|
|
Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten. |
|
Themen-Optionen | Thema durchsuchen |
20.08.2006, 21:57 | #1 |
Rohre
Grau gesprenkeltes Dächerfell
Fauler Morgen in düsteren Tassen Verdörrtes, klapperndes Beingestell Häusergedärm ragt aus finsteren Gassen Thrombose in den Adern der Stadt Die Jugend ist arm und das Alter nicht reich Die Hand, den Fuß gefressen, hat Verstopfung und Durchfall zugleich Durchstochene Glieder, stumme Schreie Quälende Stille und Herbst im Hals Kreischender Fisch und verhungerte Haie Verkennbare Zeichen des Altersverfalls Hoch über uns - elektrische Augen, Geblendet vor ewigem Mangel an Licht. Fahrbahngullis, die Kaltluft saugen. Lungenabhängige Kleinstaubschicht. Über der Ferne die Sonne und Mond, Begraben der Streit in der Ewigkeit. Wir Untenwelt sind das nicht gewohnt. Keine Zeit. |
|
21.08.2006, 09:02 | #2 |
ufff... ganz schön schwierig... du hast das ganze gut rübergebracht... irgendwie hat man sofort bilder im kopf, ein seltsames gefühl... man erwartet ständig, dass irgendetwas durchbricht... irgendetwas anderes... das tut es aber nicht... und das ist gut ... glaub ich zumindest... der letzte vers gibt mir rätsel auf... bitte erklär mir doch, worum es geht
engelsgruß, lichtel |
|
21.08.2006, 11:09 | #3 |
Wow! Bilder, Bilder, Bilder...
berauschend...verwirrend...erschreckend. Allein die Worte sorgen bei mir schon für wohligen Schwindel. Über den Inhalt muss ich allerdings noch sinnieren. Aber die Worte...heftig. |
|
21.08.2006, 19:16 | #4 |
gesperrt
|
der reim ist stellenweise extrem schlecht und lässt ausserdem vermuten, dass du einfach passende worte konstruiert hast statt gelungene metaphern zu finden. das ists chade. wenn es dir an form mangelt, dann lass sie einfach weg. sie ist ohnehin ballast.
|
22.08.2006, 01:28 | #5 |
Der Reim ist nicht schlecht, er ist zwar nicht überall ganz rein aber das tut dr Sache keinen Abbruch. Ja, da sind ein paar formale Mängel zu verzeichnen- aber die Bildsprache ist fantastisch. Ich find es nicht gekünstelt sondern wohlüberlegt sich der finalen Kulmination nähernd.
Gern gelesen! plüschigst Al-eX |
|
22.08.2006, 02:31 | #6 |
Hi Pinky,
ich schließe mich vorangehenden Kommentaren an: Die Bildergewalt deines Gedichts ist wirklich umwerfend ! Ich habe mich daher an eine Interpretation gemacht: Grau gesprenkeltes Dächerfell Eine farblose, aber lebendige Stadt Fauler Morgen in düsteren Tassen voll verschlafener Bürger in den Morgenstunden Verdörrtes, klapperndes Beingestell leidet unter Veralterung und Krankheitsanfälligkeit; Häusergedärm ragt aus finsteren Gassen Diese Stadt, ein reines Wirrwarr aus Häuerblocks, ist eine trostlose Gegend. Thrombose in den Adern der Stadt Sie leidet an Überbevökerung, Die Jugend ist arm und das Alter nicht reich die Menschen sind arm, Die Hand, den Fuß gefressen, hat ein jeder beraubt den anderen, Verstopfung und Durchfall zugleich um in diesem krankhaften Menschenüberfluss zu überleben. Durchstochene Glieder, stumme Schreie Gelähmt und blind - behindert Quälende Stille und Herbst im Hal herrscht jedoch Ruhe (wären die Menschen stark, gäbe es bestimmt einen Aufstand) Kreischender Fisch und verhungerte Haie Es gibt zu wenig Nahrung, man leidet an Hunger; Verkennbare Zeichen des Altersverfalls wie auch anders, bei solch einem hohen Anteil an nicht-arbeitenden Personen (Rentnern). Hoch über uns - elektrische Augen, Kontrolliert durch die eigene Maschinerie Geblendet vor ewigem Mangel an Licht. erblindet der Mensch für eigene Lebensfreude. Fahrbahngullis, die Kaltluft saugen. Verkehrsstraßen, besiedelt von Kälte und Leere, Lungenabhängige Kleinstaubschicht. atmen nichts als Dreck. Über der Ferne die Sonne und Mond, Tageszeiten sind weit entfernt, Begraben der Streit in der Ewigkeit. denn diese Gesellschaft lebt nur in der ewigen Dunkelheit unter der Erde, Wir Untenwelt sind das nicht gewohnt. was sie nach langer Zeit des Wohlstands nicht verkraftet. Keine Zeit. Das hat nichts mehr mit Leben zu tun - die Zeit steht still. Alles im allem deutet es für mich auf eine kritische Betrachtung der demografischen Entwicklung unserer Gesellschaft hin. Steigende Lebenserwartung und eine niedrige Geburtenrate lässt die westliche Kultur immer weiter altern. Das hat zur Folge, dass die junge Generation die alte nicht merh miternähren kann... Hoffe, ich liege mit meiner Deutung nicht all zu sehr daneben und warte gespannt auf die Worte der Dichterin Gruß, dead |
|
23.08.2006, 21:18 | #7 |
Danke für die vielen Rückmeldungen
