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Alt 07.02.2015, 17:27   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Was soll (muss) die Schule leisten?

Zitat:
„Ich bin fast 18 und hab‘ keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“
So lautet der Tweet der Schülerin Naina (17), der vor einigen Wochen erstmals in der Presse veröffentlicht wurde. Seitdem wird das Thema, ob die Schule zu viel unnützes Wissen vermittelt, statt die Schüler für die Bewältigung des Alltags vorzubereiten, heftig diskutiert. Dabei beziehen das Fachpersonal, der Lehrerverband in Hessen und die Schüler konträre Positionen. Nicht alle Bereiche des Lebens seien auf die Schulen übertragbar, heißt es allgemein, und schließlich lernten die Menschen auch ohne Lehrer ein Handy zu bedienen; auf der Gegenseite fällt das Argument, die Eltern hätten heute meistens nicht die Zeit, ihre Kinder in den Alltag einzuführen.

Ist letzteres Argument akzeptabel? Wenn ja, wie kommt es, dass die Eltern heute, im Zeitalter so kurzer Arbeitszeiten wie nie zuvor seit der Industrialisierung und bei weitgehend automatisierter Haushaltspflege sowie geringerem Nahrungsaufwand durch eine Vielzahl von Fertiggerichten sich nicht mehr ausreichend um ihre Kinder kümmern können?

Weitere Frage: Stimmt es, dass die Schulen zu wenig auf das Alltagsleben vorbereiten? Wurden in diesem Zusammenhang Fächer gestrichen oder haben sich die Schulen nicht genügend den Anforderungen der modernen Zeit angepasst?

Ich kann das nicht (mehr) beurteilen, da ich die Schule lange hinter mir habe und auch für meinen Sohn die Schulzeit mehr als zwanzig Jahre zurückliegt.

Wenn der Vorwurf der Schülerin Naina berechtigt ist, muss sich allerdings eine Menge im negativen Sinne geändert haben, sowohl was das Lernangebot der Schulen als auch die Einführung ins Leben durch das Elternhaus angeht.

Mein Vater und meine Mutter waren voll berufstätig, und zwar bei der damals geltenden 48-Stunden-Woche, die obligatorischen Überstunden (Deutschland war im Wiederaufbau) nicht eingerechnet. Trotzdem hatte mir mein Vater schon vor meiner Einschulung das Lesen beigebracht. Er kümmerte sich darum, dass ich Schwimmen und Fahrradfahren lernte. Als der erste Selbstbedienungsladen in unserer Straße aufmachte, schickten mich meine Eltern erstmals alleine zum Einkaufen, was nicht perfekt verlief, aber ich war ja erst sieben oder acht Jahre alt und kannte mich mit manchen Wurstsorten noch nicht richtig aus. Von meinem Großvater, ebenfalls voll berufstätig, lernte ich das Addieren von Zahlenkolonnen und das Ausfüllen von Postkarten und Geldüberweisungsformularen anhand des Spiels „Kinderpost“ (gibt es heute noch zu kaufen). Über Tiere wusste ich besser Bescheid, als es die Schule hätte lehren können, denn Bernhard Grzimeks Fernsehsendung „Ein Platz für Tiere“ war ein Höhepunkt unseres Fernsehkonsums. Das übrige taten die Urlaube auf einem Bauernhof in einem Dorf in der Oberpfalz, in dem meine Großmutter geboren war.

Später lernte ich von meinem Vater, wie man Stromkabel und Steckdosen auswechselt, Lampen aufhängt (und dabei vermeidet, unfreiwillig denn Strom-Twist zu tanzen), mit Bohrmaschine und Dübeln umgeht und wie man den Wänden frische Farbe verpasst.

Soweit einige Beispiele aus der Familie. Alles, was dann kam, war „meine“ Schule, nämlich der Alltag nach meiner Lösung vom Elternhaus. Und diese Schule gehörte zum Härtesten meines Lebens.

Aber zurück zur Kindheit:

Was stand damals auf dem Schullehrplan?

Ich kann nur für die Realschule sprechen, denn die Abiturreife erlangte ich erst später auf einem Bildungsweg für Erwachsene. Neben den klassischen Fächern inklusive Sport gab es für die Mädchen noch Hauswirtschaftsunterricht. Er umfasste Handarbeiten, Kochen, Babypflege und Kosmetik sowie einige Übungen in Erste-Hilfe-Maßnahmen. Das Handarbeiten beinhaltete Häkeln, Sockenstricken, Sticken, Fertigen von Buchhüllen, Nähen von Kleidungsstücken, fachgerechtes Stopfen, Batikfärben u.a.m. Unsere Jungen hatten Werkunterricht, in dem sie allerlei Dinge aus Gips und Holz fertigten, das war weniger abwechslungsreich, aber für die technischen Dinge war ja der Physikunterricht da. Einer meiner Mitschüler interessierte sich ohnehin mehr für das Kochen und schloss sich den Mädchen an.

Daneben gab es Fächer, die freiwillig waren, nämlich Stenografie und Technisches Zeichnen.

Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass damals Sozialkunde ein eigenständiges Fach war, das aber nur einen geringen Teil des Wochenplans in Anspruch nahm. Es genügte aber, uns mit dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland vertraut zu machen. Ein besonderes Anliegen unseres Lehrers war dabei das Wiederkäuen der Gesetzeseinbringung und der Gesetzeslesungen bis zur Verabschiedung des Gesetzes.

Dies nur mal zum Vergleich, wie es in den 50er und 60er Jahren war.

Mich interessiert, ob es unter unseren Usern welche gibt, die nah am heutigen Schulsystem stehen und mir sagen können, ob da wirklich etwas falsch läuft und ob der Tweet von Naina berechtigt ist.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.02.2015, 21:08   #2
männlich Bananajuice
 
Dabei seit: 01/2015
Ort: z.Z. in einem leeren Raum
Beiträge: 167

Im wesentlichen hat sich nur das Aneignen von Wissen stark verändert.
Ich selbst habe noch gelernt wie man alleine mit Fachliteratur
und diversen Lexiken richtig recherchiert. (mehr oder weniger)
Sprich, den gelernten Inhalt auch auf andere Situationen zu übertagen.
Heutzutage ist das ganze Prinzip vereinfacht worden. Wenn ich etwas wissen
will dann gebe ich es bei google ein und erhalte genug Ergebnisse, das mich
das Ganze nichtmal zehn Minuten kostet plus vorgefertigter Meinung ohne Lösungsweg.
Dann muss ich die Hintergründe nicht mehr verstehen müssen. Verstehste?

Erziehung spielt auch eine große Rolle...Scheiss Laissez-faire!

LG
Bananajuice

(Wer bringt mir endlich mal Grammatik bei?)

PS: War in der Zeit wo das Internet, erst langsam, für jeden schnell genug war.
Bananajuice ist offline   Mit Zitat antworten
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