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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 05.05.2020, 16:50   #1
weiblich AlteLyrikerin
 
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Standard Getrieben

Wir stehlen nicht,
wir morden nicht.
Das haben wir nicht nötig.

Doch Zahnräder sind wir alle
im Getriebe des großen Unrechts,
das wenige reich macht
und viele tötet.

Wir wagen nicht zu bremsen
der Räder Kraft und Schwung,
solange wir für uns noch
Wohlstand damit schöpfen.
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Alt 05.05.2020, 20:44   #2
männlich Ex-Ralfchen
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Wir stehlen nicht, <<<<<wer ist wir
wir morden nicht. <<<<<wer ist wir
Das haben wir nicht nötig.

Doch Zahnräder sind wir alle <<<<alos alle auch die stehler und mörder
im Getriebe des großen Unrechts,
das wenige reich macht
und viele tötet.

Wir wagen nicht zu bremsen
der Räder Kraft und Schwung,
solange wir für uns noch
Wohlstand damit schöpfen
. also was jetzt? wohlstand für alle????


also leider wieder einmal ein widerspruch der den anderen ins vögelchen beisst lieber mensch.
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Alt 06.05.2020, 15:38   #3
weiblich AlteLyrikerin
 
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Lieber Ralfchen,

wer ist "wir"? --> Alle Menschen u.a. im westlichen Europa, die im Wohlstand leben.
Wir legen uns etwas darauf zugute, dass wir keine Diebe oder Mörder sind. Aber wir sind die Nutznießer eines weltweit agierenden, mörderischen Wirtschaftssystems, das bekanntermaßen die Erde ausbeutet und für das Elend, ja sogar den Tod, vieler Menschen verantwortlich ist. Wir sind, ob wir wollen oder nicht, Zahnräder in diesem ökonomischen Getriebe. Würde es die Mehrheit bei uns ebenso ins Elend treiben wie anderswo, würden wir vielleicht etwas dagegen zu tun versuchen. Aber ….

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
AlteLyrikerin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.05.2020, 15:52   #4
Trembalo
 
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Wir, die Besitzlosen.

Liebe Grüße
Trembalo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.05.2020, 18:35   #5
weiblich AlteLyrikerin
 
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Hallo Trembalo,
es ist schön,dass Du vorbeischaust, Danke dafür. Aber Deinen sehr kurzen Kommentar kann ich nicht so richtig einordnen. Magst Du Dich etwas mehr outen?

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Alt 06.05.2020, 18:45   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von AlteLyrikerin Beitrag anzeigen
Doch Zahnräder sind wir alle
im Getriebe des großen Unrechts,
das wenige reich macht
und viele tötet.
Das sehe ich nicht so, AlteLyrikerin. Wir laufen alle im Rad mit, weil wir unseren Unterhalt verdienen müssen, nicht, weil wir die die Wenigen reich machen (wollen/sollen). Es gibt zwar Korrelationen, aber nicht einen Ursache-Wirkung-Mechanismus.

Die Wenigen sind schon lange reich, aber inzwischen werden sie noch reicher, doch nicht durch unser Getriebensein im "großen Rad", sondern weil sie Wege gefunden haben, wie sich ihr Vermögen reproduziert: Geld "verdient" Geld. Das ist das Ergebnis des Neoliberalis, der den 30 Jahre lang funktionierenden Kapitalismus abgelöst hat. Die Arbeit des Volkes ist gut für die Staatskasse, aber nicht relevant für die paar Reichen und die Stiftungen, die sich im Rahmen der Globalisierung und immer neuer, nur ihnen verständlicher Bank- bzw. Spekulationsprodukte und Verflechtungen die Geldschränke füllen. Der "kleine Mann" in der Produktion und am Schreibtisch blickt durch diese Systeme gar nicht durch.
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Alt 06.05.2020, 18:56   #7
männlich Eisenvorhang
 
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Hallo liebe AlteLyrikerin,

dein Gedicht lässt für mich folgende Frage aufkeimen:

Wie wären wir, wenn wir zu einem Teil des Getriebes würden und Macht erhielten?
Ist politische und wirtschaftliche Moral dehnbar? Natürlich, ist es unsere eigene?

