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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 17.04.2021, 14:32   #1
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 526

Standard jean-hugues anglade ist charles IX.

jean-hugues anglade ist charles IX.

dein spiel vermag uns schmerzvoll einzuhämmern
zu welchem schluss, was wahn sei, du gelangst
"ich habe angst, maman, ich habe angst!"
wirst du als machtwort unter decken wimmern

ein kind, das sich vor tod und treuetrümmern
verbirgt - doch siehe: im privaten prangst
und blühst du auf, da du die wohltat tankst
sich um die magd und euren sohn zu kümmern

zurück aus jenen hellen hinterzimmern
du auf der jagd zögernd dein zepter schwangst
des buches gift sollte dein leid verschlimmern

als dus beim blättern mit dem speichel trankst
es wird wie blut aus deinen poren schimmern
derweil du arglos deinen mördern dankst
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Alt 20.04.2021, 19:38   #2
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 526

Standard Nachtrag

Von Charles IX. soll ein Gedicht an seinen Hofdichter Ronsard existieren, das Conrad Ferdinand Meyer kongenial ins Deutsche übertragen hat. Ich finde es so genial, dass ich es hier noch einmal nachschiebe:

An Ronsard

Ich bin der Herr und Meister
Der Leiber, du der Geister,
Dein ist die größre Macht;
Du kannst mit deinem Singen
In alle Seelen dringen
Und ein Gemüt bezwingen.
Das des Tyrannen lacht.

Wir tragen Kronen beide.
Geborgt ist mein Geschmeide
Auf eine Lebensfrist;
Des Königs kühnem Streben
Kannst du das ew'ge Leben,
Den grünen Lorbeer geben,
Der unverwelklich ist.

P.S.: In meinem Machwerk sollte S3V2 im Interesse des klingenden Metrums lauten:

du zögernd auf der jagd dein zepter schwangst

Einen schönen Abend wünscht

Epilog
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Alt 21.04.2021, 00:55   #3
männlich Saturnia
 
Dabei seit: 04/2021
Beiträge: 23

Hallo Epilog!

Nach kurzer Recherche bin ich auf den Film gestoßen, der dein Gedicht inspiriert hat: "Die Bartholomäusnacht" von 1994 mit Isabelle Adjani in der Rolle der französischen Prinzessin Margot und Anglade als deren Bruder Charles IX., dem damals amtierenden König. Es geht um historisches Geschehen von shakespearscher Dramatik in dem Film. An die in deiner letzten Strophe beschriebene Mordszene (Charles leckt unwissend das Gift der Buchseiten von seinen Fingern und stirbt später panisch blutschwitzend) erinnere ich mich sogar noch, obwohl es lange her ist.

Interessant finde ich ebenfalls das Gedicht des Königs, das dich inspiriert hat. Galten die drei Söhne der Katharina von Medici doch allesamt als missraten, schwach und teilweise verrückt. Genauer betrachtet, scheint das aber nur aus dem Blickwinkel der damaligen Machtkämpfe zwischen Protestanten und Katholiken und dem vermittelnden Königshof wirklich zuzutreffen. Denn das Gedicht des Königs findet äußerst klare Worte und die im Film und deinem Gedicht hervorragend inszenierte Ängstlichkeit des Königs hatte ja auch ihren Grund. Auch Inzucht als biologische Ursache für die Kränklichkeit der Könige erscheint nicht plausibel, da die Mutter Katharina ja ein erstmaliger familiärer "Neuzugang" aus Italien war. Die historischen Personen und Ereignisse zu interpretieren, wird somit wohl immer auch ein lohnender Stoff der Filmindustrie bleiben.

FG
Saturnia
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Alt 21.04.2021, 12:53   #4
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Chapeau!
Lieber Epilog,
wer lange im Gestrüpp und Unterholz sucht, findet auch mal eine Perle der Dichtkunst.
Dein Sonett hat mich begeistert.
Ich gestehe: Der Dich inspirierende Film ist mir nicht bekannt, aber Dein Gedicht ist hinreichender Anlass nach ihm zu suchen.
Die "Sahnestücke" Deines Werkes sind für mich die unaufdringlichen Alliterationen, die, ich will es wagen zu sagen, auf einen Könner, einen Meister der Sprache schlueßen lassen.
Nochmal: Chapeau!
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.04.2021, 19:25   #5
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 526

Standard Hallo und danke ...

... @ Saturnia, für Dein Interesse, die Recherche und die sehr treffende Einschätzung meiner Beweggründe. Ich gebe potenziellen Lesern mit meinen Gedichten immer Aufgaben zum Rätselraten - und freue mich sehr, wenn das als anregend und nicht als abschreckend empfunden wird. Natürlich hast Du den Stichwortgeber schnell gefunden - ich weiß auch nicht, warum mir dieser mittlerweile "alte" Film sehr unamerikanischer Machart in den Sinn kam - oder nur die Szenen mit Anglade als Charles IX. Jedenfalls heißt es in Wikipedia & Co, auch immer wieder "die geniale Darstellung des geisteskranken Königs" etc. - dabei erscheint er, recht betrachtet, doch als einziger "normaler Mensch" unter lauter blutrünstigen Macht-Kartenspielern. Nur in der Mitte des Films blüht er einmal regelrecht auf, als er in einer der ganz wenigen "hellen" Szenen seiner Partnerin (Mätresse wäre der falsche Ausdruck) und dem gemeinsamen Kind einen Besuch abstattet (S2, Z2-4 meines Gedichts).

@ Heinz, für Deine lobende Einordnung, die aus Deinem Mund (bzw. Deiner Tastatur ...) besonderes Gewicht erlangt. Die Alliterationen sind bei mir ja eigentlich Standard, ich vermute daher eher mal, dass sie in vielen Fällen zu aufdringlich ausfallen und in diesem Falle nicht so sehr

Der Film ist sicherlich noch irgendwo abzurufen - ich muss Dich allerdings gewissermaßen warnen: Er ist sehr sperrig und teilweise abscheulich, halt eine "Bluthochzeit" im wahrsten Wortsinn - und eine Gratwanderung am Rand des Wahnsinns. Aber solange das unsere Lyrik befruchtet ...

Einen schönen Abend wünscht

Epilog
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