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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 07.12.2017, 17:27   #1
männlich Canción
 
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Beiträge: 13

Standard Das Geisterhaus

Siehst du das Grinsen beim Apfelbaum?
Bedrängt mein Begleiter mit leuchtendem Blick
Mein mutloses Herz, seine Hand am Genick,
Zerrt mich heran, doch ich rege mich kaum.

Nie saß ein Schaudern so tief in mir,
Wie jene Gestalt dort die Borke benagt,
Mit funkelnden Augen, von Hunger geplagt,
Zuckend im Takt nach Belustigung giert.

Seltsam berührt mich das Schreckgespenst,
Ein trotziger Tänzer auf wucherndem Kraut.
Im Garten ist all sein Bedauern gestaut:
Krumm bebt der Zaun, der die Wildnis begrenzt.

Stumm ist sein Wirbeln im Frühlingsbeet,
Das Sträuchern und Gräsern die Blätter zerzaust.
Sei ohne Bedenken, es kann nicht ins Haus!
Raune nun ich wie im Sühnegebet.

Stetig, der Hoffnung zum Widerspruch,
Entringt sich der Unhold ein dünnes Geschrei.
Die Antwort darauf reißt die Dielen entzwei,
Lockend umarmt uns ihr Modergeruch.

Wässrig durchdringt mich die Fröhlichkeit.
Das Schauspiel im Saal wird Pastellmalerei.
Dort wartet schon, rastlos und müde zugleich,
Uralte Jugend, bei Tisch aufgereiht.

Fehlt auch Musik, bleibt noch Zuversicht.
Genügt doch das Ticken der Uhr als Geleit.
So flüstern die Schemen, zum Kreistanz bereit,
Heiteres Flehen im Knochengesicht.

Sacht streift ein Traumbild den Feiergast,
Und warm wird die Hand, die der Kummer gefror.
Verhängnisvoll liegt mir das Ticken im Ohr,
Bis die Kulisse in Schlieren verblasst.

Strahle ich, singe ich ebenso,
Wie an meiner Seite der Freund sich verliert?
Verronnen dort Stunden, für jedes Mal hier,
Dass mein Verstand vor dem Augenblick floh?

Heute entzweit mein Gemüt sich darum,
Erinnert es sich an den schweren Entschluss.
Ich zögerte. Hätte ich weiter gemusst,
Tief in mein Erbe, bevor es verstummt?

Doch an mir zerrte die Dämmerungszeit,
Am Hemd festgeklammert mit kindlicher Hand.
Die, sicher gestimmt, wo ich unsicher stand,
Summte ein Lied wie es Geister befreit.
Canción ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2017, 18:59   #2
weiblich Unar die Weise
 
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Dabei seit: 10/2016
Ort: in einem sagenhaften Haus
Alter: 42
Beiträge: 5.271

Standard Hallo Canción,

mir gefällt dein düsteres Gedicht.
Die Bilder sind so gut gezeichnet, dass ich mir Geschehenes hervorragend vorstellen kann.
Bitte mehr davon.

Abendgruß
Unar
Unar die Weise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.12.2017, 11:28   #3
männlich Canción
 
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Standard Liebe Unar

Vielen Dank Ich hoffe, ich finde die Zeit dazu.

Morgengruß
Canciòn
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Alt 08.12.2017, 12:40   #4
männlich MiauKuh
 
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Ort: Bei Rostock
Beiträge: 2.246

Hey Canción,

also dein Werk finde ich zunächsteinmal beachtenswert.
Das liegt daran, dass du über Horror schreibst und ein paar Zeilen darin wirklich cool sind.
Es hat diesen gemeinen, hinterhältigen Fieslington drinnen, zumindest die Teile die ich im Fluss lesen konnte: das hier, ich zitier mal ein paar Stellen:

"Siehst du das Grinsen beim Apfelbaum?
Bedrängt mein Begleiter mit leuchtendem Blick"

"Nie saß ein Schaudern so tief in mir,
Wie jene Gestalt dort die Borke benagt,"

"Sei ohne Bedenken, es kann nicht ins Haus!"

"So flüstern die Schemen, zum Kreistanz bereit,"

So, das sind Stellen die ich hervorhebenswert finde, weil sie ein gewisses Schaudern in mir erzeugten.

Formal finde ich dein Gedicht hat ein unpassendes Reimschema für dieses subtile Horrorthema.
Du hast den umarmenden Reim gewählt. Das macht es so langgezogen, dadurch geht für mich gewissermaßen die Spannung jedesmal verloren.

Vielleicht wäre ein Mix verschiedener Schemata hier gut?

Ein schneller Reim wäre manches mal besser und dann wieder dieses lansgame, umarmende. Je nach Situation. Weißt du wie ich meine?

