Absurdes Theater

[Ilka-Maria]

„Du gehst?“
„Ich gehe nicht, ich fliege.“
„Aber du hast gerade einen Fuß vor den anderen gesetzt.“
„Um Anlauf zu nehmen. Und dann zu fliegen.“
„Du kannst nicht fliegen.“
„Wieso nicht?“
„Du bist ein Mensch. Menschen können nicht fliegen.“
„Aber ich.“
„Du wirst abstürzen.“
„Sei nicht albern! Wie könnte ich abstürzen, wenn ich nicht fliegen könnte?“
„Du könntest mit deiner Einbildung abstürzen.“
„Du redest dummes Zeug. In der Einbildung funktioniert alles, auch das Fliegen.“
„Du lebst in keiner Einbildung. Du bist real.“
„Woher weißt du das?“
„Ich weiß es, weil ich weiß, dass ich real bin und mit dir dieselbe Welt teile.“
„Das ist kein Argument. Ich könnte nur in deinem Kopf existieren.“
„Willst du damit sagen, ich sei verrückt?“
„Sagen wir: außerordentlich phantasiebegabt.“
„Moment mal. Du bist es doch, der behauptet, fliegen zu können.“
„Ich behaupte sogar, dass du es auch kannst.“
„Du willst, dass ich es probiere?“
„Genau. Du stellst dich hierher, an den Rand, breitest die Arme aus und lässt dich fallen. Alles andere passiert von selbst.“
„Und du glaubst wirklich, das geht?“
„Also, vom Gehen reden wir nicht mehr.“
„Und wenn’s schiefgeht?“
„Dann fliege ich hinterher und fange dich auf.“
„Wir könnten doch gleich gemeinsam fliegen.“
„Das wäre nicht gut für dein Selbstvertrauen.“
„Verstehe. Also was muss ich machen? Arme ausbreiten … und dann?“
„Die Füße lösen, einfach nur die Füße lösen …“
„Oh, das fühlt sich toll an! Und was muss ich machen, um wieder hinaufzukommen?“
„Hinauf?“

25.06.2021