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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 24.04.2014, 23:44   #1
männlich Beteigeuze
 
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Standard Ball der Träumer

Ball der Träumer


Verschlafen rankt sich Grün, als eine Grenze,
um jene fliederschwer behangne Statt,
wo wispernd Blumen die verblühten Tänze
berichten, die ein jeder Schläfer dort –
in fahlem, längst vergessnem Lenze –
so irdisch wachend vorgeführet hat.
Doch fern und anders war der Ort.

Bloß Schweigen spricht sich nun ganz zögernd, bleiern,
liegt als ein Nebel über ihrem Bett.
Wie ein gehauchtes Sehnen nach den Feiern,
schwebt ein Geheimnis über diesem Hort.
Ein Windstoß bringt den Klang von Leiern
aus nahem Wald, eröffnet das Ballett –
und fern und anders wirkt der Ort.

Im Klang des Mondlichts spürt man ein Erwachen,
Erinnern wühlt sich aus der Erd’ empor;
und was einst träumte steigt nun aus dem Rachen
des Dumpfen und ergreift erneut das Wort.
Die Nacht vergilbt, die Träumer lachen,
die Welt um sie spielt Walzer, singt im Chor.
Das Fern und Anders ist der Ort.

Gleich einem Irrlichtern der Dimensionen
erscheint dem Zuschauer der Geisterball.
Und erst als Sonnenstrahlen die Visionen
berührn, ziehn sie im Tau und Nebel fort.
Wo immer auch die Träumer wohnen,
wir folgen, als ein stummer Widerhall.
Wie fern und anders ist der Ort …

© Sascha Besier aka Beteigeuze
Beteigeuze ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.04.2014, 09:19   #2
weiblich simbaladung
 
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Wunderschön, Beteigeuze!

Nur an einer Stelle hab ich ein sprachliches Problem:

wo wispernd Blumen die verwelkten Tänze
berichten ...

wenn du berichten als Verb benutzt, erwarte ich ein "von" oder ein "über".
Um den Reim und das Versmaß zu halten wär mein Vorschlag: "bedichten".

Aber vielleicht störts dich ja nicht. (?)

lieben Gruß,
simba
simbaladung ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.04.2014, 12:52   #3
männlich Beteigeuze
 
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Beiträge: 113

Hallo, Simba!

Erst einmal vielen Dank für Deine Rückmeldung! Und natürlich freut mich, dass es Dir gefällt

Nun zu der von Dir erwähnten Stelle:

Tatsächlich stört es mich nicht, denn es ist absolut gewollt so. Und mit solcher Art Logik müsste man eigentlich dann auch folgenden Vers ankreiden:

Zitat:
Bloß Schweigen spricht sich nun ganz zögernd, bleiern, …
Hier zeigt sich, dass ich Sprache, wenn ich mit ihr die Poesie erreichen will, grundsätzlich nicht formell gebrauche. Über formellen Sprachgebrauch gehe ich beim Dichten fast immer hinaus, denn ich möchte ja die Poesie greifen und darstellen, keinen Bericht schreiben.

Ich mache es mir an dieser Stelle mal einfach und kopiere einen Teil eines Essays heraus, das ich mal über die Poesie und das Dichten schrieb, was vielleicht die Sache etwas erhellt:


Zitat:
Ein weiterer Aspekt ist der nichtalltägliche Gebrauch von Worten, Redewendungen, Grammatik etc. Nehmen wir nur einen Vers wie:

Wo sich Fremdes suchend zu mir spricht

Normalerweise spricht man mit jemandem oder man spricht sich aus. Aber etwas, das sich zu einem spricht? Was ist das? Hier wird die Sprache selbst Symbol, geht über ihre normale Funktion hinaus. Das Sprechen ist hier nicht Sprechen allein, es ist gleichzeitig eine Bewegung. Das Fremde sucht mich nicht einfach, es spricht auch nicht einfach, es kommt mit einem Zu-mir-Sprechen auf mich zu, es rührt also meine Sinne an. Hier ist bereits der Wahrnehmungsprozess mit einbezogen. Um in einem Prosatext das auszudrücken, was ich hier mit nur einem Vers tue, bräuchte ich viele Sätze. Das ist eben Lyrik, die Poesie: der Wahrnehmungsmoment wird gepackt und in sich selbst komprimiert zum Ausdruck gebracht. Ähnliches erreicht man mit einer bestimmten Substantivierung von Verben, die man alltäglich so nicht substantivieren würde. Wenn man beispielsweise sagt, »ein Gehen ist in ihren Blicken«, dann ist das zunächst ungewöhnlich. Hier ist »Gehen« bereits wieder symbolhafte Wortgestalt, die dem Leser nicht gleich verständlich wird. Er muss hier selbst zur Poesie hin niederknien, um zu verstehen.
Indem ich die herkömmliche Funktion von Sprache dergestalt verändere, erziele ich eine poetische Wirkung. Also, nicht nur allein über Metaphern usw, sondern auch über die Wortstellung im Satz oder eben auch über den etwas anderen als den funktionellen Gebrauch der Worte.