Vielleicht auch die Kombination aabccb? Jedenfalls ist deine Themenwahl sehr gut und sprachlich gefällt es mir auch, wirkt aber hier und da etwas gezwungen, was dann wieder nicht ganz so gut ist.

Dein Schreiben erinnerte mich ein bisschen an Theodor Fontane.

Wenn ich deinen Text durchbetone, um ihn beispielsweise in einem kleinen Kreis vorzulesen: täte ich das so:

Siehst du das Grinsen beim Apfelbaum? XxxXxxXxX 9
Bedrängt mein Begleiter mit leuchtendem Blick xXxxXxxXxxX 11
Mein mutloses Herz, seine Hand am Genick, xXxxXxxXxxX 11
Zerrt mich heran, doch ich rege mich kaum. XxxXxxXxxX 10

Nie saß ein Schaudern so tief in mir, XxxXxxXxX 9
Wie jene Gestalt dort die Borke benagt, xXxxXxxXxxX 11
Mit funkelnden Augen, von Hunger geplagt, xXxxXxxXxxX 11
Zuckend im Takt nach Belustigung giert. XxxXxxXXxX 10

Seltsam berührt mich das Schreckgespenst, XxxXxxXxX 9
Ein trotziger Tänzer auf wucherndem Kraut. xXxxXxxXxxX 11
Im Garten ist all sein Bedauern gestaut: xXxxXxxXxxX 11
Krumm bebt der Zaun, der die Wildnis begrenzt. XxxXxxXxxX 10

Stumm ist sein Wirbeln im Frühlingsbeet, XxxXxxXxX 9
Das Sträuchern und Gräsern die Blätter zerzaust. xXxxXxxXxxX 11
Sei ohne Bedenken, es kann nicht ins Haus! xXxxXxxXxxX 11
Raune nun ich wie im Sühnegebet. XxxXxxXxxX 10

Stetig, der Hoffnung zum Widerspruch, XxxXxxXxx 9
Entringt sich der Unhold ein dünnes Geschrei. xXxxXxxXxxX 11
Die Antwort darauf reißt die Dielen entzwei, xXxxXxxXxxX 11
Lockend umarmt uns ihr Modergeruch. XxxXxxXxxX 10

Wässrig durchdringt mich die Fröhlichkeit. XxxXxxXxX 9
Das Schauspiel im Saal wird Pastellmalerei. xXxxXxxXxxX 11
Dort wartet schon, rastlos und müde zugleich, xXxxXxxXxxX 11
Uralte Jugend, bei Tisch aufgereiht. XxxXxxXxxX 10

Fehlt auch Musik, bleibt noch Zuversicht. XxxXxXXxX 9
Genügt doch das Ticken der Uhr als Geleit. xXxxXxxXxxX 11
So flüstern die Schemen, zum Kreistanz bereit, xXxxXxxXxxX 11
Heiteres Flehen im Knochengesicht. XxxXxxXxxX 10

Sacht streift ein Traumbild den Feiergast, XxxXxxXxX 9
Und warm wird die Hand, die der Kummer gefror. xXxxXxxXxxX 11
Verhängnisvoll liegt mir das Ticken im Ohr, xXxxXxxXxxX 11
Bis die Kulisse in Schlieren verblasst. XxxXxxXxxX 10

Strahle ich, singe ich ebenso, XxxXxxXxX 9
Wie an meiner Seite der Freund sich verliert? xXxxXxxXxxX 11
Verronnen dort Stunden, für jedes Mal hier, xXxxXxxXxxX 11
Dass mein Verstand vor dem Augenblick floh? XxxXxxXxxX 10

Heute entzweit mein Gemüt sich darum, XxxXxxXxxX 9
Erinnert es sich an den schweren Entschluss. xXxxXxxXxxX 11
Ich zögerte. Hätte ich weiter gemusst, xXxxXxxXxxX 11
Tief in mein Erbe, bevor es verstummt? XxxXxxXxxX 10

Doch an mir zerrte die Dämmerungszeit, XxxXxxXxxX 9
Am Hemd festgeklammert mit kindlicher Hand. xXxxXxxXxxX 11
Die, sicher gestimmt, wo ich unsicher stand, xXxxXxxXxxX 11
Summte ein Lied wie es Geister befreit. XxxXxxXxxX 10

So, hui, ein doch viel einheitlicherer Text als ich erst dachte
Einzig diese zwei Zeilen hier haben bei mir Sorgen im Betonungsbereich:

"Stetig, der Hoffnung zum Widerspruch, XxxXxxXxx 9"
-->
Widerspruch betone ich Xxx
Wi-der-spruch
und nicht wie laut Gedicht nötig:
XxX
Wi-der-spruch

Komisch, denn selbst ich denke wi-der-sprich mir nicht, also wäre das Wort wieder anders betont! Vielleicht äußert sich ja ein Betonungskenner dazu, vielleicht Erich? Oder Heinz? Hm.