Je älter ich werde, desto mehr komme ich von dem Prinzip des guten moralischen Menschens ab und mehr hin zu der Idee, dass alles wandelbar ist, auch wir selbst.

Was wir heute verurteilen, kann morgen schon das Urteil über uns sein. (Und natürlich auch die Umkehr).
Und ich persönlich habe immer ein Problem mit absoluten Begriffe wie Ethik, Moral, Religion. Das meine ich mitnichten abwertend oder ablehnend, viel mehr will ich diese Begriffe verstehen. Was ist denn Unrecht?

Ich denke... Alles ist normal wie es ist bzw. alles ist so wie es sein muss.
Weswegen es auf Sinnfragen nach dem Leben auch nicht wirklich eine Antwort gibt. Außer für die, die natürlich einen Glauben in sich tragen (Was ich akzeptiere und sehe selbst eine Schöpfung, welche aber jenseits der Menschheit verwurzelt ist und mit dem Gottesbild, welches der Mensch zu tradieren versucht, nur wenig gemeint hat. Für mich ist die Natur Gott.)

Gern gelesen!

vlg

EV
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Alt 06.05.2020, 19:19   #8
männlich dr.Frankenstein
 
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Das große Rätsel ist doch, wieso gerade zu dieser Zeit, die Menschen so alt werden. Bis 1800 sind noch die ältesten 40 gewesen.
Die größte Erungenschaft unserer Zeit ist ja, auch als armer Faul gut leben zu können.
So bezahlt der Mittelstand nicht nur die Börseadligen, leider ist es zu spät die zu enteignen, denn sie sind mächtiger als ihre Berater... die Kanzler und Präsidenten oder Boten.
Er bezahlt auch noch für die Arbeitslosigkeit der Armen.
Das alles funktioniert ja nur durch extrem billige Baumaterialien und Sklavenarbeit im Ausland. Nimmt man den Menschen die Autonomie, sind sie bereit alles zu tun um nich aus der Sippe ausgestoßen zu werden.
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Alt 08.05.2020, 15:54   #9
weiblich AlteLyrikerin
 
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Standard Herzlichen Dank für eure Kommentare!

@Ilka-Maria: Ja, der Finanzkapitalismus neuerer Art, von manchen auch Turbokapitalismus genannt, hat nochmals eine neue Dimension der Entmachtung von Politik und der Umverteilung von Vermögen eingeleitet. Mit der indirekten Aufforderung des Aussteigens aus dem Räderwerk meine ich unsere Verantwortung eine Umgestaltung des Systems einzufordern. Wenn Hunderttausende auf die Straße gingen (was der deutsche Michel leider ungern tut), und Politiker ernsthaft um ihren Wahlerfolg fürchten müssten, dann könnte vielleicht eine ernsthafte Gegenbewegung eingeleitet werden.

@EV:
Zitat:
Zitat von EV: Ich denke... Alles ist normal wie es ist bzw. alles ist so wie es sein muss.
Während ich sehr gut nachvollziehen kann, wenn jemand ethische bzw. moralische Forderungen sehr genau hinterfragt, denn auch sie können missbraucht werden für die Errichtung von ungerechten Strukturen, bin ich über diesen Satz von Dir nahezu sprachlos. Da ich Dich als sensiblen Künstler achte, frage ich mich, ob ich ihn vielleicht falsch verstehe.
Für mich bedeutet Deine Aussage: Alles kann bleiben wie es ist. Um die Beseitigung von Terror, Kriegen, Verelendung ganzer Ethnien muss man sich nicht bemühen.

