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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 01.04.2013, 02:41   #1
männlich Ein Träumer
 
Dabei seit: 04/2013
Ort: irgendwo im Rheinland
Beiträge: 11

Standard Ballade vom Schicksal

In alten Zeiten erzählte man sich folgende Wundermär',
Von einer fernen Stadt am Rande aller Geschichte,
Worin ein uralter Chinese in der Formosa-Straße wohnte,
Der, wenn er abends neben seinem alten Ofen thronte,
Aus lang vergess’ner Zeit eine Liebesgeschichte wusste,
Die er oft den Kindern und den Greisen erzählen musste.
Dann schloss der greise China-Mann die falt’gen Augen,
Begann sich zu besinnen und an seiner Pfeif’ zu saugen.
Und wenn ein mildes Lächeln in seine alten Züge trat,
Erzählte er die traurige Geschichte von Liebe und Verrat:

„Vor vielen, vielen Jahren lebte der Schreiber Jao-Jing,
Doch schon in der Jugend war er schlicht ein Sonderling,
Von den Eltern zu Fleiß, Anstand und Arbeit erzogen,
Stand er im Dienste der Stadt, hatte vielleicht nie gelogen.
Das Volk mochte den sonderbaren Denker, frug um Rat,
Niemand musste verzichten, der um seine Weisheit bat.
So hatte er in den letzten zwanzig Jahren viel Gutes getan,
Doch ohne selbst zu wissen, warum, war er traurig ab und an.
Und immer trister und traur’ger wurde unser kluger Mann,
Bis er selbst spürte, dass sein Leben ohne Sinn verrann:
‚Obwohl die Leute mich wohl mögen, geh’n die Jahre dahin,
Und ich weiß nicht, warum ich nicht glücklich bin!’
So arbeitete der Schreiber erfolgreich, aber traurig weiter,
Doch niemand sah ihn mehr wirklich zufrieden, gar heiter.
Mehr und mehr spürt’ er seine elend leere Einsamkeit.
Das Elend ließ nicht mehr ab, bis er zu sterben war bereit.
Noch wenige Tage gab er sich, hatt’ genug mit sich gelitten,
Als eines Morgens Sinja-Li vorüber ging mit großen Schritten.
Jao-Jing sah die schöne Frau und zu Ende war die arge Not!
Der kleine Schreiber dacht’ nicht mehr an Elend oder Tod,
Nun wusst’ er, was er Jahr um Jahr so elendiglich vermisst!
Aus tiefster Seele stieg in ihm die Liebe auf, die alles vergisst.
Sinja-Li betrat des Schreibers karge Stube und schaut’ ihn an,
Auch sie traf der Pfeil der heißen Liebe tief ins Herz alsdann!
Stumm standen sie sich gegenüber, beiden fehlte jedes Wort,
Sie blickten nur, ihre Augen studierten einander immerfort.
Von da an wussten sie: Ein Leben ohne einander gab es nicht,
Denn klein ist der Menschen Wille, wenn das Schicksal spricht!
Sie trafen sich am Abend unter den Sternen am gelben Fluss,
Hielten ihre Hände fest und gaben sich manchen süßen Kuss.
Dann erzählte Sinja-Li von Qua-Choi, ihrem mächt’gen Gatten!
Dass sie beide vor langer Zeit feierlich einander geheiratet hatten,
Dass sie seit dieser Zeit ein kleines Glück mit ihm gefunden habe,
Qua-Choi sei nicht die große Liebe, aber besitze manche Gabe,
Kümm’re sich nett um sie, schenke ihr Ruhe und Sicherheit.
Doch manchmal spüre sie den Schmerz der inn’ren Einsamkeit.
Er vernahm mit Bestürzung der Geliebten traur’ge Kunde,
Viele bitt’re Tränen beider flossen dort zu jener Stunde.
Doch Sinja-Li musste nach Hause, musste dringend fort.
Zurück blieb ein ratlos traur’ger Jao-Jing an jenem Ort,
Der mit dem Schicksal haderte, schrie und dann schwor:
‚Kämpfen will ich, besser bitter enden als ewig ein Thor!’
Und ihre Liebe wuchs, so sehr sich Sinja-Li auch wehrte,
Jao-Jing wurd’ mehr und mehr ihr Vertrauter, ihr Gefährte.
Sie besucht’ ihn heimlich bald in dem kleinen, kargen Haus,
Ging schließlich täglich bei dem Geliebten ein und aus,
Spazierte mit ihm Hand in Hand durch manchen Wald,
Sah mit ihm der Natur Schönheit und der Welt Gestalt,
Lag mit ihm in grünem Grase und warmem Sonnenstrahl,
Und dabei empfand sie Glück, als sei er ihr lieber Gemahl.
Was begonnen wie eine bill’ge Posse, ein Husarenstück,
Wurde schnell beider tiefst ersehntes Herzensglück!
Doch über ihrer Liebe lag der Ehe schwarzer Fluch,
Mochte die Ehefrau auch nicht mehr des Gatten Geruch,
Der edle Qua-Choi forderte von Sinja-Li sein Recht!
Ohne Seele, ohne Gefühl befriedigte sie sein Geschlecht.
Vor Jao-Jing schwieg sie verschämt, wenn er sie frug,
