Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Lebensalltag, Natur und Universum

Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 12.10.2021, 09:03   #1
männlich Krebsgestoeber
 
Benutzerbild von Krebsgestoeber
 
Dabei seit: 03/2013
Alter: 31
Beiträge: 313

Standard Schlafplatzelegie

Golfbälle kitzeln mich kurz vorm Erwachen im duftenden Rasen.
Wieder ein sauberer Schlag, der meine Brauen frisiert.
Ständig durchquert eine Mahnung das Rauschen der Bäume und Seen;
Schlafe zum Eulenlied ein, wache mit Kopfschmerzen auf.
"Ey, Polizei ist gerufen!" - Ich blinzle betäubt in den Morgen.
Ehe die Streife erscheint, hat mich das Dickicht verschluckt.

Geändert von Krebsgestoeber (12.10.2021 um 17:54 Uhr)
Krebsgestoeber ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.10.2021, 10:49   #2
männlich MiauKuh
 
Dabei seit: 08/2017
Ort: Bei Rostock
Beiträge: 2.246

Gefällt mir :-)

Wie wäre es mit "verschlungen" am Ende?
MiauKuh ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.10.2021, 17:52   #3
männlich Krebsgestoeber
 
Benutzerbild von Krebsgestoeber
 
Dabei seit: 03/2013
Alter: 31
Beiträge: 313

Schön, dass es dir gefällt. Verschlungen wäre in Bezug auf Dickicht tatsächlich das bessere Wort. Leider zwingt mich der Pentameter zur stumpfen Kadenz.

Beste Grüße

Krebsgestoeber
Krebsgestoeber ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.10.2021, 12:37   #4
männlich Ex-petrucci
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2021
Beiträge: 414

Würde das Dickicht sich an eine Person verschlucken, würde es vermutlich aspirieren und ersticken.

Semantisch treffender und auch etwas radikaler wäre „geschluckt“.
Ex-petrucci ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.10.2021, 16:41   #5
männlich Krebsgestoeber
 
Benutzerbild von Krebsgestoeber
 
Dabei seit: 03/2013
Alter: 31
Beiträge: 313

Lieber petrucci,
ich dachte immer, "verschlucken" wäre auch ein Synonym für "hinunterschlucken", aber scheinbar ist es immer mit einem Missgeschick verknüpft. Danke dir für deinen Hinweis auf den semantische Prall mit der Reflexivform "sich verschlucken" und für deinen Vorschlag. Überarbeitung ist leider passé.

Beste Grüße
KG
Krebsgestoeber ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.10.2021, 17:05   #6
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.103

"verschlucken" ist perfekt. Lass es einfach stehen.

"verschlucken" ist nicht dasselbe wie "verschlingen". Das Verschlucken ist ein Reflex: Der Mensch muss immerzu schlucken, weil Sekrete durch den Hals fließen. Es geschieht unbewusst, egal, ob man etwas isst oder nicht. Von einem Dickicht, das einen Menschen verschluckt, kann man also annehmen, dass es ihn nicht "verschlingt", sondern ihn annimmt.

Weil der Schlucken ein Reflex ist, gibt es beim Zahnarzt die Absauggeräte, die während der Behandlung das Wasser aus der Mundhöhle nehmen, damit der Schluckreflex die Arbeit am Zahn nicht unterbricht.

Das Verschlingen ist hingegen ein bewusster Akt. Man schlingt, weil etwas da ist, das man schnell aufnehmen muss, damit es von keinem Konkurrenten abgejagt wird. Es ist etwas Animalisches, und etwas Verschlungenes wird verdaut. Mythologisch übertragen kann man durchaus von etwas "Großem", "Feindseligem" verschlungen werden, von einem Wald, von einem Wolf oder Bär, von einem Feuer, sogar von einem Berg ... aber von einem Dickicht?

Dickichte stehen in der Mythologie eher für Schutz. Da wird nichts verschlungen und schon gar nichts verdaut, sondern "verschluckt", um irgendwann wieder ausgespien zu werden, wie Jonas aus dem Wal. Oder erlöst zu werden wie Dornröschen hinter der Dornenhecke.

Dies nur als meine Gedanken zum Wort "verschluckt". Es liegt an dir, dich zu entscheiden, welchem Wort du den Vorzug gibst.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.10.2021, 18:30   #7
männlich Krebsgestoeber
 
Benutzerbild von Krebsgestoeber
 
Dabei seit: 03/2013
Alter: 31
Beiträge: 313

Liebe Ilka,
danke dir für deine ausführliche und hilfreiche Auseinandersetzung.