@dr.Frankenstein:
Zitat:
Zitat von dr.Frankenstein: Das alles funktioniert ja nur durch ... Sklavenarbeit im Ausland.
Da stimme ich Dir zu, und genau darum geht es! Wir töten nicht mit unseren eigenen Händen, wir leben in einem System, das nur über die Sklavenarbeit in anderen Ländern funktioniert und das Sterben billigend in Kauf nimmt.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Alt 08.05.2020, 16:19   #10
männlich Eisenvorhang
 
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Liebe AlterLyrikerin,

tatsächlich hast du mich missverstanden. Alles ist, wie es ist, heißt, dass die Dinge unveränderlich in die Welt geworfen wurden. Das tägliche Brot, welches außerhalb unserer Fenster geschieht und das völlig wertungsfrei. Viel mehr als ein existentialistisches Argument gemeint, dass die Welt, so wie sie existiert sein muss. Dazu zählen eben gute und schlechte Dinge wie Liebe, wie Verachtung, wie Geburt, wie Tod, Leben zu retten und Leben zu nehmen. Wir sind doch nur ein Resultat unserer Umgebung.

Wenn wir die Welt in Frage stellen und sie dadurch unveränderlich weiterexistiert, muss das Gründe haben. Wir Menschen beurteilen die Dinge aus unseren Augen, mit unseren Erfahrungen und Handlungen, die aus dem freien Willen, aus dem Affekt oder aus kaltem Kalkül geschehen. Und das Resultat ist das was vor uns liegt und ich komme dann nur zu dem Entschluss zu sagen: Das alles Normalität ist.

Die Welt wäre anders, wenn alles gleich wäre, wenn die Welt voller Liebe wäre und es nichts anderes gäbe als das. Eine Welt ohne Krieg und Hunger, eine Welt ohne Unterdrückung und Gerechtigkeit. Was würde sich in so einer Welt noch verändern?


Ich weiß nicht, liebe AlteLyrikerin, vielleicht kreuzen sich hier unterschiedliche Ansichten und Erfahrungen, aber je älter ich werde, desto mehr Sinn und Frieden sehen in allem. Wir sind eben Teil im Getriebe.
Und rein mechanisch gesehen: Wie sind Getriebe aufgebaut? So, dass alles im System funktioniert.

Und der Mensch tut was er seit tausenden Jahren macht. Seine Grundzüge haben sich nicht verändert. Täglich grüßt das Murmeltier, nur das es 2020 eben sehr modern grüßt oder es grüßt eben, wie es schon immer war, auf eine zeitgemäße Weise. Es wird Terror usw. auch noch in 200 Jahren geben, wenn der Mensch bis dahin überhaupt überleben wird. Die Frage ist nur auf welcher Ebene?

Vielleicht kann man bis dahin Wetter künstlich erzeugen und bewusste Dürren in anderen Ländern herbeiführen, vielleicht leben wir in einer Welt aus Cyberpunkt und MadMax, vielleicht wird auch alles schön (was ich persönlich bezweifle). Vielleicht erhalten wir soziale Register, wo unser Wert nach einem sozialen Punktesystem bestimmt wird und wir Punkte sammeln, in dem wir uns staatsbeflügelt verhalten oder Punkte verlieren, in dem wir uns auflehnen. Vielleicht werden wir gezüchtet, ganz nach dem Motto "Der synthetische Mensch" von Kästner.

Ich wollte nicht sagen, dass alles so bleiben kann, wie gesagt, das habe ich nicht geschrieben, ich sagte nur, dass alles durch meine Augen ein Spektrum ist, was ich persönlich Normalität schimpfe.

Ich habe das Gefühl, dass alles Ding in dieser Welt gewollt ist.
Das sagt mir jedenfalls mein Gefühl.

Ich hoffe, ich konnte etwas aufklären.