Empfand bald Ekel, fühlte ihre alte Heirat als Betrug.
Tag um Tag, Monat um Monat traf sich das Liebespaar,
Hielt die Liebe fest, machte einander alle Träume wahr.
Immer tiefer drang der Liebe Kraft in ihre armen Herzen,
Unsäglich waren ihnen der Trennung arge Schmerzen,
Jeden Tag aufs Neue hieß es bitt’ren Abschied sagen,
Alltäglich aufs Neue versteckte, geheime Treffen wagen!
Für ihre schönen Stunden leben, lange ging das so fort,
Bis ein Freund Qua-Chois sie entdeckte an fernem Ort!
Schnell gab er die neue Mär an den gehörnten Gatten,
Von da an war jener nur noch seiner selbst Schatten.
Rasend wollt’ er sich sinnlos stürzen in sein Schwert,
Doch sein Tod wurde von den Freunden abgewehrt.
Im Gesicht mit Zornesröte schwor er bitt’re Rache,
An seiner Krankenstatt hielten die Gefährten Wache,
Dass er seine Gattin nicht ermorde, käme sie heim
Und wenig später trat die Ehebrecherin leise ein!
Unter Schmerzen, unsäglichem Leid frug er sie:
‚Sinja-Li, war ich nicht immer gut zu dir, wie?
Gab ich dir nicht Haus und Hof und Sicherheit?
Warum betrügst du mich, warum das tiefe Leid?’
Aber die Gattin schwieg und senkte ihren Blick.
Wie sollte sie dem Mann erklären das echte Glück?
Vor Gericht kam nun der arme Schreiber Jao-Jing,
Die Todesstrafe drohte dem verliebten Schreiberling!
Der hohe Richter hörte zunächst den Betrog’nen an,
Hernach sollte Jao-Jing laut zu allen sprechen dann.
Wer nun erwartet’, der Schreiber bäte um sein Leben,
Sah sich getäuscht, denn anders war sein Bestreben:
‚Hoher Richter’, sprach er,’hört mich an, meiner Treu,
Ja, ich liebe Sinja-Li, die Frau des edlen Qua-Choi!
Bedenkt, seitdem hier im All ein Menschengeschlecht,
Hat jeder Mensch das unveräußerliche, edle Recht,
Sich inniglich zu verlieben und nach freier Wahl,
Aber unterm Himmelszelt mit Wesen unendlicher Zahl,
Existiert vielleicht nur genau ein Mensch, der passt,
Dem anderen zu nehmen der ew’gen Suche Last!
Vom Schicksalplan ist jenes einzig treffende Wesen,
Dazu ausersehen, im and’ren Freud’ und Leid zu lesen!
Mit ihm nur, diesem Wesen, werden milder alle Schmerzen,
Mit ihm nur kommt der Freude Wohl aus tiefem Herzen.
Mit ihm zu leben ist uns bestimmt seit Beginn der Zeit,
Mit ihm werden wir sterben und wandern in die Ewigkeit!
Ich fand in Sinja-Li jene mir nur einzig bestimmte Frau,
Der Schicksals Mächte spürte ich plötzlich ganz genau!
Tötet mich mit eures weltlichen Amtes blut’ger Macht!
Denn so lang’ ich lebe, lieb’ ich jene Tag und Nacht!’
Lange schwieg der Richter da über Jao-Jings Wort,
Dann ließ er Sinja-Li treten an den selben heil’gen Ort,
Sie zu vernehmen, weil er hören wollt’ ihre Aussage.
Sinja-Li blickte in die Runde, dann begann ihre Klage:
‚Glaubt mir, hohes Gericht, in der Ehe war ich treu,
Wich allen Buhlen aus, verhielt mich sittsam scheu,
Qua-Choi ist stets nur gut und edel zu mir gewesen,
Doch Jao-Jing hat Recht: Er ist nicht jenes Wesen!
Glaubet mir, ich habe lange und tapfer mich gewehrt,
Damit der Name des Ehemanns nicht wird entehrt,
Aber gegen des Universums Mächte war ich gering,
Vom ersten Augenblicke an liebte ich ihn: Jao-Jing!
In seinen Augen fand ich der ew’gen Liebe Glut,
Er sah meine Schönheit, schrieb Verse, tat mir gut.
In seinen Armen wurden wir beide tiefes Eins,
Ich fühlte: Sein Leben, sein Sterben sei auch meins!
So bitt’ ich euch, tötet ihn und mich, edler Richter,
Denn ohne ihn verlöschen auch meine Lebenslichter!
Die andere Hälfte zu entbehren, heißt nicht leben,
Kennt man sie, muss man zusammen weiterstreben!
Qua-Choi, mein Gemahl, verzeih mir, guter Mann,
Dass ich meiner Bestimmung nicht entgehen kann!
Doch bedenke wohl, dass die Freiheit auch meint,
Dass Du vielleicht bald mit der Richt’gen vereint!
Gegen die Regulatur der ewig existenten Mächte,
Helfen weder Reichtum, Gewohnheit oder Rechte!’
Da besann der Richter sich drei volle Tage lang,
Alle Parteien warteten aus tiefstem Herzen bang.
Die Gunst des Volkes galt dem tapf’ren Liebespaar,
Denn alle verstanden, dass ihre Liebe ewig war!
Als verronnen die Frist, trat der Richter in die Mitte,
Um das Urteil zu verkünden, so war es alte Sitte.“