Speziell zu „berichten“ hier im Gedicht:

Ich habe nicht umsonst ein Wort wie „berichten“ an dieser Stelle gewählt. Es soll gerade den Hauch einer Sachlichkeit und Kühle einbringen, wie die „wispernden Blumen“ die „verblühten Tänze“ berichten. Sie sollen sie eben gerade nicht bedichten. Sie berichten hier also nicht von oder über die verblühten Tänze, sondern sie berichten die verblühten Dinge selbst. Kannst Du es so besser greifen?

Ich finde, Poesie sollte nicht nur den Schreiber, sondern auch den Leser herausfordern. Etwas, das ich von dem großartigen Stéphane Mallarmé gelernt habe, der sagte: Poesie ist nicht nur die Kunst des Schreibens, sondern auch des Lesens.

Ein schönes Wochenende und noch bessere Tänze

LG
Beteigeuze
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Alt 26.04.2014, 13:08   #4
Thing
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Standard Hallo, Beteigeuze -

das ist wieder ein ganz großer Wurf,
wahre Poesie, Lyrik, Kunst!
Bilder stehen auf, Erinnerungen, TRÄUME, Melodien und Wünsche (nostalgische).

Einfach wunderschön, unbeschreiblich!
(Favoritenliste).


Herzlichen Dankesgruß
von
Thing
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Alt 26.04.2014, 15:10   #5
weiblich simbaladung
 
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Beiträge: 3.073

Hallo, Beteigeuze,

hab ganz herzlichen Dank für die ausführliche Erläuterung deiner Art zu schreiben. Ja, ich habe verstanden.

Hoffentlich erfreust du uns noch länger mit deinen ganz besonderen Gedichten.

Dir auch ein schönes Wochenende,
simba
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Alt 27.04.2014, 11:20   #6
weiblich shoshin
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Zitat:
Wo immer auch die Träumer wohnen,
wir folgen, als ein stummer Widerhall.
Wie fern und anders ist der Ort …
sehr schön!
mir persönlich - aber das bitte nicht als kritik auffassen!! - ist das GD zu opulent...irgendwie zuviel des guten...
lg
shoshin
shoshin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.04.2014, 12:32   #7
Thing
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Zitat:
Zitat von shoshin Beitrag anzeigen
ist das GD
Wofür steht diese Abkürzung?
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Alt 27.04.2014, 13:46   #8
weiblich shoshin
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Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
Wofür steht diese Abkürzung?
GD=Gedicht.
shoshin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.04.2014, 15:18   #9
Thing
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Dann wäre - wenn Du schon abkürzen mußt - Gd passend.
Ein großes D ist in dem kurzen Wort Gedicht nicht zu entdecken.

Und warum abkürzen?
Keine Zeit für Poesie?
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.04.2014, 16:10   #10
weiblich anna amalia
 
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Lieber Beteigeuze ( was bedeutet das eigentlich) ,

ich könnte mich in deine Zeile reinlegen und dort verweilen ..

Anna
anna amalia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.04.2014, 16:22   #11
Thing
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Beteigeuze ist ein Stern im Sternbild Orion.
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Alt 27.04.2014, 16:44   #12
weiblich anna amalia
 
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Ach das ist aber schön...
anna amalia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.04.2014, 22:22   #13
gummibaum
 
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Ein tolles Stück Lyrik. Mit Genuss gelesen.

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.04.2014, 11:41   #14
männlich Beteigeuze
 
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Beiträge: 113

@Thing

Danke für den erneuten Besuch. Freut mich immer wieder

@simba

Gleiches gilt für Dich.

@shoshin

Hab ich nicht als Kritik aufgefasst, denn es ist ja eindeutig eine Meinungsäußerung Und für mich musste das Geisterhafte, Mystische und Fragende darin, was uns ja immer ein Rätsel bleiben wird, eben genau so dargestellt werden. Liegt wohl an den Stilrichtungen, die mir Heimat und einziger Weg zu schreiben sind.

@anna amalia

Nur zu Danke auch Dir. Und alles andere hat Thing ja bereits aufgeklärt.

@gummibaum

Vielen Dank auch für Deine Teilnahme am Ball


LG
Beteigeuze
Beteigeuze ist offline   Mit Zitat antworten
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