Bleib bitte gesund und ich wünsche dir noch einen schönen Tag.

vlg

EV
Eisenvorhang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.05.2020, 17:45   #11
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von AlteLyrikerin Beitrag anzeigen
@dr.Frankenstein: Da stimme ich Dir zu, und genau darum geht es! Wir töten nicht mit unseren eigenen Händen, wir leben in einem System, das nur über die Sklavenarbeit in anderen Ländern funktioniert und das Sterben billigend in Kauf nimmt.
Dem stimme ich nicht zu.

Es muss erst einmal bewiesen werden, dass "wir" bzw. "unser System" Sklavenarbeit in anderen Ländern "billigend in Kauf nimmt" (wobei das eine Doppelung ist).

Unser System pumpt endlos Geld in die fraglichen Länder, um Verbesserungen für die Bevölkerung zu unterstützen, ebenso sind die Hersteller von Waren sensibel dafür geworden, den Vertragspartnern im Ausland Auflagen zu machen, ehe sie Verträge abschließen und Aufträge verteilen. Das Problem liegt in der Undurchführbarkeit von Kontrollen. Wenn sich Vertragspartner nicht an die Vereinbarungen handeln, sondern das Geld zu anderen Zwecken missbrauchen, hat man kaum eine Handhabe, dagegen vorzugehen. Das sind eben "innere Angelegenheiten".

Andererseits kann man nicht einfach die Menschen, die von der Arbeit abhängen, im Stich lassen. Man sieht ja gerade im Augenblick, was in Bangladesh bei den Näherinnen los ist, seit wegen der Maßnahmen gegen Corona/Covid der Stillstand eingetreten ist. Die Leute haben kein Geld mehr, können sich nicht einmal mehr Nahrung kaufen.

Das ist ein Dilemma, und Dilemmata zeichnen sich bekanntlich dadurch aus, dass sie nicht lösbar sind, ohne sich schuldig zu machen. Das "System" zurückziehen und selbst produzieren? Ware würde dadurch teuerer. Wäre das ein Problem? Gewiss nicht, denn die "Sklavinnen", die für wenig Geld nähen, stellen auch Kleidung für den "gehobenen" europäischen Markt her, und diese Preise werden ohne Wimpernzucken gezahlt.

Das kann es also nicht sein.

Was tun? Den Leuten die Arbeit entziehen, weil ihre eigenen Arbeitgeber korrupt sind? Prima. Dann sind wir "sauber", aber die Leute verrecken in ihrer Armut.

Kritik am System ist einfach, hat aber noch nie ein Problem gelöst.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.05.2020, 12:08   #12
weiblich AlteLyrikerin
 
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Liebe Ilka-Maria,

ich denke schon, dass es korrekt ist zu sagen, dass die Art wie unser ("unser" hier als die Gesamtheit der Menschen verstanden) Wirtschaften weltweit organisiert ist, viele Menschen tötet und wenige reicht macht.
Waffenverkäufe, Ausbeutung von Bodenschätzen ohne dass die Bevölkerung des Landes etwas davon hat, unfaire Preise für Produkte aus armen Ländern; die Liste könnte mit konkreten Beispielen elend lang werden.
Du schreibst
Zitat:
Unser System pumpt endlos Geld in die fraglichen Länder, um Verbesserungen für die Bevölkerung zu unterstützen,
Bei den Geldern, die da fließen, landen extrem viele Mittel in korrupten Händen. Zudem werden Projekte unterstützt, die nachweislich nicht der Entwicklung von Lebensmöglichkeiten der armen Bevölkerung dienen. Wenn z.B. die Firma BASF Entwicklungshilfe erhält, damit sie menschenwürdige Arbeitsbedingungen gewährleistet, dann finde ich das reichlich schizophren. Bei den Gewinnen dieses Unternehmens in Entwicklungsländern sollte man erwarten, dass sie menschenwürdige Arbeitsbedingungen selbst finanzieren können. Aber genau da liegen ja die Quellen von riesigen extra Profiten.