Immer an dieser Stelle pflegte der Alte zu pausieren,
Um in die Pfeife neuen Tabak, neues Feuer zu montieren.
Ungeduldig hätten dann die Zuhörer das Ende verlangt,
Doch der Alte hat wohl selbst vor dem Schluss gebangt.
Bis er dann endlich fortgefahren, dauerte es eine Ewigkeit:

„Alle hatten wohl vertraut auf des Richters Weisheit.
Doch himmlisch eh’rne Gesetze gelten irdisch nicht,
Wenn ein allzu herzloser Mann das Urteil spricht:
Der Richter erklärte Sinja-Li des Ehebruches schuldig,
Das Todesurteil für Jao-Jing vernahm dieser geduldig.
Zurück zum Gatten sollte Sinja-Li, sei der Schreiber tot.
Im Volk schrien viele vor Entsetzen, in Mitleid, Not.
Wenig später stand der Henker in des Platzes Rund’,
Das lange, scharfe Schwert bereit für die Todesstund’.
Noch ein letztes Mal straffte sich der Liebesblicke Band,
Dann rollte des Schreibers kluger Kopf im warmen Sand.
So schien widerlegt, woran das Liebespaar fest geglaubt.
Auch das Volk war nun aller Illusionen schon beraubt.
Nun konnte der gehörnte Ehemann die Freude zeigen,
Wollt’ seine Gattin heimwärts führen, die sein eigen.
Qua-Choi frohlockte, der Sieg war ohne Zweifel groß!
Doch im Staub fand man die tapf’re Frau regungslos!
Ein Arzt wurde eiligst herbei geholt in größter Not,
Doch vergebens – Sinja-Li war ohne Zweifel tot!
Im Moment, in dem der Liebste sein Leben verlor,
Stand auch ihre letzte, unendlich lange Reise bevor!“

Mit einem Lächeln in der Miene schloss der Alte,
Nahm die Pfeife aus dem Mund, die schon kalte:
„So siegt eben stets das Gesetz der ewigen Natur,
Egal, wie wir auch handeln, dies gilt doch nur!“

Als der alte Erzähler später starb, war allen neu:
Sein Name auf dem Grabstein hieß: Qua-Choi!
Ein Träumer ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.04.2013, 17:24   #2
weiblich simbaladung
 
Dabei seit: 07/2012
Alter: 67
Beiträge: 3.073

Hallo, Träumer,

Geschichtenerzählen ist eine Kunst, die dein Erzähler meisterhaft beherrscht.
Seine Geschichte in Form einer Ballade hat mich in ihren Bann gezogen. Toll gemacht von dir. Kompliment.
Ich liebe es auch, Märchenerzählern live zuzuhören, wenn sie ihre Kunst verstehen.
Interessehalber: Hattest du eine Vorlage? Ein Theaterstück? Ein Buch?

lg simbaladung
simbaladung ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.04.2013, 23:03   #3
männlich Ein Träumer
 
Dabei seit: 04/2013
Ort: irgendwo im Rheinland
Beiträge: 11

Hallo liebe "simbaladung",

danke für Deine lieben Worte , nein, ich hatte keine Vorlage, ich warb zu dieser Zeit aber um eine unglücklich verheiratete Dame, die sich aber leider anders entschieden hat, als ich es mir in meiner Ballade erträumt hatte...
In gewisser Weise habe ich das teilweise erlebt, aus Rücksicht auf alle Beteiligten das Ganze aber nach Fernost verlegt, sieh in mir also bitte ein bisschen den Jao-Jing...

Liebe Grüße

Ein Träumer
Ein Träumer ist offline   Mit Zitat antworten
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