentwirrbares Gemisch aus Projektionen, Wünschen, Sehnsüchten, klaren Gedanken und wechselnden Zielen. (Natürlich noch viel mehr, aber so lang will ich nicht tippen...) Die elektrochemischen Prozesse, deren stete Abläufe unser Bewußtseinssimulakrum bilden, sind noch kaum erforscht, das "Ich" als Projektion fleischlicher Hardware, um ein nachhaltigeres Überleben zu gewährleisten, nur eine Theorie unter vielen, dennoch sehe ich mich geneigt, eher dieser Idee anzuhängen denn dem vagen Begriff einer "Seele", die alles und doch nichts wirklich umfassen kann, da ihre Interpretierbarkeit als Ding des Glaubens beliebig bleiben muss... (Wieder so'n Satz für's Poesiealbum...) LG, eKy Hi, Ilka-Maria! Vielen Dank für das positive Echo! Da man von dir selten gänzlich kritikfreies Lob erhält (und ich erwähne das im positiven Sinne!), umso kostbarer! LG, eKy |
|
07.09.2011, 13:55 | #9 |
R.I.P.
|
"seele"
ICH habe in mir noch keine "Seele" gefunden, nur ein unentwirrbares Gemisch aus Projektionen, Wünschen, Sehnsüchten, klaren Gedanken und wechselnden Zielen.
Das ist lediglich Definitionssache. O.g. nenne ich Seele. |
07.09.2011, 14:02 | #10 | |
Forumsleitung
|
Zitat:
Und was heißt "kritikfreies Lob"? Alles ist Kritik und somit nicht "kritikfrei": das Loben, das Meckern und die wohlwollende oder verreißende Auseinandersetzung. Ach herrjeh, war das jetzt auch wieder Kritik? |
|
07.09.2011, 14:08 | #11 |
@ Ilka-Maria - Siehste?!
@ Thing - Namen haben Macht. Namen unterstellen. Da ist immer Vorsicht geboten... Indes, im Wesentlichen hast du Recht. |
|
09.09.2011, 18:48 | #12 |
abgemeldet
|
Das ist auf so vielen Ebenen gut, man könnte mit einem Aufzug durch fahren
Der Sinn des Zeigers und das dieser seine Aufgabe erfüllt, ohne seinen Sinn zu kennen; die Beschreibung ist sehr gut gelungen, tiefsinnig und inspirierend. |
09.09.2011, 19:17 | #13 |
Welch tiefsinniges Gleichnis!
bereichert Jörg |
|
09.09.2011, 19:31 | #14 |
Hallo Erich,
unglaublich beeindruckend, wie du mit worten spielst, ('aufzieherz'; 'auswegleeren') klingt einfach zu schön, da bekommen sogar uhren tiefgang ... wunderschönes gedicht. Grüße Z. |
|
10.09.2011, 01:16 | #15 |
Hi, O., j., Z.!
Dabei ist dieses Werk - zumindest in der Conclusio - eher untypisch für mich, da es einen übergeordneten, ordnenden Willen unterstellt, dessen Beweis uns das Universum allerdings schuldig bleibt. Indem ich frage, WER mich ins Federwerk des Seins gehängt hat, damit ich ihm mal was läute, impliziere ich automatisch eine höhere Seinsform, die auf Menschenschicksale Einfluss nimmt. Ich muss sagen, ich habe mich hinterher selbst darüber gewundert, was sich mir da entrungen hat (ich schreibe wie in Trance, weiß oft selbst nicht bewußt, wo mich die Welle hinträgt...), aber es erschien so wunderbar in sich geschlossen, dass ich es nicht umschreiben wollte. Ein Teil von mir sehnt sich offenbar lebenslang nach Trost und Sinn einer gesteuerten Schöpfung. Infantil regressiv sozusagen. Meinetwegen, solange dieser Teil weiß, wer das Sagen hat... LG, eKy |
|