Dass Kritisieren immer leichter ist als Verbesserungen durchzuführen, da hast Du recht. Doch Kritik ist oft der erste, notwendige Schritt vor dem "Erfinden" und Ausprobieren von Verbesserungen.

Neulich erfuhr ich in einem Interview mit der kritischen Journalistin Ulrike Herrman (sie schrieb u.a. das Buch "Der Sieg des Kapitals"), das unter mehr als zehntausend Wirtschaftswissenschaftlern keiner über die Möglichkeiten forscht unseren Kapitalismus umzubauen in ein System, das nachhaltig wirtschaftet und niemanden entrechtet.

Was das Gedicht selbst angeht, neige ich mittlerweile dazu die letzte Strophe anders zu fassen. Weg von dem zu harmlosen Bild des Räderwerks (Räderwerk, siehe Uhrwerk, ist ja zunächst gar nichts Schlechtes).

Wir wagen nicht zu bremsen
die Macht des Kapitals
solange wir für uns noch
Wohlstand generieren.

Lieber Eisenvorhang,

da habe ich Dich wirklich gründlich missverstanden. Danke für Deine ausführliche Antwort. Aber bevor ich im Detail darauf eingehe, muss ich mich noch gründlicher damit auseinandersetzen.

Herzliche Grüße Euch beiden, AlteLyrikerin.
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Alt 09.05.2020, 12:31   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von AlteLyrikerin Beitrag anzeigen
Wenn z.B. die Firma BASF Entwicklungshilfe erhält, damit sie menschenwürdige Arbeitsbedingungen gewährleistet, dann finde ich das reichlich schizophren. Bei den Gewinnen dieses Unternehmens in Entwicklungsländern sollte man erwarten, dass sie menschenwürdige Arbeitsbedingungen selbst finanzieren können. Aber genau da liegen ja die Quellen von riesigen extra Profiten.
Sorry, dem kann ich nicht folgen. Das ist politisches Programm und kann nicht einem Unternehmen angelastet werden. Wer Geld angeboten bekommt, nimmt es auch.

Wenn der Staat so mit unseren Steuergeldern umgeht, muss ich dessen Verantwortliche in die Kritik nehmen, nicht ein Unternehmen, dem man den goldenen Löffel hinterherwirft. Abgesehen davon kannst du davon ausgehen, dass die Entwicklungshilfe nicht reicht und ein Unternehmen mit eigenen Investitionen kräftig aufstocken muss. Vom Entwicklungsgeld allein kann ein Untenehmen keine voll ausgestattete Außenstelle hochziehen und das Fachpersonal bezahlen, das vor Ort managen und die Leute einweisen muss, und nicht selten muss auch in die Infrastruktur erst einmal investiert werden.

Die gleiche Empörung über staatliche Hilfe haben wir jetzt auch im Inland, weil die Autohersteller wegen der Coronakrise von ihrem Recht Gebrauch machen, Unterstützung einzufordern, während an die Shareholder Dividende fließen sollen. Aber Moment mal! Die Corona-Krise und der Lock-down wurden nicht von den Autoherstellern oder sonst einem Unternehmen verschuldet. Warum also sollen Investoren auf ihre Dividende = Einkommen verzichten, während jeder andere Kleinunternehmer Hilfe für seinen Umsatzausfall beanspruchen darf? Die übrigens nur als Kredit gewährt wird, also wieder zurückzuzahlen ist. Der Dividendenempfänger zahlt auch, nämlich mit Abgaben auf Gewinne und mit den Transaktionskosten, und die sind weg. Der Kreditnehmer jedoch hat die Chance, dass der Staat ihm später die Schulden erlässt, wenn er sie nicht zurückzahlen kann.

