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Alt 12.10.2018, 20:42   #1
männlich Isengardt
 
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Standard Kupfern

Wie ein Blitz durchfuhr es mich. Hatte ich mich soeben verhört oder sagte er gerade wirklich ich solle ihn töten? Vielleicht spielte mir auch mein alkoholgeschwängertes Hirn einen Streich und ich hatte schon dermaßen einen sitzen, das ich akustische Halluzinationen zu meinem Repertoire an Dingen die ich nicht gebrauchen kann hinzuzählen konnte.
Und doch da war es wieder. Ein wimmern wie aus einem schlechten Film und dann folgten die leisen Worte: "Töte mich...beende es!". Irgendwie hörte es sich kehlig an, wie er die Worte aussprach. Fast gekeucht.
"Junge, du bist besoffen! Komm mal wieder runter und trink noch ein Glas mit mir." hörte ich mich sagen.
Dann fing er zu weinen an. Zuerst ein tiefes Schluchzen und dann brachen die Tränen aus ihm hervor.
"Töte mich! Bitte erlöse mich von meinem Leid."
Ich war total verstört. Das konnte doch jetzt alles nicht wahr sein.
"Du spinnst doch total." hörte ich mich halb lachend sagen. Hatte aber ein mulmiges Gefühl dabei.
"Wie weit ist es um dich gekommen?" fragte ich jetzt etwas ernsthafter.
Und während ich diese Frage stellte ließ ich die vergangenen Zeiten mit ihm Revue passieren.
Die Tage am Bach mit Lagerfeuer, Bier und der Musikbox waren längst vergangen und mir drängte sich die Szene auf, als wir auf Speed in der Kirche auf der Empore saßen und uns über die Predigt scheckig lachten, bis wir schließlich vom Pfarrer der Kirche verwiesen wurden, da wir die Predigt wohl nicht so Ernst nahmen wie er es gern gehabt hätte. Das anschließende philosophieren in einer nicht stark befahrenen Garageneinfahrt mit einem Sixer Bier und einer Pulle billigen Rotweins über Gott, Jesus und die Welt brachte ein kleines Lächeln in mir vor.
Die Zeiten waren unbeschwert. Wir setzten uns gegen alle Regeln durch und taten worauf wir Bock hatten. Es war anstrengend, aber auch schön. Auch wenn die Katerstimmung der folgenden Tage auf eine wilde Party uns immer mehr in einen Dämmerzustand versetzte je älter wir wurden. Umso mehr die Jahre an uns vorüberzogen und ohne uns reiften, desto mehr rutschten wir in einen Sog aus
Traurigkeit und Depression.
Viele Freunde kamen und verschwanden wieder. Sei es weil sie von uns keine Entwicklung erwarten konnten oder sei es weil wir es teilweise dermaßen übertrieben, dass dem einen oder auch anderen manchmal Angst und Bange mit uns wurde.
Nun sitzen wir da. In unseren Mitdreißigern und versuchen noch die gleiche Scheisse abzuziehen wie mit Anfang zwanzig. Das konnte nicht funktionieren.
"Scheiss drauf" schrie ich plötzlich meinen Kumpel an der noch immer wimmernd am Boden lag und vom Tod redete.
Ich nahm die Bierflasche, welche auf dem Tisch stand, der unter den leeren Dosen, alten Pizzakartons und vollgeaschten Tongefäßen kaum noch auszumachen war und richtete mich auf. Ging an die Ecke des Flurs und schlug die Flasche mit voller Wucht gegen die Kante. Sie zerbarst augenblicklich.
Ich nahm die Flasche und schnitt mir mit dem scharfen Überbleibsel tief in den Oberarm. Das Blut schoß augenblicklich aus der Schnittwunde und ich tropfte den halben Teppichboden voll als ich wankenden Schrittes auf ihn zuging.
Er hatte aufgehört zu weinen und starrte mich mit aufgerissenen, angsterfüllten Augen an. Ich beugte mich zu ihm hinunter während mir das Blut weiterhin den Arm herunterlief und schmierte ihm die ganze Chose im Gesicht herum.
"Da hast du deinen Tod! Wie schmeckt er?" schrie ich ihn an und einen kurzen Augenblick hielt er inne und antwortete schließlich:
"Kupfern...".
Da mussten wir beide plötzlich laut loslachen. Ja wir kringelten uns vor lachen und irgendwie blitzte wieder das Gefühl von vor fünfzehn Jahren durch.
Wir umarmten einander und machten uns daran einen Verbandskasten zu suchen.
"Irgendwo in diesem ganzen Chaos müsste ja wohl einer rumliegen.", dachte ich mir und schwor mir das dies meine letzte Nacht mit meinem besten Freund war.
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