Und dann noch diese Zeile hier:

Fehlt auch Musik, bleibt noch Zuversicht. XxxXxXXxX 9

ich weiß wirklich nicht, wie ich das betonen soll, es ist für mich wie ein Puzzle, dass ich auf mehrere Varianten lösen könnte.
Unstritt ist ist:
"Fehlt auch Musik"

Stritt ist:
bleibt noch Zuversicht.

bleibt noch Zuversicht.?

Ich weiß es nicht, aber laut dem Schema, das ich mir da rausgebastelt habe müsste es:

"Fehlt auch Musik, bleibt noch Zuversicht"

heißen, doch das empfinde ich als falsch betont.

Zum Sprachlichen selber wollte ich dir noch sagen, dass es ein bisschen althergebracht klingt, so wie von Früher, das macht die Reimform und die Notwendigkeit es gereimt so zu schreiben. Die Wortwahl auch, und ich kann dir da nicht besser raushelfen als dir zu sagen: schreib es mal in Umgangsdeutsch und schau, ob das auch irgendwie geht, dann wirkt es nicht mehr klassisch, sondern zeitgenössisch, vom sprachlichen her und es wirkt stellenweise gekünstelt um die Form zu halten.

Das soll alles nichts schlechtes heißen, denn das Alte hast du meiner Meinung nach sehr gut umgesetzt und imitiert. Versteh das nicht als Kritik, es ist meine Meinung mir liegt im Moment selber viel daran, nicht wie die alten zu klingen, sondern so wie ich, denn ich bin ja nun mal Bürger des 21. Jahrhunderts, wie du auch. Also reden wir wie heute. Das ist grade meine persönliche Fehde mit mir selbst und der Sprache ...

Insgesamt möchte ich dich hier noch mal loben, es ist schwierig so etwas, wie das hier, zu schreiben.

Zum Inhalt kann ich leider nicht viel beitragen. Die Stimmung ging mir irgendwie verloren und es ist mir nach den ersten beiden Strophen zu allgemein geworden. Das subtile liegt ja im Detail, in dem verdächtigen Grinsen, den Leuchteaugen, diesen wenigen Zeilen die du da gut hinbekommen hast. Davon viel, viel mehr und dann gut und eng zusammen. Darauf hoffe ich bei dir und freue mich drauf :-)

Liebe Grüße,
MiauKuh.
MiauKuh ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.12.2017, 13:37   #5
männlich Canción
 
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Beiträge: 13

Standard Hallo Miaukuh

Erst einmal einen Riesendank, dass du dir fuer eine so umfassende Kritik
Zeit genommen hast Zum inhaltlichen Aspekt (und damit auch zur Wahl
des Reimschemas) glaube ich, ich habe das Gedicht in die falsche Rubrik eingeordnet. Ich war mir unschluessig, habe mich aber fuer „Duestere Welten und Abgruendiges“ entschieden, weil das Gedicht auf den ersten Blick ein Horrorthema bearbeitet und ich keine tiefere Interpretation schon durch seine Kategorisierung erzielen wollte. Im Nachhinein vielleicht keine gute Idee, moeglicherweise stehen hier auch Themen zueinander in Kontrast, sodass der Horror der Schreckgespenster meine eigentliche Intention verdraengt.

Ansonsten waere es natuerlich trotzdem sinnvoll, ein schnelleres oder wechselndes Reimschema zu verwenden, auch wenn der Horror nur vordergruendig ist. Die Idee finde ich super, besonders weil ich selbst wenig Erfahrung mit der Verwendung stilistischer Mittel zur Erzeugung bestimmter Stimmungen habe.

Das Metrum der jeweils ersten Verse ist immer:

XxxXxxXxx

Die Betonung der letzten Silbe war nirgends geplant, draengt sich aber wohl allzu oft auf (abgesehen von den letzten 2 Strophen, wo der Daktylus um einen zusaetzlichen Ton erweitert wird). Genauso ist „Fehlt auch Musik, bleibt noch Zuversicht“ nach dem obigen Reimschema modelliert. Zugegeben wirkt das insgesamt wohl etwas unbeholfen, besonders bei „[..] tief in mir“ sollte man wohl XxX erwarten.

Im Uebrigen nehme ich alle Kritikpunkte gerne an. Das allzu Klassische liegt mir wohl noch zu nahe, um unglueckliche Stellen mit Reimen aufzuloesen. Meine Deutschlehrerin hat das immer mit dem geflügelten Wort „Reim dich, oder ich fress dich“ bedacht

Nochmals vielen Dank fuer Kritik und Lob,
Canciòn

Geändert von Canción (08.12.2017 um 14:45 Uhr)
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