In unserem Staat wird ständig nach Gleichheit geschrieen, aber offensichtlich sind in bestimmten Fällen doch manche gleicher als die anderen - oder man vergleicht einfach Äpfel mit Birnen.
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Alt 09.05.2020, 12:47   #14
weiblich AlteLyrikerin
 
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Liebe Ilka-Maria,

obwohl ich denke, dass wir keinen gemeinsamen Standpunkt finden werden (was wir übrigens auch nicht müssen), möchte ich deine Stellungnahme in Bezug auf die Autobranche aufgreifen. Die Autobranche war schon in der Krise vor Corona und zwar durch eigenes Versagen. Nun haben sie durch Corona eine seltsame Schützenhilfe erfahren.
Außerdem, als ich noch als Selbständige unterwegs war, habe ich die Finanzkrise miterlebt. 2008 wurden bei meinen Kunden über Nacht alle Entwicklungsprojekte gestoppt, so dass ich keine Einnahmen hatte. Hätte ich mich damals an Väterchen Staat gewendet um Finanzhilfen zu erhalten, dann wäre die Antwort in etwa gewesen: ein guter Kaufmann bildet Reserven in guten Zeiten, dann kann er davon auch schlechte Zeiten überbrücken.

Da ich solche Reserven tatsächlich gebildet hatte, konnte ich die Zeit bis zum nächsten Auftrag tatsächlich überbrücken. Die Autobrache hat selbst in Zeiten des Dieselskandals noch Milliarden erwirtschaftet. Ich würde mir wünschen, dass sie auch erst einmal ihre Reserven angreifen müsste. Aber das Geschrei geht ja schon los, wenn die Gewinne auch nur sinken!!! Immer mehr Wachstum zu erwirtschaften, kann aber für die endlichen Ressourcen der Erde nicht das Paradigma der Zukunft sein.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Alt 09.05.2020, 13:04   #15
weiblich Ilka-Maria
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Erstens haben die Fehler, die die Autobranche gemacht hat, nichts mit der derzeigen Corona-Krise und dem damit verbundenen Ausfall zu tun.

Zweitens ist nicht jeder Selbständige in der Lage, Rücklagen zu bilden, weil die Geschäftsstruktur vieler dieser Unternehmen das gar nicht hergeben, sondern ihre Betreiber von einem Tag auf den anderen über die Runden kommen müssen.

Drittens bin ich ein Gegner jeglicher Entwicklungshilfe, solange nicht gewährleistet ist, dass Deutschland als Geberland auch die vollständige Kontrolle darüber hat, wohin diese Gelder fließen.

Wir haben einen ehemaligen Entwicklungshelfer in der Familie, der Jahrzehnte lang in Asien und Afrika unterwegs war. Asien war für ihn okay, aber in den afrikanischen Ländern etwas zu bewirken so gut wie aussichtslos. Wir berücksichtigen nämlich nicht, dass die Menschen dort historisch und kulturell bedingt eine völlig andere Denkweise haben als wir. Datailliert darauf einzugehen würde hier den Rahmen sprengen.

Ich bin generell dagegen allergisch, uns in Deutschland unseren Wohlstand vorwerfen zu lassen, indem auf die "armen" Kinder in unterentwickelten, von korrupten Staatsoberhäupten gelenkten Ländern gezeigt wird. Es ist schon ziemlich dreist, uns vorzuwerfen, an einem Rad mitzudrehen, das Menschen tötet, und ich weigere mich, mir diese Jacke anziehen zu lassen. Kaum ein Land kassiert mehr Steuergelder als Deutschland, und von diesem Geld wird reichlich in der Welt verteilt. Wer sich obendrein noch Asche aufs Haupt streut oder sich streuen lässt, sollte sich einen guten Shrink suchen. Moralische Keulen haben bei mir ohnehin keine Chance, denn sie dienen nur dazu, dass sich der Keulenschwinger auf der guten Seite wähnen darf, Heiligenschein inbegriffen.