Mein Ziel war es, das Dickicht zwar zum Leben zu erwecken, aber es nicht zu stark zu personifizieren, zumal es kein Leitmotiv meines Gedichtes ist. "Vertilgt" oder "verdaut" wäre eine Ecke too much. petruccis Einwand hat mir einen Aspekt des Wortes "verschluckt" vor Augen geführt: Die Unabsichtlichkeit. Gehe ich zu weit, wenn ich dem Dickicht ein Missgeschick unterstelle?

Deine Erläuterung, Ilka, hat mich allerdings umgestimmt: Ein "verschlingendes" Dickicht oder ein Dickicht, das mich wie eine rosa Pille "schluckt", tut etwas. In meinem Gedicht soll dem Dickicht aber vielmehr etwas passieren, nämlich ich, der sich vor dem Gesetz schützen will. Es hat keine Absicht, sondern eine Funktion. Deshalb kann "verschluckt" zunächst stehenbleiben.

Ich bin jederzeit offen für neue Einwände und Aspekte. Es macht Freude zu sehen, wie viel sich über ein einzelnes Wort sagen lässt!

Beste Grüße
Krebsgestoeber
Krebsgestoeber ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.10.2021, 21:59   #8
männlich Ex-petrucci
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2021
Beiträge: 414

Vielleicht hilft Dir die nähere Betrachtung des Präfix.

Man verläuft sich, man wird verleitet, man wird versetzt, man kann etwas versetzen. Da gibt es eine sehr lange Liste, die Semantik hingegen, lässt Eindeutiges vermuten.

Wenn Dir der Gedanke gefällt, dass das Dickicht Dich aus Versehen verschlungen haben könnte, dann wäre das passender. Denn dem Verschlucken geht unweigerlich ein Widerwillen und eben ein "aus Versehen" voraus. Also etwas, das auch ungewollt sein kann. Hier könnte man auch eine philosophische Diskussion vom Ast brechen. Denn im Grunde ist es ein Paradox.

Es sind beide Varianten aber richtig, wenn man detaillierter schauen mag, dann lohnt sich der Blick ins Detail: Verschlucken ist sehr eng an Aspiration gebunden, beschreibt aber auch etwas in den Magen zu schlucken. Das macht natürlich Sinn, da das die unweigerliche Konsequenz ist, wenn man etwas verschluckt, nur geht dies eben in die Lunge (hin und wieder).
Wobei mir gerade auffällt, dass man etwas nicht in den Magen schlucken kann. Hier kann man Haarspalterei betreiben.

Wenn das nicht weiterhilft, könnte die Wahl nach dem Klang des Wortes helfen.

Ehe die Streife erscheint, hat mich das Dickicht verschluckt.
Ehe die Streife erscheint, hat mich das Dickicht geschluckt.

Ich finde, die Unterschiede sind enorm.

Das Positive an Verschlucken wäre die Phonetik des Präfixes, da es etwas die Härte des "ck" und "t" nimmt. Wobei der erste Teil des Satzen ja bereits sehr "e", "i", "ei" lastig ist. Wenn du es im klanglichen Sprachbild härter und endgültiger willst, dann wäre "geschluckt" gut, da es keinerlei Raum für weitere Deutungen gibt, sondern sprachlich das beschreibt, was es ist. Und das völlig lakonisch. Beim Verschlucken hingegen, könnte der pedantische Kritiker hier durchaus das Beil heben und dein Werk durch Grund und Boden treten. Die Frage ist, ob das etwas Schlechtes ist. Denn auf diese Weise erzeugst du Diskussion und polarisierst. Und manche - ja - die machen sich über diese Kleinigkeiten überhaupt keine Gedanken. So oder so, der Autor bist du.

Die Macht sei mit Dir!
Ex-petrucci ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.10.2021, 00:30   #9
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.103

Der Unterschied ist doch ganz einfach:

Verschlucken ist ein Reflex.
Verschlingen ist ein bewusster Akt.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.10.2021, 06:35   #10
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Ob „verschlucken“ oder „verschlingen“, es geht um das „Unsichtbar werden“ durch entsprechende Tarnung wie „Umhüllen“. Was verschluckt oder verschlungen wird, ist nicht mehr zu sehen, wobei „verschlingen“ etwas hastiger geschieht.

Obwohl Hannes Wader singt: „Schau wie die Nacht unserer Schatten verschlingt“, gefällt mir „verschlucken“ wegen des dunklen Vokals besser.

Dein Gedicht besticht durch die interessante und ungewöhnliche Beschreibung des Geschehens, es könnte sogar authentisch sein.
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Schlafplatzelegie




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.