Winterabend am See

[Daisy]

Ins späte Tageslicht sinkt Winterschweigen,
ein letzter Vogelruf noch, der verfliegt.
Bäume stehn mit schneebeladnen Zweigen,
kristallne Last, die sie zur Erde biegt.
Welch Glanz, da sich die ersten Sterne zeigen
und sich der stille See ans Ufer schmiegt.

In weißer Anmut schimmern sanfte Hügel,
am nahen Waldsaum wittert scheu ein Reh.
Der Abend senkt die blauen Schattenflügel
auf das Land. Im Dämmerlicht verblasst der See.
Doch Mond und Sterne küren ihn zum Spiegel
und streuen Silberflitter auf den Schnee.

[simbaladung]

Hallo, Daisy,

deine Naturgedichte sind immer wieder zum Träumen schön.
Besonders gut gefallen mir das Winterschweigen in Verbindung mit dem letzten Vogelschrei, die blauen Schattenflügel und die Formulierung "küren ihn zum Spiegel".

lg simba

[Ilka-Maria]

Liebe Daisy,

ein wahrhaft stimmungsvolles Gedicht, da kann sogar ein Wintermuffel wie ich von Schneeglanz im Mondlicht zu traumen beginnen.

Ein kleines, aber vielleicht reparables Manko:

Der Abend breitet blaue Schattenflügel
übers Land. Im Dämmerlicht verblasst der See.

Das (einzige) Enjambement wäre eine hübscher "Hoppla-"Effekt für den Leser, der ihn nötigt, bei soviel Idylle wach zu bleiben; aber leider ist dabei ein Bruch in der Metrik entstanden durch das zweisilbige Wort "über", das auf der ersten Silbe betont wird.

Vorschlag:

"Der Abend senkt die blauen Schattenflügel
aufs Land. Im Dämmerlicht verblasst der See."

Die Änderungen sind kaum spürbar, der Sinn bleibt erhalten, und die Metrik ist wieder im Rhythmus.

Ist aber nur ein Vorschlag, das letzte Wort hast Du. Oder vielleicht fällt Dir sogar etwas anderes ein. Dass Du Dir Gedanken um die Wahl Deiner Worte machen kannst, hast du jedenfalls mit diesem Gedicht bewiesen.

Besten Gruß und einen schönen Abend,
Ilka

[Daisy]

Hallo simbaladung,

es freut mich schon sehr, dass meine Naturgedichte so großen Anklang bei dir finden. Hilfreich ist auch zu erfahren, welche Formulierungen besonders gut ankommen, denn dieses Wissen kann man bestens beim Erstellen von neuen Gedichten einsetzen. Danke dir!

LG Daisy


Liebe Ilka,

das ist es! Wie lange hab ich doch an dieser Passage herumgebastelt, aber auf ...senkt die blauen Schattenflügel... bin ich, wie du ja bemerkt hast, einfach nicht gekommen. Das ist auf jeden Fall nun meine erste Wahl!

Freut mich auch, dass du als Wintermuffel, an meinem schneelastigen Gedicht Gefallen findest.

Auch dir einen schönen Abend und lieben Gruß
Daisy

[Schmuddelkind]

Mensch Daisy, das ist so ruhig und verträumt. Wundervoll in Szene gesetzt! Mehr kann ich dazu nicht sagen.

LG

[Daisy]

Du hast doch alles dazu gesagt, Schmuddelkind, und das freut mich wirklich sehr!

LG Daisy

[Thing]

Zitat von Daisy

Ins späte Tageslicht sinkt Winterschweigen,
ein letzter Vogelschrei noch, der verfliegt.
Bäume stehn mit schneebeladnen Zweigen,
kristallne Last, die sie zur Erde biegt.
Welch Glanz, da sich die ersten Sterne zeigen
und sich der stille See ans Ufer schmiegt.

In weißer Anmut schimmern sanfte Hügel,
am nahen Waldsaum wittert scheu ein Reh.
Der Abend senkt die blauen Schattenflügel
auf das Land. Im Dämmerlicht verblasst der See.
Doch Mond und Sterne küren ihn zum Spiegel
und streuen Silberflitter auf den Schnee.

Auf daß es nicht verloren gehe:

Ich bin hingerissen.
D a s ist Poesie!
Betörend.