Sorry, aber bei Moralpredigten über die schlechten Kapitalisten, die weltweit Menschen umbringen, schwillt mir der Kamm. Mein Gerechtigkeitsgefühl setzt erst dort ein, wo einer dieser auf unsere Kosten in Saus und Braus lebende Diktator von seiner Bevölkerung gelyncht wird - und seine Warlords, die Hilfskonvois überfallen und Leute massakrieren, gleich mit.
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Alt 09.05.2020, 18:36   #16
männlich MiauKuh
 
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Guten Abend AlteLyrikerin,

der Anfang deines Gedichtes gefällt mir immer wieder.
"Wir stehlen nicht, wir morden nicht. Das haben wir nicht nötig."

Gleich einer Parole, mit der eine Vereinigung Gleichlaut spricht.
Dann zerfällt der schöne Klang in zwar große Aussagen, aber in seltsame Rhythmen. Mir als Leser bleibt unklar, warum?
In einem Zahnradwerk, wie im angesprochenen Getriebe, wäre es passender, auch hier rhythmisch im Text vorzugehen. Aber nein, so kämpft der Verlust des Rhythmus zu Beginn mit dem schönen Inhalt.

Tatsächlich verstehe ich auch einen Umbruch in der letzten Strophe nicht, eben auch aufgrund des Rhythmus.

"solange wir für uns noch
Wohlstand damit schöpfen."

Warum nicht:

"solange wir für uns
noch Wohlstand damit schöpfen." ?

Ich habe dunkel in Erinnerung, dass du sehr kluge Text genauso schön im Metrum schreiben kannst und dich hin und wieder freieren Rhythmen zuwendest. Dies Gedicht hier aber besticht mich erst durch den Gleichschritt und dann zerfällt es rhythmisch und ich frage mich dann: War dar das nötig?
Ich kenne deine Gründe dafür nicht und vielleicht legst du sie ja dar.

Mir als Leser sieht es aus, wie eine vertane Chance.
Schade um den schönen Anfang.

Den Mittelteil lese ich so:

"Doch Zahnräder sind wir alle
xXxxXxXx
im Getriebe des großen Unrechts,
xxXxxXxXx
das wenige reich macht
xXxxXx
und viele tötet."
xXxXx

Andererseits, wo ich es so mehrfach und etwas genauer lese ...

die erste Strophe könnte ich auch als Parole lesen und dann die zweite Strophe als gebetsmühlenartigen Vortrag, gleich als würde ein Priester seine Gottestexte vorlesen ..., aber was ist dann wieder die dritte Strophe?

Hach,
es war interessant eine Weile über dein Gedicht nach zu denken.
Ein wenig erinnerte mich der Anfang auch an Erich Kästner, aber ich weiß wirklich nicht warum. Vielleicht eine Ähnlichkeit, die mir grade nicht präsent ist.

Liebe Grüße
MiauKuh ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.05.2020, 12:22   #17
weiblich AlteLyrikerin
 
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Lieber MiauKuh,

nun bin ich leider zu spät dran und muss lesen "EX-MiauKuh". Aber vielleicht liest du hier noch ab und zu als unerkannter Gast. Herzlichen Dank wollte ich sagen, weil du dich metrisch so intensiv mit dem Text auseinandergesetzt hast. Deine Wahrnehmungen nehme ich ernst; ich werde den Rhythmus nochmals überdenken.
Nur so viel zu einem Detail:
Zitat:
Zitat von MiauKuh: "solange wir für uns noch
Wohlstand damit schöpfen."

Warum nicht:

"solange wir für uns
noch Wohlstand damit schöpfen." ?
Das "noch" in letzter Position der Zeile soll damit ein besonderes Gewicht erhalten. Die Irritation im Rhythmus soll die Störung einer humanistischen Ordnung andeuten. Aber das alles kann auch ganz anders rhythmisiert werden. Darüber werde ich mich nochmal hermachen.

Herzliche Grüße verbunden mit dem Wunsch, dass Du (nach einer "Erholungszeit") einmal wieder vorbeikommen wirst.

AlteLyrikerin.
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