Rattentod, Dass das mit der Form nicht hundertprozentig hinhaut, liegt eben daran, dass ich nicht um der Form willen arbeiten wollte. Und dass ich meine Möglichkeiten sehr stark eingrenze, indem ich mich auf ein Reinschema beschränke, ist mir durchaus klar. Nur habe ich nicht im Gefühl, dass mich das hier behindert hat. Losschreiben und dann gucken was passt - das habe ich nicht getan. Ob man's nun merkt oder nicht. Al-eX, Danke. lichtelbin, dead_poet, Was die ersten 4 Strophen betrifft, würde ich sagen: Bingo. ("Geblendet vor ewigem Mangel an Licht" - Wir sind blind dafür, was wir sehen sollten, weil wir es noch nie auch nur ansatzweise gesehen haben.) Und was die 5. Strophe angeht, würde ich sagen: dead_poets Interpretation ist fast bedachter als Absicht. Gemeint war das allerdings ein wenig anders - kitschiger. Sonne, Mond, Tageszeiten ist schon die Richtung, in die es gehen soll. Etwa: Wir sind der Dreck. Wir haben Städte, überfüllt mit Menschen. Krankheiten. Überalterung. Wir können nicht einfach sagen: Wir sind unterschiedlich und können damit leben. Wir haben diese Probleme und können damit leben. Du bist reicher als ich und wir können beide damit leben. Wir haben einfach nicht genug Zeit für diese Einsichten, einfach keine Zeit. Wir sind Millionen und Milliarden und alle machen wir die gleichen Fehler. Dreck und Staub und Menschenmüll und einfach keine Zeit. Keine Zeit und doch ist alles zu grau und zu geprägt von Vergangenheit und Zukunftslosigkeit. Es herrscht nicht nur bloß Ruhe. Es herrscht Ruhe, weil keiner mehr kann, weil alle machtlos sind. Weil wir nie konnten und jetzt können wir noch weniger als je zuvor. Ein bisschen Geisterstadtfeeling. Wie in diesen Filmen, die kein Happy End haben können weil es immer nur dasselbe Ende gibt in solchen Städten. Und dann noch die Feinheiten. Rein assoziatives Denkschreiben. Lungenabhängig. Allein schon das Wort "abhängig" hat so etwas dreckig-mieses. Kreischender Fisch und verhungerte Haie. Die, die stumm sind, haben schon angefangen zu kreischen und die, die die anderen auffressen (z.B. "große" Firmenchefs) verhungern, gehen Pleite. Das, wie es laufen soll, ist schon schlimm genug, aber es läuft noch nicht einmal mehr so. Und hinter allem die simpelste Erkenntnis: Keine Zeit. Ist ja auch nicht so, dass ich mir beim Schreiben nichts gedacht habe. |
|
23.08.2006, 21:28 | #8 |
Auch ein Dichterfluch:
"Grau gesprenkeltes Dächerfell Fauler Morgen in düsteren Tassen" |
|
26.08.2006, 22:28 | #9 |
Die Füllungsfreiheit wird hier auf eine harte Probe gestellt:
.-...v...-...v...v.v...-...-...-... Lungenabhängige Kleinstaubschicht .- Üb... Drei Kürzen und drei Längen (vier mit der folgenden Zeile) folgen aufeinander. Das wirkt beim Lesen wie ein Stoppschild, das an dieser Stelle aber keinen Sinn ergibt, da sich die letzte Strophe nicht allzusehr vom Rest abhebt. Ansonsten: Bildgewaltig zwar, aber etwas arg für meinen Geschmack. Das "Dächerfell" zum Beispiel ist etwas undurchsichtig. "Die Hand, den Fuß gefressen, hat / Verstopfung und Durchfall zugleich": sehr wirre Satzkonstruktion, die ich nicht entschlüsseln kann. Herr Finsternis |
|
26.08.2006, 23:22 | #10 |
Herr Finsternis,
Zu meiner Verteidigung muss ich vorbringen: Lungenabhängig wäre etwas anders auszusprechen. In Anlehnung an "drogenabhängig". Hand und Fuß gefressen -> etwas mit Hand und Fuß Verstopfung/Durchfall -> Anlehnung an Wortdurchfall und Gedankenverstopfung, ist aber nicht unbedingt damit zu assoziieren. |
|
27.08.2006, 01:38 | #11 |
@invi
Das ändert ja nichts an der Aussprache. Es hat mich nur sehr verwirrt, was hier wen gefressen hat. Ist es so gedacht? "Die Hand, den Fuß gefressen _haben_ Verstopfung und Durchfall sogleich." Ansonsten fällt mir der Satz schwer, die Bildhaftigkeit ist dennoch etwas abwegig. Herr Finsternis |
|
27.08.2006, 05:25 | #12 |
Ganz ganz starker, bildgewaltiger Text, sehr gern gelesen. Neben dem faulen Morgen in düsteren Tassen (starkes Bild!) hats mir der Herbst im Hals sehr angetan.
Gruß, Guardian |
|
27.08.2006, 10:57 | #13 |
eigentlich hab ich mich da mit meinem kumpel gestern schon geeinigt, hab aber da nix geschrieben. Das hole ich jetzt nach.
Erste Strophe Weltklasse. Ab da, mit wenigen Lichtblicken im freien Fall, das werk. Du hast für mich das grandiose niveau einfach nicht durchgehalten; wie ich denke nicht aus unvermögen, aber aus mangelnder schreibdisziplin (das soll keine anschuldigung werden, nur ein hinweis). Will sagen: Es gibt da ab der 2. S einfach formulierungen die weh tun! An sich lässt sich da aber so viel Talent in dem werk erkennen, dass es mir eiskalt den rücken runter läuft. Bitte weitermachen. LG das weiche Ziel |
|