Lediglich den Vogelschrei hätte ich zum Vogelruf werden lassen.


Bewundernden Gruß
von
Thing



(seine Favoritenliste bereichernd)

[gummibaum]

Hallo Daisy,

das Gedicht schwebt ruhig mit schönen Bildern über die winterliche Szenerie.
Dreimal liegt aufweichend der Ton auf der ersten Silbe. Aber nur in V 10 hat es mich etwas gestört. Doch davon abgesehen: ich habe mir schon nach zwei Versen gewünscht, dass es so kunstvoll weitergeht und wurde nicht enttäuscht.

LG gummibaum

[Daisy]

Lieber Thing,

deine Bewunderung rührt mich und macht mich stolz!

Mit der Änderung hat es auch noch geklappt und ich bin dir und auch Ilka
für die hilfreichen Hinweise sehr verbunden. Jetzt bin auch ich selber mit
dem Ergebnis zufrieden. Danke für die Aufnahme in deine Liste.

Herzlichen Gruß
Daisy

[Ilka-Maria]

Nee, Daisy, leider ...

Die Metrik stimmt wieder nicht.

"Auf das Land" geht nicht, es sollte heißen: "... aufs Land", damit die zweite Silbe betont ist. So war mein Vorschlag.

Aber wie Du meinst. Wenn Du damit zufrieden bist, bin ich's auch.

[Daisy]

Tja, ich weiß auch nicht so recht.

Wenn ich aufs Land lese, komme ich ebenso ins Stocken wie bei übers Land. Ich lass es vorläufig so stehen, denn oft weiß ich nach ein, zwei Tagen schon genauer, für welche Version ich mich endgültig entscheiden werde. Könnte auch sein, dass sich sogar noch eine weitere Variante ergibt.

Schön, dass du mir so behilflich bist.

Bis bald
Daisy

[Daisy]

Oh, gummibaum, hallo,

beinahe hätte ich deinen freundlichen Kommentar übersehen! Vielen Dank dafür!
Vielleicht weißt du eine Lösung für die besagte Stelle? Wenn ja, dann bitte immer heraus damit!
Ich nehme sehr gern die unterschiedlichsten Vorschläge an.

LG Daisy

[Thing]

Zitat von Daisy

Ins späte Tageslicht sinkt Winterschweigen,
ein letzter Vogelruf noch, der verfliegt.
Bäume stehn mit schneebeladnen Zweigen,
kristallne Last, die sie zur Erde biegt.
Welch Glanz, da sich die ersten Sterne zeigen
und sich der stille See ans Ufer schmiegt.

In weißer Anmut schimmern sanfte Hügel,
am nahen Waldsaum wittert scheu ein Reh.
Der Abend senkt die blauen Schattenflügel
auf das Land. Im Dämmerlicht verblasst der See.
Doch Mond und Sterne küren ihn zum Spiegel
und streuen Silberflitter auf den Schnee.

Hab mir das herrliche Gedicht noch etliche Male zu Gemüte geführt.

Lediglich
"Welch Glanz......"
könnte mich zu einer Anregung verleiten:

Welch ein Glanz,....
oder
Welcher Glanz...

(der Metrik wegen).
Aber ich bin h i e r kein Purist.

Die Schönheit des Gedichtes hält mich fest in Bann.


LG
Thing

[Ilka-Maria]

Dann lass es, wie es ist. Wenn Du davon überzeugt bist, habe ich nichts mehr zu melden. Kein Problem.

Waren ja auch nur Kleinigkeiten. Ich mag Dein Gedicht wie es ist.

Lieben Gruß und gute Nacht,
Ilka

[gummibaum]

Hallo Daisy,

Ilka hat schon einen Vorschlag gemacht, den ich ganz gut finde. Allerdings geht durch "übers" das Sinken, die Abwärtsbewegung, verloren. Also mache ich auch einen Vorschlag, der aber ein unübliches Wort mit leichter Sinnveränderung im zweiten Teil des Verses einführt.

behutsam auf das Land. Im Dämmern blasst der See.

LG gummibaum

[Daisy]

Ein herzliches Dankeschön für die hilfreichen Tipps!

Jetzt werde ich bestimmt, nach einigen Versuchen und
dem nötigen Feinschliff, zum angestrebten Resultat gelangen.

LG Daisy